Der nicht-so post-pandemische Post-Club mag sich zeitweise wieder in den Club zurückbewegen, die gnadenloseren unter den Punisher-Tracks wieder die Berliner Techno-Floors beleben. Die experimentelleren Ansätze aus der Clubmusik haben dennoch keinen dringenden Grund, wieder zum alten Zustand – den es so, wie es war, vielleicht nie wieder geben wird – zurückzugehen. Die Welt ist dynamisch, und nicht wenige Produzent*innen gehen damit um, indem sie Arbeitsweisen und Publikum neu finden. Etwa Kloxii & Pilo, ein Duo aus einer in China geborenen, in Los Angeles aufgewachsenen und jetzt in Berlin im Acud Macht Neu residierenden Produzentin und Sängerin und einem kalifornischen Insdustrial/Noise-Musiker, dessen pandemische Kooperation MUON (Motor Reflex) nun gerade nicht den angesagten Schwarzer-Hoodie-Post-Hardcore-Retro-Gabber ergibt, sondern beinahe so etwas wie scharfkantigen Pop am Rande von R’n’B und Trip-Hop, als dunkle und in sich gekehrte Variation des Hyper-Pop-Mainstreams, der gerade die Streaming-Charts weltweit aufmischt.

Die menschliche Stimme ist und bleibt ein steter Quell der Faszination, gerade im Zusammenhang elektronisch-abstrakter Musikproduktion. Der brasilianische Produzent Mathias Ringgenberg alias PRICE verpflanzt seine Stimme in einem Post-Club-Kontext in queer-experimentelle Elektronik. Sequence (True Sentiments) (Latency, 9. Dezember) führt dabei die englische Sprache in Randbereiche des Lautmalerischen. Die kristallklare Begleitung bleibt dabei sparsam und bedacht, barock in der himmelweiten Melancholie, hypermodern im Sound.

Die US-Amerikanerin Angélica Garcia entstammt zwar der Indie-Rock-Szene Richmonds, aber auch ihre poppigsten Songs zeichnen sich durch Stimmexperimente mit Loops, Echo, Pedal-Effekten und digitaler Verfremdung aus. Auf Echo Eléctrico (Spacebomb) hat sie diese Experimente ins Zentrum gestellt und in spanischsprachigen Songs umgesetzt, die zwischen Doo-Wop und Psychedelik an die frühen Sun-Ra-Experimente erinnern wie an absolut aktuelle Stimm-Improv-Experimente weltweit. Das Besondere ist, dass die Stücke dabei immer Indie-Pop bleiben.

In den musikalischen Bereichen, um die es im Motherboard geht, ist keineswegs selten, dass die Künstler*innen im Stillen und ohne weiteres mediales Getöse doch stetig und auf lange Haltbarkeit gedachtes Gutes produzieren. Der Finne Hannu Karjalainen, nebenbei auch Fotograf und Grafikdesigner, ist einer von diesen eher leisen Menschen, deren Output, wenn er denn mal kommt, dann doch wieder überrascht in der unaufdringlichen Qualität, dem unerwarteten Niveau von Inspiration und seiner handwerklichen Güte. LUXE (Karaoke Kalk, 17. Dezember) ist ein Album aus dieser Kategorie. Arktischer Ambient und dunkle Electronica von fein ausbalanciertem Schönklang und subtiler Rauheit.

1
2
3
4
5
Vorheriger ArtikelDaniel Ek: Spotify-Gründer investiert in Militärtechnik
Nächster ArtikelVixen: Trackpremiere von „Maladaptive (Daydreamer Schacke’s Swedish Forest Mix)”