Der Wiener Leon Leder, der sich als Produzent Asfast nennt, kann in seiner schmalen Diskografie eine erstaunlich breite Stilpalette vorweisen. Von Breakcore und Terrorbeats mit Metal-Flavor zu diversen Post-Club Styles, die mal als avantgardistischer Trip-Hop enden können (Drag Shift mit Österreichs besten, den Plaschg-Geschwistern) oder als dunkel-ritueller quasi-Tribal Sound. In jüngerer Zeit hat dieser Aspekt des Spirituellen zugenommen und ist auf The Prime Same (Denovali) in Form schleifend knarzender Freistil-Elektronik, irritierend verlangsamten Crunch-Beats aber ebenso selbstverständlich zu einem opernhaft theatralischen Stück Avant-Pop geronnen. Was die Tracks zusammenschweißt, ist die Aura einer enigmatischen Mystik, die ganz ohne sakrales Pathos auskommt, weil sie nicht nur exaltierten Noise versteht, sondern gleichberechtigt um das Geheimnis der Stille weiß, es aber keinesfalls preisgibt.
Der Schweizer Marcel Gschwend, der sich Bit-Tuner nennt, kann ebenfalls auf eine breite Palette von Klangfarben zurückgreifen. Auf EXO (-OUS, 7. Februar) reduziert er diese allerdings bewusst auf die dunkleren Töne des Modularsynthesizers, ebenfalls in minimalen, von Stille durchsetzen Stücken, die aber instrumentales Pathos keineswegs scheuen. Oberflächlich kommt EXO bodenständiger und lebensweltlicher daher als The Prime Same, aber die Idee hinter die Leinwand der Welt linsen zu wollen, teilen wohl beide Arbeiten.
Stream: Asfast – „These Chains All Over”
Schon erstaunlich, wie sich manchmal Musikprojekte nach Jahren oder Jahrzehnten des Schlummers in der Nische mit einer neu aufgelegten Veröffentlichung plötzlich auf allen Kanälen, in allen Medien wiederfinden, obwohl sie eigentlich nichts anders machen als zuvor. Waclaw Zimpel aus dem polnischen Poznan ist so ein Fall. Er hat in ungefähr jeder Jazz-Combo zwischen Warschau und Krakau schon mal die Klarinette gespielt und betreibt zudem noch kleinere Projekte, in denen er die Möglichkeiten des Modularsynthesizers auslotet. Und genau diese beiden Felder verbindet er auf dem Soloalbum Massive Oscillations (Ongehoord). Wo krautiges Synthesizer-Wabern auf melancholische Bläser trifft, da bleibt kein Auge trocken. So ist wohl James Holden auf Zimpel aufmerksam geworden, hat das Album produziert und dem improvisierenden Jazz-Verständnis Zimpels noch ein Electronica-Mindset mitgegeben. Weitere Kollaborationen mit Holden und Shackleton sind in der Pipeline. Zimpel liefert auf allen Kanälen, und das ist gut so.
Porter Ricks alias Thomas Köner hat sich etwas rarer gemacht in den vergangenen Jahren. Sein Album Motus (Mille Plateaux) unter bürgerlichem Namen auf dem jüngst wieder aktiver gewordenen Label gibt sich ebenfalls den massiven Oszillationen der Hüllkurven hin. Der Puls, der Motus durchzieht, hat ähnlich krautigen Charakter, gibt sich aber wesentlich minimalistischer und strenger als Zimpels. Köner verzichtet in den Veröffentlichungen unter seinem Eigennamen komplett auf melodische oder harmonische Elemente. Es ist der pure Puls, die reine Schwingung, auf die er setzt.
Stream: Waclaw Zimpel – Massive Oscillations
Am E-Bass ist der Schwede Ulf Ivarsson ein renommierter und vielbeschäftigter Sessionmusiker. Wie AKB stammt er aus Gävle, ist aber circa anderthalb Generationen älter und hat in der lokalen Rockszene von Blues, Ska und Reggae über Prog, Metal und Industrial schon so ziemlich alles gemacht, was man im Rahmen von Rockmusik machen kann und international mit Leuten wie Bill Laswell oder Mick Harris kollaboriert. Seine späte Debüt-LP Lower Zone (Lamour, VÖ. 7. Februar) führt ihn in, zumindest für seine Historie, ziemlich unbekannte Gefilde von Dark Ambient und Postrock-Electronica mit Jam-Charakter. Da sind tolle cinematische Stücke zum Schwelgen drin, aber auch ziemlich beliebiger Studiomuckerstoff.
Aidan Baker & Gareth Davis sind ebenfalls vielbeschäftigte und vielseitige Studiomusiker, die in zahlreichen Bands und One-Off Projekten glänzten. Sie greifen ebenfalls auf einen reichen Erfahrungsschatz zwischen Metal, (Post-)Rock, Free Improv und experimenteller Elektronik zurück. Ihre Tracks bestehen aus E-Gitarre und die Bassklarinette, was ihren gemeinsamen Sound schon direkt unverwechselbar macht. In ihrer ersten Zusammenarbeit Invisible Cities vor zwei Jahren (Motherboard berichtete) haben sie ihren Instrumenten jegliche Rock-Attitüde ausgetrieben zugunsten eines enigmatischen, dunkel melodischen Ambient Sounds. Invisible Cities II (Karlrecords) knüpft direkt daran an, improvisierte Soundscapes mit langem Atem und tief empfundener Melancholie.
Eine weitere ergiebige Kombination ist die von Lap-Steel und Dobro mit avancierter Improv-Elektronik in Person von Michael Grigoni + Stephen Vitiello. Slow Machines (12K, VÖ. 28. Februar) fügt die behutsam verfremdete und geloopte Hawaii-Gitarre Grigonis in schwebende elektrische Flächen und Orgelpunkte. Dazu kommen gelegentlich noch die summenden Stimmen der beiden, vereint zu einer entspannten aber mit tiefernster Konzentration vorgetragenen Lauschflausch-Relaxlandschaft.
Video: Ulf Ivarsson – „Red Midnight”