Freundliche Weltabgewandtheit, die sich den Vorgängen in dieser Welt wohl bewusst ist, ist eine Gemütslage, in der sich Leah Buckareff und Aidan Baker alias Nadja ebenfalls gut zurechtfinden. Ihre Ästhetik ist von Shoegaze und Ambient mindestens ebenso tief geprägt, ihr Zugang zum Thema ist allerdings deutlich zupackender (und viel lauter). Sonnborner (Broken Spine/Daymare, VÖ 18. September), das zwanzigste Album des Duos, fällt auseinander in zwei lange Drone-Doom-Metal Stücke, die ohne weitere Anstrengung auch als Ambient gehört werden können und knappe aber umso hektischere Zwischenspiele, die sich – vom Drumcomputer-Einsatz mal abgesehen- wohl als klassischer Grindcore oder Death-Metal verstehen. So ist das dreißigminütige Titelstück eines der ruhigsten und lichtdurchflutetsten Stücke in Nadjas umfangreicher Diskografie. Die kurzen Stücke sind dagegen mit das heftigste und derbste (auch in der Produktion), das sie je gemacht haben. Nadja können noch immer überraschen. Ein Grund dafür könnte die Mitwirkung genrefernerer Musikerinnen und Musiker wie Agathe Max, Simon Goff oder Julia Kent sein.

Vor allem letztere kanadische Cellistin, schafft es immer wieder den diversesten Projekten aus Pop (Antony and the Johnsons), Avantgarde (Arbeit, Parallel 41) und Neoklassik (Rasputina) einerseits hintergründig instrumental unterstützend beizustehen, andererseits auch ihren unverkennbaren, zutiefst melancholischen Sound beizusteuern. Ihr Duo mit dem belgischen Tape-Manipulator Jean de Lacoste, Julia Kent & Jean D.L., treibt dieses Prinzip auf die Spitze. Kents ultraelegisches, zart schmerzendes Cello zerbröselt langsam im Rauschen der Bandschleifen de Lacostes. Ihr viel zu kurzes Duo-Debüt The Great Lake Swallows (Gizeh) erdichtet sich so seine Geister selbst. Sie erscheinen im musikalischen Prozess.


Stream: Julia Kent & Jean D. L. – The Great Lake Swallows Part Two

Ebenfalls aus Kanada stammt die Komponistin Sarah Davachi. Ihre minimalistischen Elegien treiben die Stimmen von Menschen und Instrumenten bis an den Rand des endgültigen Verstummens. Bevor sich die langsam entwickelnden Melodiefetzen allerdings endgültig in einem einsamen Drone auflösen sind sie in der Lage, eine unerhörte Schönheit zu entwickeln. Eine Schönheit, die auf Let Night Come On Bells End The Day (Recital Program) eine beinahe archaische Fremdheit erreicht. Stücke wie „Buhrstone“ klingen nach alter Musik, nach Sarabanden aus der Spätrenaissance und dem Barock, nach Erik Saties antikisierenden „Gnossiennes“ und in ihrer mikrotonalen Subtilität doch absolut modern. Auf Davachis zweitem Album diesen Jahres, Gave In Rest (Ba Da Bing, VÖ 14. September), ist diese Synthese noch deutlicher ausgeprägt, es sind sogar Spurenelemente von Pop und Neoklassik zu erahnen. Einsamkeit, Stille und tiefe Versenkung bleiben aber doch prägend.

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