Die zweite Neuerscheinung auf Taylor Deuprees seit 20 Jahren auf konstant hohem Niveau agierenden Label 12k ist nicht minder erfreulich, vielleicht etwas erwartbarer, denn die Kombination akustische Gitarre plus digitale Prozessierung der Australier Seaworthy & Matt Rösner ist lange bewährt und nachgewiesen wundervoll. Was sich auf Snowmelt (12k, 19. November) vollkommen bestätigt. Zarte Deep-Listening-Soundscapes auf der Basis von Field Recordings aus dem Nationalpark um Australiens höchsten Berg Mount Kosciuszko mit sparsam eingesetzten akustischen Instrumenten und noch sparsamerer elektronischer Prozessierung immer sehr nahe an der Stille. Einfach schön.

Faszinierend eigenartig, diskret und direkt, innig und intim, es sind viele liminal gegenstrebende, sich aber nicht widerstreitende Impulse, die die Arbeiten der australischen, in Berlin lebenden Pianistin Magda Mayas und der Komponistin Tina Douglas durchziehen. Mayas Umsetzung von Douglas’ Partituren auf Objects of Interest (Room40, 5. November) findet solche Momente der kurzen Irritation und des Wiederfindens von Ruhe und Frieden beinahe permanent. Mit Neoklassik im üblichen Verständnis hat das trotz wiederholt eingesetztem präparierten Piano wenig zu tun. Mehr mit zeitvergessen zeitlosem Driften in Sound und Melodik. Wunderbare Musik am Ende von Musik ist das.

Nicht weniger faszinierend und auf erstaunliche Weise geglückt ist die Verbindung der arrivierten serbischen Sängerin Svetlana Spajić mit den Berliner Selbstdenker-Minimalisten Guido Möbius und Andi Stecher (eventuell aus dieser Kolumne für ihre maximal eigenartigen Post-Rock Destruktionen als G.A.M.S. bekannt). Ihr gemeinsames Projekt Gordan geht mit den traditionellen Volksmusiken des Balkans ungefähr so frei und experimentell um, wie es von drei solch profilierten Avantgardist*innen zu erwarten ist. Down In The Meadow (Morphine Records) geht also einerseits immer an das Maximum von Intensität und Emotion, die in den alten, bisweilen archaisch anmutenden Liedern angelegt sind, gleichzeitig werden sie in ausschweifende Drones und exzessive tanzbare rhythmische Reigen ausgedehnt und geweitet. Es begegnen sich so Avantgarde und Moderne mit Tradition und Überlieferung auf Augenhöhe in einem absolut heutigen Verständnis minimaler Strukturen und Wiederholung in Quasi-Loops. Extrem beeindruckend, aber nicht immer so bierernst, wie die Beschreibung eventuell anmutet. In einem Stück wie „Endless Kraut” etwa erlauben sie sich kurz (lang) mal augenzwinkernd, den Psych-Kraut-Freakout-Schweinerock rauszulassen.

Die zerbrechliche Sound Art aus Ambient-Folk, die der in Rotterdam lebende und arbeitende Isländer Bergur Anderson in das Album Night Time Transmissions (Futura Resistenza, 8.November) gesteckt hat, mag auf den ersten Höreindruck vergleichsweise konventionell und harmlos wirken, die elektroakustischen Feinheiten sind dennoch nicht zu überhören. Ähnlich Perila erwächst aus konsequenter Zurückhaltung und unaufdringlicher Experimentierfreude ungeahnte Größe – nicht zuletzt des Klangraums wegen, in dem sich das Album abspielt.

Ich erwähne es in diesem Rahmen immer wieder gerne: Pop, Folk, Singer-Songwriter: Mainstream-Material ist dem Ästhetikverständnis dieser Kolumne keineswegs fern, findet aber nicht immer Niederschlag. Wenn es sich aber so kongenial mit den anderen hier reproduzierten Sound- und Weltvorstellungen trifft wie im Falle des britischen Iren Michael Gallagher, der sich als Sänger und Produzent The Mining Co. nennt, dann gebührt dem natürlich ein Extraplätzchen hier. Das bereits im Frühherbst erschienene Phenomenology (PinDrop Records) verbindet britischen Acid-Folk und Drone-Pop der Siebziger mit aktueller Americana und feinem Analogsynthesizer-Sound, inspiriert von John Carpenters Mittsiebziger Kiffer-Sci-Fi-Klassiker Dark Star. Zusammengehalten von einer samtenen Stimme, die in ihrer sanften Freundlichkeit die zahlreichen Anflüge experimenteller Weirdness alles umarmend einfängt und abmildert.

So gesehen ergeben die Birds Of Passage, Soloprojekt der Neuseeländerin Alicia Merz, so etwas wie die Essenz oder die Quersumme von einigem, ja vielem dessen wieder, was diese Kolumne über die vergangenen fast 20 Jahre bevölkert hat. Herrlich unentschlossen zwischen shoegazigen Folk-Pop-Songs und schwebend ziellosen (aber nie sinnlosen) Ambient-Drones oszillierend, gelingt auf The Last Garden (Denovali, 5. November) einfach alles. Kopf- und herzwärmend flirrende Songtracks für kalte Zeiten.

Vor genau zehn Jahren übrigens wäre wohl Aspidistrafly aus Singapur an dieser Stelle gestanden. Ihr wundervolles zweites Album A Little Fable (Kitchen Label, 26. November) wird jetzt endlich als Vinyl wiederaufgelegt. Ein neues Album (endlich!) ist für nächstes Jahr angekündigt. Motherboard wird berichten.

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