Das Projekt Scout Island des Jungle-Gym-Labelmachers Jared Carrigan, ansonsten als V. Kristof, Freak of Nature und René Najera in Sachen Lo-Fi-Elektronik und Tape-Ambient unterwegs, verfolgt ein interessantes wie lässiges Abschweifen in Instrumental-Rock und Folk. Ein psychedelischer Trip abseits der amerikanischen Westküste, an der Carrigan seit langer Zeit lebt, hat der psychedelische Trip namens Laurentian Journey (Not Not Fun, 3. Juni) durch die Wälder von Wisconsin und Minnesota doch einiges von der kalifornischen Wärme und Entspannung konserviert, die Carrigan in seinen weiteren Aliassen kultiviert.
Berlin-Expat Eric Maltz hat in Bali Gamelan studiert. Das hört man der gut gelaunten Eletctronica seiner neuen EP Tappan Zee (Eric Maltz, 14. Juni) nicht unmittelbar an, aber die Art und Weise, wie sich hier die Schichten der einzelnen Soundbestandteile gegeneinander verschieben wie tektonische Platten, wie ein an sich ganz geradeaus pulsierender Track plötzlich rhythmisch abdriftet und doch gerade bleibt, das ist wohl dem Genius des Gamelan zu verdanken. Maltz ist sicher weder Erster noch Letzter, der sich mit Gamelan als Idee, als Schreibweise und Ausdruck ein wenig neu erfunden hat, aber es funktioniert einfach viel zu gut. Die drei Stücke sind super frische, super nette, super inspirierte Electronica mit dem gewissen Etwas, das sich eben nicht so leicht herstellen lässt.
Klanglicher Humanismus, emotionale Wärme diskreter, zurückhaltender Charaktere, das sind Eigenschaften, die ebenfalls auf die Klänge des japanischen Duos Minamo zutreffen. Mit dem gleichgesinnten Weggefährten Naoyuki Arashi alias Asuna, der ähnlich wie Keiichi Sugimoto und Tetsuro Yasunaga in den späten Neunzigern begann, einen spezifisch japanischen, digitalen Electronica-Sound zu etablieren, Glitch, aber doch anders, in den vergangenen zehn Jahren eher untergetaucht war, aber jüngst wieder deutlich aktiver wurde, haben sie mit Tail of Diffraction (12K, 24. Juni) trotz oder gerade wegen der kühlrationalen, naturwissenschaftlichen Tracktitel einen ausufernden Ozean kleinteiligen Wohlklangs geschaffen, der, so feingesponnen und unaufdriglich er auch daherkommen mag, seine ganz spezielle Schönheit nie verleugnet. Heilende Musik mag zum Klischee geronnen sein, hier möchte man noch einmal fest daran glauben, dass sie möglich ist.
Der in Düsseldorf aufgewachsene Japaner Tetsu Umehara kultiviert ähnlich Freundlichkeit in Kleinteiligkeit, und zwar in formatfreier wie formbewusster Electronica. Eine Generation jünger als Minamo & Asuna hat Umehara auf dem tollen Debüt Handwritten (Métron Records, 8. Juni) doch einen ganz ähnlichen Zugang zu Soundarchitektur und Produktion, zu Songwriting (oder eher beinahe-nicht-Songwriting), gelegentlich mit mehr oder minder subkutanen Düsseldorfer Krautrock-Widerhaken.
Die etwas späte, aber dafür umso erfreulichere Frühlingsladung von Muzan Editions sorgt heuer für zusätzliche Wärme, Lebenslust und Freude am Spiel. Erste tolle Überraschung ist ein ganzes Album voller analoger Synthesizer-Electronica von der ehemals in Leipzig, jetzt in Erfurt lebenden und produzierenden Mary Yalex. Dass sie sehr gut ohne gerade Beats und Bass klarkommt, hat sich schon mehrfach angedeutet (Motherboard berichtete) doch in der Fülle und Reife wie auf Ohra (Muzan Editions 3. Juni) war so etwas von ihr noch nicht zu hören. Um im leergefischten Ozean der Modularsysteme noch findig zu werden, bedarf es eben nicht nur technischer Raffinesse, sondern auch des gewissen Etwas. Wie des Geheimnis im Offensichtlichen bei X.Y.R. Wie des offensiv-reuelosen Wohlbefindens der analogen Schaumbäder von Mary Yalex.
Die Italienerin Marie Rose Sarri mit den zahlreichen Projekten und Namensvarianten, unter anderen Moon RA, Marie E Le Rose und MonoLogue, ist ein kleiner Gigant in der globalen Tape-Ambient-Szene, deren guter Ruf bis nach Osaka reicht, wo sie auf der Kassette Senza Titolo (Muzan Editions, 3. Juni) die E-Gitarre als Basis für wunderschönen, schwebenden Ambient hernimmt, mal eindeutig und unbearbeitet, mal schwer in Loops, Echos und Effekten verschleift. Ein perfektes, kleines Ambientalbum, das die Melancholie des Spätsommers schon einmal vorwegnehmen kann. Verminderte Akkorde in Moll und jede Menge röhrenverstärkter Hall machen das nunmal so.
Der Australier Kris Keogh benutzt ein sehr simples, doch ungemein effektives Setup, um den Sound seiner Harfe zu wundervollem Ambient zu formen. Klar, die Harfe an sich ist ja schon eines der ambientaffinsten Instrumente, je nach Spielweise. Die dritte Folge der Processed Harp Works, Volume 3 (Muzan Editions, 3. Juni) lässt denn auch keine Wünsche offen. Beruhigender, heilender, freundschaftlicher können Klänge kaum werden.
Und falls bei all der euphorischen Wärme heuer einmal Runterkühlen notwendig wird, steht John Lemke bereit. Thawlines (Denovali, 27. Mai), von einer Winterreise nach Finnland inspiriert, klingt in seiner cinematischen Fülle dann aber doch weit weniger nach klirrender Kälte und karg bewachsenen schneebedeckten Feldern in permanenter Dunkelheit als nach spätromantischen weißen Nächten. Dafür sind sepiagetönte Nostalgiesounds aus Italowestern, Ballsälen und Séancen, die Lemke gerne in den Dienst seiner Stücke nimmt, einfach zu warm und zu umarmend.