Kühlen Kopfes konstruiert, wohlgeplant und nachhaltig zusammengesetzt erscheinen die Klänge der Visible Cloaks. Ihre jüngste EP Lex (RVNG Intl.) gibt einen Soundtrack zu wohlproportionierten, großzügigen Räumen, in denen bedachte Menschen, etwa Feng-Shui-geschulte Innenarchitekten, arbeiten und leben. Akustisch organische Gitarren-Sounds werden abstrakt und digital kristallisiert, elektronische Sounds warm und organisch geerdet. Brillant produzierte Begleitmusik für kubische weiße Räume in Japan-affinen neobrutalistischen Gebäuden mit bodentiefen Fenstern.

Die Vorstellungsräume des US-Amerikaners Gregg Kowalski spielen in sonnenverbrannter Mesa-Architektur, zwischen den urbanen Zentren, den Halbwüsten und den künstlich bewässerten Orangenhainen der intensiven Landwirtschaft des südlichen Kaliforniens. L’Orange L’Orange (Mexican Summer) kleidet den Charakter dieser Landschaften zwischen Sonne und Noir, zwischen agrarischer Monotonie und urbaner Hektik in zartfeinen Ambient aus Modularsynthesizerquellen. Durchgehendes Motiv in diesen Klängen sind Freundlichkeit und Optimismus, gegen alle Umstände.

Die Tenniscoats-Hälfte Ueno Takashi ist ein ähnlicher Ausbund guter Laune und positiver Melancholie gegen dessen Charme sämtliche Widrigkeiten des Alltags schnell verblassen. Allein betätigt er sich als minimalistischer Experimentator von erstaunlicher Wendigkeit was Stile, Genres und Instrumente angeht. Gemeinsam haben seine Soloarbeiten nur ihre Leichtigkeit, die Abwesenheit jeglicher Aggression und Brutalität und oft ein eingebautes Augenzwinkern. Dieser spezielle Humor fängt auf seinem jüngsten Album schon beim Titel Smoke Under The Water (Room40) an, und zieht sich durch seine synthetische Folktronica. Flirrende und zwitschernde Synthesizer-Arpeggien, Hüllkurven-Oden die nicht zu Popsongs werden wollen, aber auch nicht zu seriös neutönender Elektroakustik. In der Schwebe irgendwo dazwischen leben diese delikaten Stücke ganz friedlich.


Video: Ueno Takahashi – Sea Of Instability

Der Titel des Debütalbums von Martina Lussi, Selected Ambient (Hallow Ground) ist proaktiv und produktiv irreführend. Wenn im Titel die wegweisenden Großwerke von Aphex Twin anklingen so sind diese für die Luzerner Soundart- und Multimediakünstlerin kaum Vorbild und noch weniger Programm. Lussis Definition von Ambient beinhaltet so ungefähr alles was elektronische und nichtelektronische Musik in den vergangenen Jahren gelernt hat anzunehmen: Field Recordings und Modularsynthesizer-Drone, melodische Postrockgitarren und stroboskopische Beats zwischen House und IDM. Auch formal sind die vier Tracks kaum als Ambient im engeren (oder überhaupt irgendeinem konventionellen) Sinn zu gebrauchen. Statt statisch beruhigten einheitlichen Soundflächen fächert Lussi in jedem der vier Tracks eine konzentrierte, Abwechslung suchende Freeform-Electronica auf, die immer nahe an Pop gebaut ist. Ein formidables erstes Lebenszeichen, das hoffentlich in eine Karriere ähnlich Laurel Halos oder Holly Herndons führt.


Stream: Martina Lussi – Sodalith

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