Das kalifornische Duo Skyminds channelt auf Terra Preta (Not Not Fun, 26. August) die Liebenswürdigkeit und Zugewandtheit der nettesten New-Age und Fourth-World-Acts der Achtziger – inklusive restfrei entspanntem Percussiongeklapper – und führt sie in die Tiefe der Analogsynthesizer-Expertise. Sie fallen aber nie hinein in die große Lo-Fi-Depression. Der Sound behält einen offensichtlichen Willen zur Freiheit, der sich nie von den Vorbildern einschränken lässt und vielleicht gerade dadurch die Klischees des Genres vermeidet, aber eben auch nie zu überkompliziertem Prog wird.
Kein Wunder, denn die zahlreichen Projekte und Kollaborationen der beiden Bay-Area-Musiker Sean Conrad and Michael Henning greifen eben tatsächlich in alle möglichen Richtungen und gleichen die hippieesken Tendenzen immer durch etwas anderes Fremdartiges, aber doch perfekt Zugehöriges aus. Das bereits im Mai erschienene Tape Wake (Inner Islands, 13. Mai) der Skyminds-Hälfte Conrad auf seinem eigenen Label Inner Island kann diesen Eindruck mehr als bestätigen. Was Rosa Beach Mason & Sean Conrad da machen, nämlich klassischen Ambient mit akustischer Gitarre und stimmloser Aaahhh-Ooohhh-Stimme, hätte leicht als schlimmste Yoga-Spa-Resort-Beschallung enden können, ist dann aber doch was ganz anderes. Sanfte, spirituelle, gar heilende Klänge müssen nicht zwingend in die Wellness-Esoterik-Hölle einkehren.
Es wird wohl eher nicht am Wasser von Oakland liegen, dass ausgerechnet aus dem so lange vernachlässigten Nachbarort von San Francisco ein so offensiv freundlicher Sound entstehen konnte. Das jüngste Tape von Sean Conrad unter dem Alias Channelers nimmt sich dazu den spirituellen Jazz, die Fusion-Sounds der Siebziger und übersetzt sie auf dem Tape Time, Space, and Thought (Inner Islands, 22. Juli) in ambienten Wohlklang, der doch immer experimentell genug ist, um das Interesse an den mäandernden Melodielinien wachzuhalten.
Der georgische Produzent Andro Gogibedashvili alias Saphileaum reiht sich da ebenfalls gerne ein. Mit einem spezifischen Spin hin zu kosmischer Musik und Sundownern aller Dekaden greift sein Tape Ganbana (Not Not Fun, 26. August) noch etwas mehr die tribalen Sounds der Neunziger auf, die runtergepitchte Tanzmusik von Cosmic und New Beat, und übersetzt sie in etwas Schönes, Warmes und Entspanntes.
Sogar der extrembeschnäuzerte, schwarzgewandete Berliner, der sich Italo Brutalo nennt, macht da keine Ausnahme. Trotz des martialischen Namens liefert seine Heartware (Bungalo Disco, 12. August) die freundlichstmöglichen Chicago-, Electro- und Acid-Variationen aus den besten der Maschinen. Obwohl das Doppelalbum auch mal musikalische Ausflüge in die Darkrooms der Stadt wagt – selbst diese strengere Liebe bleibt im Gesamteindruck überaus hell, warm und freundlich. Und zeigt nebenbei, was mit der guten alten Hardware heute noch so möglich ist.
Zudem sind die Worthless EP (Reflektor Records, 17. Juni) und die Dad I’m Home EP (Reflektor Records, 17. Juli) des Niederländers Erik Buschmann von geradezu wortwörtlich entwaffnender Nettigkeit, die jeden Anflug von Sarkasmus oder gar Zynismus schon im Ansatz praktisch unmöglich macht. Buschmann, der mit den Amsterdamer Indierockern Klangstof ansonsten durchaus stadiontaugliche Rock-Psychedelik macht, hat solo einen Hang zum kleinteiligen, intimen und familiären Sample, das sich zwar mal in einen balearischen, geraden Beat steigern kann, aber in der Entspannung stets konzentriert bei der Sache bleibt, was seinen Sound von verkifftem Headz-Stoff abhebt. Keine Abgründe können auch schön sein.
Wollen wir dazu noch ein Genre namens Friendly Improv erfinden? Dann gehört der Australier Andrew Tuttle jedenfalls ganz nach vorne in den Kanon. Sein jüngstes Album Fleeting Adventure (Mistletone/Basin Rock, 29. Juli) trägt die Sonne im Herzen und im prozessierten Banjo. Klanggewordener Country-Humamismus, so kann er klingen. Das wehmütig sanfte Sundowner-Video stammt übrigens von Matmos-Hälfte M. C. Schmidt, der bei allem strengen Exeimentiergeist bei Tuttles Klängen offenbar ebenfalls hemmungslos sentimental-freundlich gestimmt wird und alle Widerhaken vergisst. Positiv verstandene Harmlosigkeit ist die neue Criticality.
Dann können wir GoGo Penguin gerne gleich mit dazu nehmen. Der Name des klassisch besetzten Jazz-Trios aus Manchester erinnert wohl nicht zufällig an das Penguin Cafe Orchestra, das in den Achtzigern eine sehr ähnliche Assemblage aus Jazz, Fourth World und Folk gebastelt hat. Wobei die neuen Frackträgervögel noch etwas tiefer in Jazz und Fusion verwurzelt sind. Die EP Between Two Waves (XXIM Records, 1. Juli) bleibt vollständig in der Domäne des akustischen Live-Jazz und des überaus virtuosen Spiels. Und doch hat sie alle Qualitäten einer zeitgemäß freundlichen Electronica.