In Zärtlichkeit sublimierter Schwermut ist die Grundstimmung, die Aidan Baker & Ekin Fil auf der EP The Dark Well (Torn Light Records) in vier zurückhaltende Drone-Pop Stücke weben. Die innige Verbindung von Bakers Improv-Gitarre mit Ekin Üzeltüzencis supermelancholisch hallverwehten Vocals ist völlig erwartet wunderschön und großartig dunkeltraurig. Sie können wohl einfach nicht anders.

Mit den beiden Sarden Saffronkeira & Paolo Fresu haben ebenfalls zwei Charaktere zusammen gefunden, die gerne die dunkleren Ränder der emotionalen Farbpalette bespielen. Das irgendwo zwischen Miles Davis und Chet Baker angelegte „dunkelblaue” Flügelhorn des renommierten Jazz-Trompeters Fresu ergänzt die Dark-Ambient-Soundscapes von Eugenio Caria immer kongenial und wird auf der langen Strecke von In Origine The Field Of Repentance (Denovali, 30. Oktober) niemals loungig, beliebig oder gar überflüssig.

Alexandra Drewchin alias Eartheater ist die unangefochtene Großdiva des experimentellen, aus dem Club heraus gedachten elektronischen Prog-Pop. Phoenix: Flames Are Dew Upon My Skin (PAN), ihr zweites Album auf dem Berliner Großlabel, ist nichts weniger als das große Konzeptalbum zum Thema Auferstehung entlang des antiken Mythos vom Feuervogel. Im Prinzip sind alle Tracks des Albums clevere Variationen über ein Thema, allerdings mit unglaublichen Hits dazwischen. Also mindestens mal auf dem Level von „Wish You Were Here” oder „The Lamb Lies Down on Broadway”, mit dem entscheidenden Unterschied, dass hier eine Frau Stimme, Swagger und Haltung zeigt, die auch noch Humor hat.

Das Avant-Prog-Pop-Projekt der deutschen Schauspielerin Lilith Stangenberg und des philippinischen Filmemachers KHAVN nennt sich Orphea und hat sich einen anderen antiken Mythos über Tod, Rückkehr und die Genese von Musik zum Thema genommen. Lovesongs From Hell (Fun in the Church) sind Songs zu einem Filmclip von Alexander Kluge und KHAVN entlang des antiken Mythos von Orpheus und Eurydike, divaesk gesungen von Stangenberg als elektronische Nico mit Rimbaudelairistischen Lyrics von Khavn.

Als bildende Künstlerin arbeitet Susannah Stark aus Glasgow mit Prints und Collagen, gerne in Dunkelrot getüncht und mal kryptisch, mal mythisch aufgeladen. Die Kunsthochschule ist heute wie gestern immer auch ein Geburtsort von Popmusik und Experimenten. Da ist es naheliegend, dass eine popkulturell geschulte Künstlerin wie Stark sich in Musik ausprobiert. Und auf ihrer Debüt-EP Time Together (Hues and Intensities) (STROOM, 3. November) ist das schon mal sehr gut gelungen. Halbironische Blue-Note-Zitate, rhythmisierte Stimmsamples und freundlich lounge-jazzig angehauchte Folksongs finden hier ganz lässig zusammen, ohne dass Retro-Zitatpop oder angestrengte Pastiche daraus werden würden. Kunststück.

1
2
3
4
5
6
Vorheriger ArtikelOngaku: Videopremiere von „Mihon #2”
Nächster ArtikelAfrodeutsche – Groove Podcast 279