Martin Maischein aus Frankfurt praktiziert seit über zwanzig Jahren Yoga und DIY-punkige elektronische Musik zwischen Techno, IDM und Drum’n‘Bass. Unter dem Pseudonym Goner fasst er tendenziell leisere und weniger tanz- oder abnickbare Sounds zusammen. Die bislang nur als superlimitierte Kassette auf Hospital Productions erhältliche EP Yogascum (Hallow Ground) führt die Offenheit von Maischeins beherztem Zugriff auf Musik exemplarisch vor. Von feinen Drones über Industrial-Dub Schleifen zu Post-Grime Electronica, in der seine Broken Beat Vergangenheit aufscheint, stilistisch schwer einzuhegen aber immer eigen.
Das zeichnet auch die verlässlich weirden Soloarbeiten der Saschienne-Hälfte Julienne Dessagne alias Fantastic Twins aus. Ihr Debütalbum Obakodomo (Optimo) ist der Soundtrack zu einem Modern Dance Stück für Kinder (!), dengelt, klöppelt und zerrt sich aber herrlich atonal über diverse Holz- und Metallpercussion, mit mehr oder weniger halbgeraden Beats und Modularsynthesizerwummern. Prädikat pädagogisch äußerst wertvoll.
Stream: Goner – YS 2
Das Berliner Label- und Produzentenkollektiv OQKO zeichnet sich durch ein ähnlich offenes und radikales Soundverständnis aus. Ausgehend von Industrial-Pochen, IDM-Glitchbeats und frühem Sheffield Sound erkundet DualExercise_I (OQKO), die Split-EP und gegenseitige Remixarbeit von Daniel Ruane aus Manchester und Paolo Combes alias smog, beherzt die angstkalt dystopischen Soundtracks interrobotischer Kommunikation.
Die wachsende und eng verzahnte Algo-Rave Szene in der elektronische Sounds in Echtzeit via Live-Coding „from scratch“ und mit Hilfe von Open Source-Tools programmiert werden, führt die Idee des Interface ins Extrem. Auf dem Debüt der Londoner Producerin/Hackerin Miri Kat PUR5U][7 – تلاش (Establishment) führt dieses einerseits spontan improvisierende, anderseits aber auch vollständig von Technologie und algorithmischer Arbeitsweise vorbestimmte Art der Musikproduktion nicht (nur) zu den genreüblichen Terrorbeats und Hardcoreglitches, sondern zu einer erstaunlich ausgearbeitet klingenden, düster-futuristischen Electronica. Mehr jetzt geht nicht.
Die 8-Bit Variante solcher hyperaktiven Schnittstellentransfers ist auch in der megalomanisch grandiosen Reissue Diggin in the Carts (Hyperdub) allgegenwärtig. Diese von den Hyperdub-Beitreibern mit dem Anime-Produzenten und Gaming-Archäologen Koji Morimoto zusammengestellte Kompilation japanischer Videospielsoundtracks aus den Achtzigern und Neunzigern fiept, wubbert und knirpselt herrlichst in Lowest-Fi-Digitalsounds zwischen archaischem Modemkrach und Röhrenfernseher-RGB-Konsolenanschluss.
Stream: Miri Kat – 51r3n