Dass sich zwischen Ambient, Avantgarde, Neoklassik und den Ruinen von Techno noch so viel Luft befindet, ist der Kopenhagener Produzentin Susanne Benther Mouritsen sehr bewusst. Ihr bekanntestes Alias Yuri musste sie in Xuri umbenennen, die völlig selbstverständliche Verschmelzung von analog-instrumentellen und elektronischen Ideen von Klangerzeugung ist geblieben. Ihr grandioses Tape Beldam of Salt (Janushoved, 25. Februar) nimmt wie selbstverständlich noch Stimmen, Lo-Fi-Drones und Post-Club-Beats in den Mix. Jederzeit auf der Kippe von feinherber Schönheit zu grob derbem Noise, sind in der Traumlogik des Anorganischen und Mineralischen, die das kurze Album durchzieht, alle Brüche und Konfrontationen stimmig und folgerichtig.
Kiri Ra! ist eine die Ostsee überbrückende Kollaboration von Lau Nau (Elektronik, Experimente aller Art), Linda Fredriksson (Saxofon) und Matti Bye (Piano). In eher wenig kompromissbereiten Improv- und Free-Music-Zusammenhängen musikalisch sozialisiert, haben sich die Drei auf dem Debüt Kiri Ra! (OONA, 6. Februar) auf sanfte Schönheit als Grundlage und Existenzzweck ihrer Musik einigen können. Der wundervolle zart experimentelle, zart jazzige Ambient, den sie so erschaffen haben, ist nicht nur in dieser Charaktereigenschaft rar und einzigartig.
Die Berlin-Detroit Connection von Airjob & Sergej Vutuc ergab sich nicht entlang der etablierten Techno-Kanäle, sondern über ihre jeweiligen Praktiken in Sound, Fotografie, DIY-Publikationen, bildender Kunst und Skateboarding. So ist die eigenvertriebene CD 2046 Beeper (Sergej Vutuc) viel mehr als ein schnöder Tonträger in einem langsam, aber sicher verschwindenden Format. Es ist ein liebevoll schäbig gestaltetes Schmuckstück aus grob gerasterter Xerox-Copy-Art, abstrahierter Street Art und Tags mit abstrahierten, zu Drone-Noise gefilterten urbanen Field Recordings des Hip-Hop-Producers Airjob. Alles super rough und street, aber doch edel handgemacht, Vintage in jeder Hinsicht.
Ambient alter Schule, aber mit der Innovationsfreude der nicht mehr ganz jugendlichen Vollprofis ergibt Animated Matter, Duo der Bostoner Multimediakünstler*innen Hannah Elisabeth Cox und David Yann Robert. Entlang der alten nordischen Sagen der keltischen Meerjungfrau Selkie (Animated Matter, 12. Februar) legt das Duo ein bezauberndes (und verzaubertes) Debüt voller alter und neuer Mythen vor, dessen organischer, quasi-akustischer Sound an die Klassiker etwa Midori Takadas erinnert.
Die zarte Ambient-Platte Music For Parents (Métron Records, 2. Februar) von Florian T M Zeisig ist zwar nicht mythologisch aufgeladen, aber vergleichbar naturverbunden wie Animated Matter. Der eigenwillige Berliner Produzent verbindet da hintergründige Field Recordings aus der bayerischen Provinz mit mehr als freundlichen Flächen, die der Sound-Art-geschulten Konzeptstrenge ihres Autors eine tief menschliche Wärme mitgeben.
Mehr Natur: Die italienische Komponistin Sara Berts macht Musik mit und für Pflanzen. Ihr Album Ayni (Gang Of Ducks, 26. Februar) beschränkt sich in der Klangerzeugung auf einen analogen Klassiker, den tragbaren Synthesizer Buchla Easel. Äußerst diskret überlagert und unterfüttert von Feldaufnahmen aus dem peruanischen Regenwald, gibt das Album so ein komplexes wie unmittelbares Bild von Natur, von üppiger Vegetation, der satten Dichte ihrer Aufnahmen wieder in synthetischer, künstlich hergestellter Kultur. Tiefgang ist also schon ein Grundbestandteil dieser Arbeit. Sofortige Freude macht sie ohnehin.
Apropos Tiefgang und Zurückhaltung: Es gibt endlich wieder eine neue LP von Celer, die als physischer Tonträger veröffentlicht wird. Being Below (Two Acorns, 15. Februar) dürfte zu den knappsten und konzentriertesten Arbeiten Will Longs der vergangenen fünf oder zehn Jahre gehören. Als musikalisches Äquivalent zum Aus-dem-Fenster-in-den-Himmel-schauen ist es wie immer perfekt. Wir dürfen verfolgen, wie Wolken warmen Wohlklangs entstehen und vergehen, kondensieren und wieder zerstieben.
Lumino Pleco (Quiet Time) von Gi Gi, jüngste Veröffentlichung des enigmatischen New Yorker Tape-Only-Labels, führt das Prinzip von Pop Ambient in ungehörte Abstraktionen, die aber doch sehr irdisch transzendent nach New Age klingen. Superbekannter Mainstream, Pop und R’n’B, Prince und Erykah Badu solange durch feinste Siebe gefiltert, bis nur noch schwebende Partikel reinen Wohlklangs übrig sind.