Die noch ziemlich junge Berliner Sound-Art-Künstlerin und Komponistin Jana Irmert hat von Beginn an einen hybriden Ansatz gefahren, der keine künstlerische Form bevorzugt. Der sowohl akademischen Maßstäben an elektroakustische Komposition genügt, aber genauso als Begleitung zu Film- oder Kunst-Performances funktioniert wie als freier, kühler Ambient. Auf The Soft Bit (Fabrique Records, 18. Juni) wird das klarer als je zuvor. Brillanter Minimalismus aus Flüssigkristallen in Sound. Ruhe und Immersion, Anwesenheit aus Abwesenheit, tiefstes Deep Listening oder Ambient, alles ist in diesem exzellenten Album möglich und erwünscht, nichts ist verboten, vor allem Schönheit nicht.
Neues aus der Synthesizerküche: Der Niederländer Boris Acket hat mit Home (De Lichting, 11. Juni) ein interessant zurückhaltendes Multimediawerk mit passend subtiler Videokunst von Vincent Rang gebraut, in dem die Hüllkurven nie so ganz zum Rhythmus werden und die Chords nie so ganz dick auftragen. Die Sounds wie die Bilder bleiben im Dunkeln, und die melodische und visuelle Exstase, der Ausbruch wird eher angedeutet als ausgespielt. Die glockigen, perkussiven Sounds bleiben luftig, flüchtig und sparsam, nie wird der komplette Klangraum besetzt. Was Synthesizermusk angeht also eher molekulare Küche als deftige Frikandel.
Das ebenfalls holländische Duo von Maarten Vos & Nils Davidse, beides gelernte Jazzer an Cello und Piano, setzt seine Freude an Modularmaschinen auf Superbloom (Mylja, 25. Juni) in etwas handfestere Sounds um, bleibt aber auch eher im Register von Pop-Ambient als von schwerer Electronica. Ebenfalls ein interessantes Vorhaben, mit dem Synthesizer eigentlich genau das zu machen, was so den Erwartungen an Analogklänge (warmes Klangbild, reich an Textur) entspricht, aber diese dann ebenso gekonnt eher minimalistischen wie eleganten Strukturen zuzuführen.
Der niederländische Teilzeitberliner Thomas Ankersmit gehört zu den ernsthaftesten, detailversessensten und konsequentesten Erforscher*innen der Möglichkeiten analoger Klangsysnthese. Perceptual Geography (Shelter Press) ist eine doppelte Hommage. Einerseits an Serge Tcherepnin, den Konstrukteur des „Serge”, einem der ersten modularen Synthesizer-Systeme, sowie an die Installationskünstlerin Maryanne Amacher, die in frühen Soundinstallationen otoakustische Effekte auslotete. Das sind Phantom-Sounds, die bei höherer Abspiellautstärke direkt im Ohr entstehen. Ankersmits hochfrequentes Flirren und Zwitschern führt die Pioniertaten weiter in einen knapp 40-minütigen Trip in den Resonanzkörper des eigenen Kopfs.
Ebenfalls aus analogen Synthesizermodulen gebastelt, kommt die spannende und sehr freie Neuinterpretation zweier neutönender Avantgarde-Platzhirsche (Terry Rileys A Rainbow in Curved Air und Karlheinz Stockhausens Tierkreis: 12 Melodien der Sternzeichen) von Ricciarda Belgiojoso & Walter Prati daher. Metrica (Metrica Edizioni, 4. Juni) macht aus den Überhits der Minimal Music und der post-seriellen Komposition kleinteilige, intime Synthesizer-Musik klassischer Art.
Das kölnische (defnitiv nicht kölsche) Äquivalent zu Ankersmits niederländischem Ernst und Belgiojosos & Pratis neutönender Spielfreude dürfte Marcus Schmickler darstellen. Der kann zwar auch Pop (wie in Pluramon), sein Herz hängt aber an der Elektroakustik. So ist das Titelstück von Sky Dice / Mapping the Studio (Editions Mego) ein Sound-Environment der Donaueschinger Tage für Neue Musik und das sechsteilige Fortuna Ribbon eine Synthesizer-Exploraton, die Ankersmit in Radikalität und Volumen in nichts nachsteht.