Zugegeben: Projekte, die zu offensiv clever agieren, ihre eklektischen Sounds mit Ironie und Augenzwinkern geschmacksvakuumieren, haben es in dieser Kolumne schwer. Dukes of Chutney sind solche Kandidaten. Die kalifornischen Schnäuzermännchen haben, dem Zeitgeist ganz nahe, immer die exakt richtigen Referenzen aus vergangenen Dekaden abgerufen – vom belgischen Postpunk des Labels Les Disques Du Crepuscule (Antena, Virna Lindt) via Japan (YMO, Dip in the Pool) an den Gardasee (ein frühes Cosmic-Disco-DJ-Set von Daniele Baldelli) nach Jamaika (möglichst obskure Dub-Variationen aus Vampir-Filmem oder Western-Soundtracks) – und in entspannt loungende Zitat-Collagen a la Quiet Village montiert. Sehr gut gemacht und top unterhaltsam, aber halt die Referenz der Referenz des Zitats mit Cratedigger-Seltenheits-Anspruch und damit klassische Wer’s-braucht-Geschmacksache. Mit neuer Sängerin (der Berlinerin Petra) hat sich das Duo auf Hazel (Beats in Space, 4. September) allerdings von den allzu offensichtlichen Geschmacksoffenbarungen abgewandt und kleidet seine Sounds in psychedelisch verwaschenen Lo-Fi-Shoegaze-Mumpf. Was der Musik bestens bekommt. Offenbar hat genau diese Unschärfe vorher gefehlt. 

Fast noch absurder ist es ja, wenn so eklektische Collage-Sounds plötzlich und unerwartet von einem Menschen kommen, der ansonsten für stringenten Minimalismus bekannt ist, wie William Basinski. Mit seiner vor allem durch die mit 911 assoziierten Disintegration Loops bekannt gewordenen Ästhetik der langsam zerfallenden, sich selbst zersetzenden Tape-Loops hat Sparkle Division, ein Duo mit seinem früheren Studio-Assistenten Preston Wendel, nun so gar nichts zu schaffen. Stattdessen variiert To Feel Embraced (Temporary Residence Ltd., 18. September) den loungigen bis fiebrigen Jazz seiner neuen Heimat Los Angeles als Electronica mit wahlweise Sixties-Pop oder Eighties-Funk-Flair und gelegentlichem frei improvisierten Freakout. Vor allem ist es der Sound des Saxofons, das Basinski so viele Jahre vernachlässigt hat, der hier in aller nötigen Vordergründigkeit zu seinem trötenden Recht kommt.

Morita Vargas, Newcomerin aus Buenos Aires, lässt sich in ihrem rituellen, leicht esoterisch wie avantgardistisch eingefärbten Ambient-Pop ihres internationalen Debüts 8 (Hidden Harmony, 18. September) nicht von Genres oder Zusammenhängen bremsen. Von supernettem Kalimba-Geklöppel über Slow-Techno mit runterpitchten Vocals zu Bedroom-R&B hat dieses Album so einiges aufgesogen und in höchst individuelle Electronica jenseits der Kategorien verwandelt, die doch massiv anschlussfähig bleibt. Frei von gefühlten oder realen Zusammenhangs-Einschränkungen, und doch in einem gefühlten Sinnzusammenhang.

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