Die zur Zeit abgefahrensten, Geist wie Körper fordernden aber doch gnadenlos tanzbarsten Beats und Bässe fabriziert fraglos Jerrilynn Patton alias Jlin. Ihre Abstraktionen von Hip-Hop, Footwork und anderen US-amerikanischen Bassmusiken lassen in ihrer Komplexität und Kopfstärke Genres wie IDM so richtig alt aussehen und relativieren auch den Avantgarde-Anspruch der weiter oben erwähnten „nahe-Zukunft“-Elektronik im Zweifelsfall erheblich. Der Grund dafür ist simpel. Jlins Beats gehen hart an die Grenzen des körperlich und intellektuell Verstehbaren, sind aber doch vollständig organisch und unkompliziert in die Traditionen die sie herausfordern eingebettet. Vor diesem Hintergrund erscheint die Beschäftigung (oder Konfrontation?) mit professionellem Tanz, speziell mit der Avantgarde des modernen Tanzes in Form von zeitgenössischem Ballett absolut folgerichtig. Jlins zweieinhalbtes Album Autobiography (Planet Mu), eine Auftragsarbeit für den britischen Choreographen Wayne McGregor, löst diese Herausforderung nicht auf die naheliegende Weise einer weiteren Radikalisierung oder Dekonstruktion ihres Sounds. Das Album ist eine schlüssige, organische und sich stimmige Öffnung hin zu einem entlasteten, auf weite Strecken sogar ambienten Sound, der aber die implizite Spannung, die Körperspannung des Tanzes aber immer mitträgt – und damit auch für nicht professionelle Tänzer geeignet ist. In diesem milden Paradox ist Autobiography Jlins bislang spannendstes Album und selbstverständlich immer noch um Längen zukünftiger als ihre Peers.
Video: Jlin – Autobiography
Treffen sich ein grummelig-dystopisch gestimmter Rausch- und Knusper-Techno Typ und eine Cloud-R’n’B Vokalistin. Was machen sie zusammen: logischerweise instrumentalen Drone-Ambient der allerschönsten und allerschwebendensten Sorte. Nachdem eine Handvoll Kompilationsbeiträge, gegenseitige Gastauftritte und Live-Shows Varg & AnnaMelina in den vergangenen Monaten zu heiß ersehnten Duo-DebütantInnen machten, wirkt ihr erster offizieller gemeinsamer Release, die Tape-EP Welcoming Elegance (Northern Electronics) wie eine Ausweichbewegung. Statt den erwartet hybriden Post-Club-Sound gibt es zarte bis üppige Synthesizer-Aufwallungen, ohne Beats, ohne Vocals, ohne großen Über- oder Unterbau. Dieses umherschweifende affektive Wabern ist aber von einer derartig hartnäckigen Schönheit und absichtslosen Tiefenwirkung, dass hier vielleicht doch mehr dahinter steckt – und wenn man es hinzufantasieren muss.
Stream: Varg & AnnaMelina – To The Sea / Hug Me Like You Love Me