In den zwei Veröffentlichungen die Nadia Struiwigh aus der Technostadt Rotterdam bisher vorgelegt hat zeichnet sich ein Pfad ab, der wie bei Sonae von Clubmusik wegführt, ohne sie als Inspirationsquelle zu verleugnen. Struiwighs Weg nimmt mit dem zweiten Album WHRRu (Denovali), „Where Are You“, allerdings eine andere emotionale Abzweigung als Sonaes. Ihr Debüt Lenticular auf dem enigmatischen britischen Label Central Processing Unit war kühler (Post-)Techno der von der kontrolliert digitalen Ästhetik von raster-noton genauso viel mitgenommen hat wie vom raumgreifenden Rauschen das bei Opal Tapes gepflegt wird. Ihr zweites Album zeugt dagegen von gewonnener Erfahrung und einem zur Selbstverständlichkeit gewordenen musikalischen Wissen. Im Sound irgendwo zwischen experimentellem Shoegaze und melancholischer Indie-Electronica angesiedelt, gibt Struiwigh jedem der Stücke einen ganz eigenen Charakter. Jeder Track kann für sich stehen und ist mit hörbar großer Sorgfalt ausgearbeitet und zu Ende gedacht. Eine in der volldigitalen Musikproduktion selten gewordene Qualität die man wohl „nachhaltig“ nennen könnte, wäre das Wort in seiner Bedeutung nicht schon so ausgeleiert.


Stream: Nadia Struiwigh – Roeiweijk

Die an der US-amerikanischen Westküste lebende Harfenistin Mary Lattimore hat ihren ganz eigenen und unmittelbar wiedererkennbaren Sound schon länger gefunden. Hundreds Of Days (Ghostly International, VÖ 15. Mai), ihr drittes Album bei einem etwas größeren Label, dokumentiert nicht nur ihr heimisch geworden sein in diesem Sound. Es ist auch ein ganz starkes Statement über die unbestreitbare Evidenz und die unvergängliche Selbsterneuerung von Schönheit. Letztlich folgen alle Stücke Lattimores einem leicht verständlichen Schema, nach dem feinmelodische, mal eher elegisch getragene, mal New-Age leichte Harfenphrasen sich nach und nach in Loops und Delay verlieren. So einfach sich dieses Rezept anhören mag, so unglaublich effektiv ist es in der Praxis. Wenn die pagan-sakralen Harfenklänge beginnen sich in Hall und Echo aufzulösen vermittelt die Musik ein untrügliches Gespür für die Zerbrechlichkeit des Lebens und darin auch der tiefen Bedeutung alles Schönen. In all ihrer offenbaren Vergänglichkeit ist diese Schönheit aber immer auch robust, ihre Wiederkehr ist im Verfall schon angelegt.


Stream: Mary Lattimore – Hello From The Edge Of The Earth

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