Woche für Woche füllen sich die Crates mit neuen Platten. Da die Übersicht behalten zu wollen, wird zum Fulltime-Job. Ein Glück, dass unser Fulltime-Job die Musik ist. Zum Ende jedes Monats stellt die Groove-Redaktion Alben der vergangenen vier Wochen vor, die unserer Meinung nach relevant waren. Im ersten Teil des November-Rückblicks mit Bufiman, Ex-Terrestrial, Floorplan und sieben weiteren Künstler*innen – wie immer in alphabetischer Reihenfolge.
Aleksi Perälä – Resonance (Trip)
Nach Gammawellen-Drones und The Black Dog-IDM also wieder Techno, der Jeff Mills die Ohren lang zieht. Aleksi Perälä ballert seit sechs Jahren so viel Musik in den Orbit, dass eine Galaxie längst nicht mehr ausreicht, um den Output zu überblicken. Die Sache ist: Perälä ist nur das Medium. Die eigentliche Arbeit erledigt Colundi. Ein Frequenzsystem, das ihm Rephlex-Gründer Grant Wilson-Claridge zugesteckt habe, sich nicht an westlichen Oktaven orientiere – und die Musik von selbst produziere. Nebenbei soll das Ding den Finnen zur Erleuchtung geführt haben. Well… gut für ihn. Und gut für uns. Mit Resonance bekommen wir Post-Peaktime-Techno, der an Bergkristallen lutscht, die 303 mit Illuminati-Stickern vollpappt und aus der Nebelmaschine eine Packung Nag-Champa-Räucherstäbchen kokeln lässt, bevor die Crowd drei fette Runen auf den Dancefloor schwitzt. Im Ernst: Das ist der Sound, bei dem Kickdrums durchrattern, Breaks rar werden und alle auf ihrem eigenen Trip herumstampfen. Keine Ahnung, was das mit den Pyramiden von Gizeh, Shakespeare und der Wahrheit des Saturns zu tun haben soll. Rationale Gemüter hören trotzdem Techno at the cutting edge of innovation. Christoph Benkeser
Alva Noto & Ryuichi Sakamoto – Two (Live At Sydney Opera House) (Noton)
Nach dem brillanten 2018er-Album Glass (ebenfalls Noton) kehrt das Duo aus Alva Noto und Ryuichi Sakamoto zurück mit einer weiteren Live-Veröffentlichung, diesmal aufgenommen 2018 im Opernhaus Sydney. Die dargebotenen Stücke setzen sich zusammen aus wichtigen gemeinsamen Arbeiten von drei Studio-Alben, dem Revenant-Soundtrack und der Revep-EP sowie neuen Improvisationen. Der Aufnahme des Albums ging eine Reihe von Konzerten unter dem Namen TWO voraus. Aus der letzten, zweistündigen Show wurde nun dieses Album zusammengeschnitten. Die Platte beginnt mit dem kühlen „Inosc”: Ein Pfeifen ertönt, erst spät sind die reduzierten, aber gewohnt sehr ausgewählten Töne der Tasten Sakamotos zu hören. Noto schafft die formalen Flächen, auf denen Sakamoto dann vorsichtig tappt. Schon das folgende „Propho” erhält durch Sakamotos liebevolles Spiel etwas sehr Melancholisches, das sich besonders von der Kühle des Noto-Sounds warm abhebt. Auf „Berlin“ sind dann auch mal recht eindeutig rhythmische Click-Beats zu hören. Sakamoto improvisiert darüber recht lebhaft und generiert einprägsamen Melodien aus zersplitterten Tönen. Sakamotos moderner Ansatz, bei dem er Minimal, Ambient und Klassik zu einer ganz eigenen Variante des Klavierspiels entwickelte, hat über die Jahre des Zusammenspiels mit Alva Noto eine eindrückliche Fusion ergebe. Ihr Sound klingt so glasklar, aber dennoch wie von einer dritten Person gespielt, die sich aus den beiden Künstlern ergibt. So vereint ist ihr künstlerischer Ausdruck, wie auch sehr schön auf „Morning + Iano“ zu hören. Die Geistesgegenwart beider Künstler ist offenkundig, das Reagieren aufeinander beispiellos, die elektronischen Töne gehen absolut harmonisch in die der Saiten über. Manchmal läuft die Musik Gefahr, wie ein Hintergrundrauschen einer Sendung über Architektur zu verfliegen. Doch dann ist es besonders schön, wenn das Stück in eine andere Richtung einlenkt, hart angeschlagene Klaviertasten die Aufmerksamkeit wieder zurück auf das Fließen der Töne lenken. Nach dem noisigen Drone-Intermezzo „Empsac“ folgt „Kizuna“, wo man die zeitlos schönen Klaviermelodien des Sakamotos heraushört, die sich seit „Merry Christmas, Mr. Lawrence“ ins Hirn brannten. Das über 11-minütige „Naono“ bildet den Höhepunkt, das „Revenant-Theme“ zum Schluss passt. Sakanoto ist, wenn an einem blätterlosen Baum im Winter urplötzlich kleine Früchte auftauchen. Lutz Vössing
As One – Communion (De:tuned)
Communion ist das erste neue Album Kirk Degiorgios unter seinem Pseudonym As One seit mehr als zehn Jahren – genau genommen seit Planetary Folklore 2, welches 2006 erschien. Musikalisch aktiv seit den frühen Neunzigern und einer der Mitbegründer des typisch britischen Techno-/Electronica-Sounds, der sich stark am originalen auralen Futurismus der Belleville Three – Derrick May, Juan Atkins und Kevin Saunderson – orientierte, ist As One einer von Degiorgios frühesten Projektnamen. Und tatsächlich klingt das Album – im positiven Sinne – als sei kein Sekündchen seit damals vergangen. Träumerisch verhuschte Synth-Landschaften wechseln sich ab mit hypnotischen Electro-Beats und melancholischen Melodien. Eine soundästhetische Einheit, die den Zuhörer damals wie heute in eine ganz eigene, faszinierende Welt entführt, die dabei kein bisschen angestaubt klingt. Wunderbar. Tim Lorenz
Ben Frost – Catastrophic Deliquescence (Music From Fortitude 2015-2018) (Mute) & Dark: Cycle 1 & 2 (Invada Records/Lakeshore)
Ben Frost ist einer der großen Mystiker unserer Szene. Seine Arbeit beschreibt nicht nur das Sein und das Werden, sondern lässt auch etwas Ungeklärtes, etwas außerhalb der Vorstellungskraft Liegendes mitschwingen. Man kann sagen, es ist eine wundersame Distanz zwischen dem eigentlichen und dem übertragenen Ausdruck in der Musik des gebürtigen Australiers. Nun werden seine zwischen 2015 und 2018 entstandenen Soundtracks zu den Serien Fortitude und Dark erstmals auf Schallplatte veröffentlicht. Insgesamt an die drei Stunden Musik, auf denen Ben Frost die Grenzen zwischen dem Sagbaren und dem Unsagbaren verschiebt. Das verlangt dem Hörer einiges ab: Konzentration, Vorstellungskraft, Gestaltungswillen. Das ist insofern wichtig zu erwähnen, weil diese Kompositionen ja zur Untermalung von bereits vorhandenen Bildern entstanden sind. Der erzählerische Bogen liegt also ursprünglich außerhalb der Musik. So hören wir hier insgesamt mehr als 50 Stücke mit im Schnitt weniger als drei Minuten Länge, die für jeweils ganz verschiedene Szenen stehen und nicht für das große Ganze, wie es wohl bei einem Album der Fall ist. Weshalb das bei diesen Schallplatten trotzdem so gut funktioniert, liegt daran, dass Ben Frost ein Näschen für Struktur und Timing hat. Mit diesem Gespür platziert er seine kristallinen Sounds im Raum. Sein Repertoire ist zudem riesig: es erklingen Arien aus fernen Hallen, mit treibenden Rhythmen geht es in den Permafrost, Soft Cell erklingt als verspätetes Echo der Vergangenheit, Kammermusik, Streicherbombast, Field Recordings, Drones, norwegischer Jazz, Zitate, Collagen, Harmonie, Disharmonie – die gesamte Klaviatur zeitgenössischer Musik eben. Mit diesem Gepäck geht es zu den mystischen Orten. Auf Catastrophic Deliquescence (Music From Fortitude 2015-2018) geht es in die antarktische Kälte, wo die Vergangenheit vom Schnee bedeckt ist und die Zukunft wohl nicht mehr. „Longer Than All The Life You Lived Before It Started” heißt ein finales Stück, in dem Ben Frost das Leben wie eine riesige, sich türmende Welle seine Bahn brechen lässt, um sie genau in der Mitte in das schneidende Glitzern kleinster Tropfen zu zerlegen, ehe die nächste Welle Leben noch größer, noch stärker in der Ferne sich aufmacht. Und natürlich wissen wir nicht, was diese Woge mitbringen wird: Unheil? Frieden? Wir erfahren es im allerletzten Stück. Auf Dark: Cycle 1 und Dark: Cycle 2 geht es in dunkle Höhlen, an Orte im tiefen Inneren, wo alles passieren kann, auch wenn nichts passiert. „Die Hölle ist leer, alle Teufel sind hier” heißt eines der Stücke hier. Ein Widerspruch, aber eben genau der Widerspruch, in dem Ben Frosts Musik am besten funktioniert. Hier ist der Flug der bösen Geister, dort der Tanz finsterer Mächte und schließlich ist da nichts, nur ein Zirpen. Nur ein Knacken. Das ist am schlimmsten. Tick Tack, Tick Tack. Sebastian Hinz
Benjamin Brunn – Blundar 7 (Blundar)
Benjamin Brunn fliegt weiterhin unter dem Radar und das nun seit sehr genau zwei Jahrzehnten. 1999 nämlich erschien sein Debüt mit dem augenzwinkernden und doch mehr als programmatischen Titel Fahrstuhlmusik. Um nervenberuhigende Muzak handelte es sich allerdings damals nicht und auch heute ist das nicht der Fall, wie seine neue und, je nach Zählweise, circa elfte Solo-LP beweist. Das unbetitelte Album wird auf dem schwedischen Imprint Blundar und damit in bester Gesellschaft veröffentlicht: Lowtec legt ein ähnliches Händchen für wirbelnde Harmonien an den Tag, STL weiß wie Brunn auch um die magische Anziehungskraft der Wiederholung. Die zehn Tracks der qua Labelphilosophie unbetitelten LP nehmen den Faden von Brunns jüngsten, über Chrome Plated Diamonds selbstveröffentlichten Tapes auf und blubbern so frisch und fröhlich wie ein Conrad Schnitzler in seinen melodischsten Momenten. Es sind Stücke, die sich dem Werden und nicht dem Sein verpflichtet haben. Sie bilden keine geschlossenen Einheiten, sondern sind ebenso nach allen Seiten offen, wie sie ständig in Bewegung bleiben. Unter dem Radar vielleicht, wie ihr Urheber, irgendwo an der Schnittstelle von wohliger Analog-Electronica und einem Ambient-Entwurf, der weniger zum Ausruhen als vielmehr zum Wegträumen einlädt. Kristoffer Cornils
Bufiman – Albumsi (Dekmantel)
Ob als Wolf Müller, Bufiman oder unter seinem bürgerlichen Namen Jan Schulte, der Düsseldorfer Producer ist für einige der aufregendsten Platten der vergangenen fünf Jahre verantwortlich. Albumsi ist sein Debütalbum als Bufiman und bereits bei Erscheinen ein Fall für die Abteilung Future Classics. Die zehn tendenziell eher epischen als radioformatkurzen Nummern schwanken zwischen den knapp sechs Minuten des Auftakts „Galaxy“ und des letzten Tracks „Rave The Forest“, die auch als inhaltliche Klammer die Pole des hier ausgebreiteten Universums zwischen frühem HipHop, New Age und Proto House markieren, und den dreizehneinhalb Minuten des Acid-Tracks „Pantasy“. Sie klingen, als hätten Quiet Village ein Italo Disco-Balearic-Album in den Compass Point Studios ausgenommen. Durchflutet von einer unwiderstehlichen Synthese aus suchtstoffhaltigen Vintagebeats und organischen Percussion-Drumsounds zitiert sich Schulte vornehmlich durch die Dancefloors der 80er-Jahre, aber so geschickt, dass stets etwas Eigenes entsteht, das sich souverän aus der Abhängigkeit vom Original befreit. So hallt in „Sara Sara“ ein Echo von Supermax’ „Love Machine“ wider, während im bereits erwähnten „Pantasy“ Yello anklingt. Manch Vogelstimme ist zu vernehmen, auch an Reminiszenzen an Genreklassiker wie Manuel Göttschings E2-E4 mangelt es nicht. Trotzdem verfügt Schulte über ein Maß an Originalität, das auch viele Künstler, die weniger Sample-basiert arbeiten, nur selten erreichen. Oft genug wirkt Albumsi wie ein Soundtrack zu Claude Lévi-Strauss’ anthropologischem Jahrhundertwerk Traurige Tropen. Auch Balearic-Liebhaber, die sich nur einen Longplayer pro Jahr zulegen möchten, sollten die Anschaffung von Albumsi erwägen. Die Polls können kommen. Harry Schmidt
Dave Aju – TXLAX (Mule Musiq)
Dave Aju will mit TXLAX eine Brücke zu seinen Reisen zwischen den Flughäfen Berlin Tegel und Los Angeles International Airport schlagen. Sprachlich macht die Verschmelzung der IATA-Codes Sinn. Musikalisch gesehen müsste das Album HNDLAXORDIBZBRUHTRJFK heißen, weil es eher in diesen Städten Referenzen shoppt. Mit einigen Tracks würde es gut auf Soichi Teradas Far East Recordings der frühen 90er-Jahre passen. Vielleicht ein Grund, warum Toshiya Kawasaki vom Label Mule Musiq das Album zur Startbahn winkt. Kawasaki dazu: “Ich mag ihn einfach. Das ist der einzige Grund.” In ihrer harmonischen Leichtigkeit klingen die Nummern nach Future Funk mit fröhlichen, MPC-inspirierten Sample-Deep House-Bässen („Birds Eye”), Fad Gadget auf Valium-Grime („Imagiro”), einer dreckigen Version von Metro Area („Out To C”) oder Nuphonic mit dem Co-Pilot Zoot Woman („TXLAX”). Und im Heck wärmt die Stewardess die nicht sehr luftige, grobkörnig komprimierte Emulation des ikonischen 70er-Jahre-Synths Roland CR-78 auf. Dazu passt die Zwischenlandung in New York, um einige langsame Deee-Lite-B-Seiten und jazzige Nu Groove-Platten an Bord zu nehmen („Catch Can”). Kein Wunder, dass die Maschine auch schon nach Belgien abdreht, um dort die positiveren New Beat-Boogie-Roller einzupacken. Das klingt jetzt nach einem bunten Wurstsalat von Lufthansa, macht aber Sinn. Das Album ist trotz oder gerade wegen der vielen, musikhistorisch fein gewählten Verweise unglaublich stimmig. Natürlich sind die digitalen Artefakte in den Synth-Flächen, die an Düsenjets auf 30.000 Fuß bei Unterdruck erinnern, oder das weiße, kratzige Meeresrauschen ein Stilmittel der Produktionsästhetik. Bei all der Überkomprimierung, die die Kick mit Ausnahme des Titelsongs teilweise komplett wegmumpft, fragt man sich trotzdem: Passt das zu den Klangflächen, die an sphärisch-balearische Hochglanz-Leichtigkeit angelehnt sind, also an Sounds, die gerade durch eine geringe Klangdichte eine gewisse Transzendenz entfalten? Mirko Hecktor
Ex-Terrestrial – Gamma Infolded (NAFF Recordings)
Mit zuckersüßen Breaks und ach-so-schönen mellow Vibes wird man von Ex-Terrestrial gleich beim ersten Track seines neuen Albums Gamma Infolded willkommen geheißen. Das Adjektiv smooth kommt einem unweigerlich in den Sinn und dieses wird auch über die ganze Laufzeit des Albums verteilt wieder und wieder in den Gedanken eines jeden Rezipienten aufpoppen. Denn die LP tangiert ganz unterschiedliche Genres, verliert sich jedoch nie auf ihrer Reise und vor allem nie ihre (richtig!) Smoothness. Von Titel zu Titel gesellen sich dann weitere ganz unterschiedliche Prädikate hinzu. Der vierminütige 90 BPM-Schunkler „Awaken, Arise“ mit aufregendem Retro-Sounddesign gibt sich melodiös und stimmungsvoll. Ganz anders aber dann „Gguunngg“, das klingt wie ein früher Aphex Twin auf zu viel Amphetamin. Ob der gebürtige Kanadier genug von seiner Heimat hat oder Boards Of Canada veräppeln will, ist bei „Bored Of Canada“ nicht ganz klar. Mit dem albernen Track zeigt sich der NAFF-Mitbetreiber von seiner unbeschwerten Seite. Trippig kommen dann die letzten vier Tracks daher, die mit viel Eleganz zeigen, wie kohärent das Album ist. Wer schon immer mal wissen wollte, wie Autechre, Aphex Twin und Alec Empire zusammen geklungen hätten, sollte dieses Release nicht verpassen. Andreas Cevatli
FKA Twigs – Magdalene (Young Turks)
Man sagt: Hindsight is always 20/20. Bedeutet so viel wie: Im Nachhinein weiß man es eh immer besser. Auf Tahliah Barnett aka FKA Twigs im Speziellen bezogen, muss man leider feststellen: Die Musik der Britin hat nicht die Welt verändert und in den letzten Jahren war sie hauptsächlich auf Grund ihrer früheren Beziehung mit dem Twilight-Star Robert Pattinson in den Schlagzeilen. Zum weltweiten Phänomen taugt das allemal, nachhaltige Karrieren bauen sich dennoch anders auf. Immerhin werden die meisten Künstler*innen nach dem ersten Album nicht besser, sondern, naja, schlechter. Soll sich jetzt alles mit Magdalene, ihrem zweiten Album, ändern. Wo der Erstling LP1 zwar einschlug, doch der Krater kleiner blieb als befürchtet oder erhofft, weil sich der futuristisch-angehauchte R’n’B dann doch schnell tot spielte, versucht es der Zweitling nochmal anders. Der Opener „Thousand Eyes“ bedient sich dann gleich bei Vashti Bunyan, bei Joanna Newsoms Ys oder auch bei der neuen Stimmversessenheit von Holly Herndon. Kommen wir direkt zu des Pudels Kern: Magdalene ist viel eindeutiger eine Sache der persönlichen Präferenz. Ein Spalter, wegen dem Freundschaften zerbrechen könnten. Also tritt der Autor mal kurz ins Spotlight: Ich finde die Platte viel besser als meine FB-Insta-Bubble. Und das obwohl – oder gerade weil – ich den Buzz beim Erstling nicht verstanden habe. „Home With You“ klingt wie 18+ und die Produktionen und Beats von Skrillex, Benny Blanco sowie Nicolas Jaar sind purer Pop, klar. Aber ich weine auch bei Filmen, wenn das Drehbuch es vorgibt – zum Beispiel beim Intro von Disneys Oben. Wer da kalt bleibt, ist #teampattinson, also ein lustloser Vampir. Lars Fleischmann
Floorplan – Supernatural (Aus Music)
An neuen Floorplan-Releases führt kein Weg vorbei – das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Nachdem Altmeister Robert Hood mit seinem Floorplan-Alias spätestens seit dem 2014er-Überhit „Never Grow Old” auch jedem Raver der neuen Generation ein Begriff geworden ist, kehrt der Godfather des Detroit Technos bereits zum dritten Mal mit einer LP bewaffnet aus dem Studio zurück. Und nachdem seine Tochter Lyric ihn zunächst nur bei Floorplan-Sets begleiten durfte, ist die Gute mittlerweile auch Teil des Produktions-Duos geworden. Das Rezept für die zehn Tracks auf Aus Music (statt dem eigenen Label M-Plant) bleibt dabei das gleiche: pumpende Disco-Grooves, upliftende Chords und jede Menge Gospel-Feeling. Kein Wunder, ist Hood doch selbst mit der katholischen Priester-Weihe ausgestattet und darf den Tracks höchst offiziell ihren sakralen Vibe verleihen. Dass die zugegebenermaßen redundante Mischung aus angeteasten Diva-Vocals, jovialen Strings und ordentlich Bums nicht fad wird, sondern streckenweise immer für neue Jubel-Ausbrüche sorgt, dürfte Hoods langjähriger Erfahrung als Produzent geschuldet sein. Mal mehr oder weniger toolig, auf den Kern reduziert oder mit überbordenden Effekten bestückt, entwickelt jedes Stück doch seinen eigenen Drive und wird landauf, landab kühle Winternächte mit dringend nötiger Herzenswärme anreichern. Während besonders der aus dem Rahmen fallende Beatdown-Boogie von „Song Like This” garantiert für Furore auf den Dancefloors sorgen wird, könnte sich die Mitsing-Hymne „His Eye Is On The Sparrow” zum inoffiziellen „Never Grow Old”–Nachfolger entwickeln. Das instrumentale „I Try” mit seinen oszillierenden Synth-Stabs und rhythmischem Trillerpfeifen-Einsatz ist ebenfalls ein brandheißer Anwärter auf den Hit des Jahres. Und mit „Generations From Now” endet das Album auf großem Fuße mit einem himmlisch positiv gestimmten Piano-Epos für die ersten Sonnenstrahlen am Wintermorgen. Leopold Hutter