Hits der Clubszene zu benennen, fällt zunehmend schwer – die durchdiversifizierte Techno- und Houselandschaft lässt sich längst nicht mehr auf eine Handvoll großer Namen begrenzen, wie etwa noch zum Ende der letzten Dekade. Mit unserer Zusammenstellung von 20 Singles wollen wir vor allem eines: Dance-Kultur 2019 in all ihren Facetten zeigen, mit Stücken und EPs, die stellvertretend für Entwicklungen wie das IDM-/Electro- oder Hardcore-/Gabber-Revival stehen oder auch einfach nur an die schönsten Festival-, Club- und Afterhour-Momente erinnern. Dass wir das mit 20 Singles allein nicht erschöpfend abbilden können, sei geschenkt. Das hier ist unsere Auswahl von exzellenter Musik, die 2019 die Tanzflächen regierte – oder manchmal auch die heimische Couch beschallte. In ganz neutraler, alphabetischer Reihenfolge mit aktuellen Lesetipps zum Weiterstöbern.

Noch mehr Jahresrückblick gefällig? Hier geht es zu unserer großen [REWIND 2019]-Reihe inklusive den Alben und Compilations des Jahres.

Adiel – Musicofilia (Ara)

Die Danza Tribale-Gründerin und Donato Dozzy-Kollaborateurin Adiel verzaubert mit ihrem hypnotischen Leftfield-Techno-Hybrid „Musicofilia” auf Kangding Rays jungem Imprint Ara. 2019 kredenzte die Italienerin den GROOVE-Podcast 227 – voll mit unveröffentlichtem Material und ihren neuen wie alten Einflüssen.

Afrodeutsche – I Know Not What I Do (River Rapid)

Afrodeutsche gehört nicht nur wegen ihren wilden DJ-Sessions zu den Durchbruchskünstler*innen des Jahres. Mit ihrem zurückgenommenen wie geisterhaftem Sound legt die Musikerin aus Manchester ihren ganz eigenen Entwurf von psychedelischer Tanzmusik vor – wie auf dem Reissue ihres 2018er-Debuts Break Before Make auf Skam oder ihrer 2019er-EP auf Eclair Fifis neuem Label River Rapid.

Air Max ’97 – Icebridge (Timedance)

Batus Timedance Music ließ auch 2019 mit vertrackten Bass-Experimenten von sich hören. Mit röhrendem Sub-Bass und frickligem Drum-Programming spült Air Max ’97 auf „Icebridge” ordentlich die Gehörgänge durch. Wer will da noch behaupten, Deconstructed Club mache keinen Spaß?

Blawan – Many Many Pings (Ternesc)

Mit seine 2018er-LP Wet Will Always Dry legte Blawan einen Meilenstein in seiner Karriere hin – hier geht’s zum GROOVE-Feature. Mit der Many Many Pings-EP auf seinem eigenen Label Ternesc feilt der UK-Ausnahmekünstler auch 2019 konsequent weiter an seinem Signatur-Techno-Sound.

Clouds – Sharp Like A Razor (Headstrong)

Mitten im Hardcore-/Gabber-Revival haut das umtriebige schottische Duo Clouds diese brachiale Techno-Nummer raus. Sharp Like A Razor – der Name ist Programm. Wer dazu nicht im Club ausgerastet ist, war 2019 wahrscheinlich gar nicht feiern. Auch der Rest ihrer Headstrong-EP fusioniert Trance und Techno, ohne zu nerven oder auf die Kitschdrüse zu drücken.

Floating Points – LesAlpx (Ninja Tune)

Auf seiner neuen Ninja Tune-LP Crush (unser Lieblingsalbum im Oktober) verfolgt Floating Points einen vergleichsweise gradlinigen, trendigen Clubsound. Wie es zu dieser Neuorientierung kam, erklärt er im GROOVE-Interview.

J-Zbel – Mortal Kombat (Brothers From Different Mothers)

J-Zbel feiern auf ihrem Debütalbum Dog’s Fart Is So Bad The Cat Throws Up auf Brothers From Different Mothers eine nicht enden wollende Orgie zwischen Hardcore, Breakbeat, Gabber und Trance. Unsere Lieblingsplatte im Juni – im GROOVE-Feature zum Trance- und Gabber-Revival erfahrt ihr mehr über die Newcomer aus Frankreich.

Karenn – Crush the Mushrooms (Voam)

Hardware-Techno ohne Tamtam für dunkle Keller-Clubs – das geht synonym mit dem britischen Duo Karenn aka Blawan und Pariah. Während Blawan in seinem Berliner Studio an der perfekten Kickdrum schraubt, wildert Pariah eher in Ambient-Gefilden. Ihr Debütalbum Grapefruit Regret auf dem gerade gegründeten Label Voam zählt auf jeden Fall zu den am sehnsüchtigsten erwarteten Platten des Jahres.

KH – Only Human (Text Records)

Auch Everbody’s Darling Four Tet machte 2019 mit verschiedenen Tracks von sich reden. Mit euphorischem Sprechchor und treibendem House-Beat hat Only Human die Nase vorn – veröffentlicht unter Kieran Hebdens Moniker KH auf seinem eigenen Text Records.

KiNK – Raw (Running Back)

Der charmante Superstar aus Bulgarien zählt seit Jahren zu den besten Liveacts im Techno-Zirkus. Auch seine vielseitigen Produktionen können sich hören lassen: Auf Gerd Jansons Imprint Running Back sorgt KiNK mit Piano-House-Balladen für Euphorie bis Ekstase.

KW Griff – Be Ya Girl (Love International)

Sommer, Sonne, Festival-Laune: Die Beautiful Swimmers-Compilation lief nicht nur auf dem Love International hoch und runter – hier geht’s zum Festivalbericht. Das Highlight steuert KW Griff mit einer housigen Reinterpretation von Teedra Moses R&B-Hit „Be Your Girl” bei, bekannt vom Night Slugs-Klassiker „Bring In The Katz”.

Laurent Garnier & Chambray – Feelin’ Good (Rekids)

House music made in France – da kommt man nicht an Laurent Garnier vorbei. Gemeinsam mit Ultramajic-Klöppler Chambray werden auf Radio Slaves Label Rekids die richtigen Knöpfchen gedrückt – Feelin’ Good, allerdings! In seinem A DJs DJ schwärmte Dorian Paic über den Pariser Underground-Helden, der übrigens bald seine eigene Doku bekommt.

Marie Davidson – Work It (Soulwax Remix) (Ninja Tune)

Die Elektro-Pioniere von Soulwax verpassen dem Standout-Track von Marie Davidsons 2018er-LP Working Class Woman eine metallische Bassline und verstimme Streicher – und kredenzen so den unangefochtenen Festival-Hit des Jahres. Die kanadische Musikerin hat übrigens im August ihren letzten Auftritt als Live-Act für Clubmusik angekündigt – hier erfahrt ihr mehr über das Ende ihrer Karriere. Work to be a winner, love yourself, feed yourself…

Overmono aka Tessela & Truss – Le Tigre (Poly Kicks)

Bei Overmono zwitschert nicht nur der Vogel auf dem Cover: Das Produzenten-Gespann der Gebrüder Ed und Tom Russell, solo besser bekannt als Tessela respektive Truss, zählt zu den spannendsten UK-Newcomern der letzten Jahre und dreht bei ihren virtuose Hardware-Livesets Techno-Ingredienzen durch den Amen Break-Fleischwolf. Klasse statt Masse – für ausgefuchste Tracks wie „Le Tigre” auf ihrem Imprint Poly Kicks oder der gerade erschienen Joy Orbison-Kollaboration lohnt sich das Warten.

Panthera Krause – Birthday Club (Riotvan)

Der Leipziger Soundtüftler Panthera Krause produziert zwar schon seit 2013, hat im Longplayer-Format aber erst dieses Jahr mit It’s A Business Doing Pleasure With You auf Riotvan debütiert. Unverkrampfter Disco und House, der Laune macht und in die Beine geht. Gute Gründe zum Feiern gibt’s jeden Tag – willkommen im Birthday Club

Peder Mannerfelt – Sissel & Bass (Perc Remix) (Peder Mannerfelt)

Der schwedische Elektronik-Querdenker Peder Mannerfelt exklamiert auf „Sissel & Bass”: Don’t tell me how it’s done cause I won’t listen. Don’t tell me this is the right way cause there is no such way! Wenn für den Remix des Techno-Bretts von seinem 2018er-Album Daily Routine dann noch UK-Abrissbirne Perc verpflichtet wird, erklärt sich von selbst, warum alles zu spät ist. Mindestens genauso abgefahren: Cera Khin mit ihrem „Mind Destruction Remix”.

Peggy Gou – Starry Night (Gudu)

Vor vier Jahren spielte Peggy Gou nach eigenen Angaben vier Gigs im Jahr, heute ist sie gefühlt überall zur selben Zeit. Im GROOVE-Interview erfahrt ihr mehr über die südkoreanische Senkrechtstarterin, während unsere Kolumne konkrit ihre mediale Dauerpräsenz unter die Lupe nimmt. Zur Debatte zum Vakula-Cover – eines der Aufregerthemen 2019 – bitte hier entlang. Und wer einfach gute House-Musik genießen will, klickt auf Play.

Schacke – Kisloty People (Клуб)

Der junge Kopenhagener Produzent Schacke residierte vor zwei Jahren im mittlerweile geschlossenen St. Petersburger Club Kisloty, was so viel wie Acid bedeutet. Dort entstand aus dem russischen Eurodance-Hit „Кислотный DJ” von Акула die New-School-Gabber-Hymne „Kisloty People” – ein Paradebeispiel fürs aktuelle Hardcore- und Gabber-Revival, das die Aufbruchsstimmung im Osten auf westliche Kommerz-Naivität treffen lässt. Im GROOVE-Feature stellen wir Schacke und neun weitere Protagonist*innen des Trends näher vor, während sich die Szene gerade darüber streitet, ob sein Track die Club-Hymne 2019 gewesen ist oder lieber wieder schnell unterm Asbest-Staub verschwinden sollte.

Skee Mask – Trackheadz (Ilian Tape)

Wer auf dubbigen Techno und Bass-Hybride steht, kommt ums Zenker Brothers-Label Ilian Tape und ihrem Aushängeschild Skee Mask nicht herum. Der Münchener Wunderknabe zeigt sich auf der 808BB-EP von seiner besten Seite und kredenzt mit Trackheadz einen kunstvollen wie brachialen Clubbanger, den nicht nur Heads zu schätzen wissen. Wer’s melodischer mag, dürfte mit den Ambient-Techno-Exkursionen auf der B-Seite glücklich werden.

Upsammy – Extra Warm (Nous’klaer Audio)

Auch abseitige IDM- und Electro-Sounds fanden 2019 auf den Tanzflächen ungewohnt viel Zuspruch und haben längst eine neue Riege an Nachwuchs-Produzent*innen hervorgebracht, die jetzt dort weitermachen, wo Aphex Twin und Konsorten nach dem Millenium aufhörten. Eine der vielversprechendsten Kandidat*innen ist Upsammy aus Amsterdam, die mit ihrer Nous’klaer Audio-EP und Tracks wie „Extra Warm” jegliche 90er-Nostalgie vergessen macht.

Vorheriger ArtikelForest Drive West: Trackpremiere von „Parallel Space (Conforce Remix)“
Nächster ArtikelKatzensprung Weihnachtsfestival in Köln: Gewinnt Tickets!