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Motherboard: Mai 2021

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Die australische Sound-Art-Installationskünstlerin Alexandra Spence spielt auf A Necessary Softness (Room40) mit den elektroakustischen Implikationen eines persistenten Sinus-Drone. Dieser dominiert die Stücke aber nicht, sondern wird von Stimmen und Field Recordings überlagert, manchmal bis zum Verschwinden. Zudem spielen die Stücke mit räumlicher Irritation, Präsenz und Absenz von Sound im Raum.

Havadine Stone aus Chicago, Illinois arbeitet ähnlich explorativ und ungebunden an Stil oder Genre. Das Tape Hyena (American Dreams) arrangiert Field Recordings mit Synthesizerexperimenten und umgekehrt zu einem Deep-Listening-Trip jenseits der Kategorien, sogar jenseits der experimentellen Kategorien. 

Das mach andrew cs, ebenfalls aus Chicago, auf * (Leaving Records) ganz ähnlich. Basis sind ebenfalls Field Recordings, meist von draußen, mit denen Musik gemacht wird. Digital und Ambient.

Soundwalks, geleitete Spaziergänge, die die Sensibilität gegenüber Naturphänomenen oder urbanen Situationen schärfen sollen, sind eine weitere Tradition der Sound Art, die sich in arrangierten Field Recordings zu Albumform fügen lässt. Der in Barcelona lebende Franzose Stèphane Garin hat mit PARC)S( (Popmuzik, 30. Mai) ein ansprechendes Exempel gebaut, das die Fußgängerzonen, Einkaufsstraßen und Parks des südfranzösischen Pau akustisch porträtiert.

Der Brite Dan Powell macht auf Four Walks at Old Chapel (Cronica, 11. Mai) ähnliches mit Aufnahmen und Improvisationen auf einer Farm in Essex, klingt aber keinswegs weniger urban als Garin.

Wogegen Katharina Schmidt & Fahmi Mursyid auf den Aufnahmen einer norddeutschen Kleinstadt mit den Koordinaten 52°27 N 10°59 W (Focused Silence, 10. Mai) tatsächlich ein wenig bukolisch klingen, jedenfalls nach Wiesen, Feldern, dem emsigen Brummen und Flirren sommerlicher Wiesen.

Der New Yorker Michael Page verschiebt den Fokus von Dark Ambient gerne noch etwas ins Experimentell-Psychedelische, ohne die schwarze Szene, in der er mit vielen seiner Projekte bevorzugt spielt, vor den Kopf zu stoßen. Als Sky Burial sind analoge Synthesizer Basis der rituellen Loops. Das fünfteilige, streng symmetrisch aufgebaute Stations of the Sun (Opa Loka) strukturiert flirrende Feedbacks und polyrhythmisches Klappern mit ausladenden sonnenwarmen Flächensounds und spirituellem (oder wahlweise esoterischem) Wissen. Kommt New Age eigentlich vor oder nach der Apokalypse? Oder sind beide ein und dasselbe?

Bekanntlich ebenso gerne nordisch-lichtarm in Hoodie-Schwarz gewappnet geben sich die beiden Schotten von Dalhous. Marc Dall und Alex Ander, die neben Raime den Sound des mittlerweile verblichenen Londoner Labels Blackest Ever Black entscheidend definiert haben, finden auf The Composite Moods Collection Vol. 2: Point Blank Range (Denovali, 30. April) direkt zurück in den hochmelodischen, aber gleichermaßen fragmentierten, scharfkantigen Hi-Tech-Sound, der aus Schnitzeln von Neoklassik und schweren Basswalzen eine Nicht-Tanzmusik der nahen Vergangenheit (und Zukunft) baut. In der emotionalen Architektur immer auf der Schattenseite, ist das ausladende Album zu interessanten kurzen Momenten von Licht und Offenheit fähig. Nicht gerade unerwartet, aber sehr gut gemacht.

Das audiovisuelle Baransu Project sendet auf dem zweiteiligen Athmosperic Landscapes (Mille Plateaux, 23. April und 21. Mai) kryptische Botschaften aus den Server-Räumen der Macht. Matteo Gualeni und Michael Barteloni vertonen und bebildern den steten Fluss der Daten, die dunklen Zahlen in den Datenströmen, die zu Dark Ambient werden. Abstrakt und komplex gedacht, führt das doch zu ganz konkreten, greifbaren, raumfüllenden Klängen, die ob der zugehörigen Videoarbeit wiederum in algorithmisch-generativem Rendering abstrakt werden.

Vielleicht ist es ja doch der Monat des Glitches. Was die beiden Norweger Stian Balducci & Kjetil Jerve auf ihren Tokyo Tapes: Piano Recycle (DUGNAD rec) so treiben, (un)ordnet die improvisierten Piano-Sequenzen des Jazzers Jerve mal zu straffen und sehr kurz gehackten rhythmischen Loops, mal im digitalen Sounddesign des Techno-Produzenten und Gråtone-Labelmachers Balducci zu episch verbreiterten Dark-Ambient-Landschaften, in denen die Begleitumstände, die Fehler und der Zufall wichtiger sind als die Töne des Klaviers selbst. Die müssen angestrengt rattern oder öfter in dunkler Anmut brütend auf ihre Disruption warten.

Was James Ginzburg, Hälfte der radikalen Beat-Abstrahenten Emptyset in seiner Soloarbeit Crystallize, A Frozen Eye (Subtext Recordings, 7. Mai) in kompakte Loops komprimiert, ist schwerer herauszuhören. Es sind archaische Instrumente wie Dulcimer und Psalter, könnten aber fast genauso gut das Uhrwerk einer Grandfather Clock sein. In der rhythmischen Verschleifung und Kompression zu Drone bleibt jederzeit ein hörbarer analoger Rest, eine schmutzorganische Textur, eine Kratzigkeit des Realen. Ansprechend gestaltete Multimedia-Arbeit mit Foto-Booklet und Texten, die leicht poetisch und immer persönlich erzählen, worum es geht (um Licht und Luft), von was und warum hier abstrahiert wird.

Die Piano-Dekonstruktionen des rumänischen Neoklassik- und Jazz-Jungstars Mischa Blanos auf City Jungle (Infiné, 21. Mai) bleiben näher am originalen Klang seines Instruments und an klassischer Emotion und Melodik. Sie werden nur hin und wieder von Neoklassik-untypischen, experimentellen Elementen aufgebrochen. Wenn das passiert, dann allerdings mit starkem Effekt als bestens ausbalancierte Irritation. Es sind halt immer noch die Löcher in der Perfektion, durch die das Licht scheint. So darf dann ein Stück anfangen wie die tausendste „Avril-14”-Variation, sich aber doch noch in einen bombastischen Tech-House-Track einhaken. Vermutlich keine Ironie, wenn der Trackname bereits das einschlägige Label anklingen lässt.

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