Foto: Kasia Zacharko.
Darwin macht den Eindruck, als sei der Sound ihr wahres Zuhause. Für ihre physische Base wechselt sie schon mal den Kontinent, zieht von Nordamerika nach Europa und Südamerika. Der Fokus auf die Musik bleibt die Konstante. Was an Darwin dabei mit am meisten beeindruckt, sind ihre musikalische Vision und die Power, mit der sie die Dinge angeht. Als DJ, Labelmacherin, Veranstalterin und Inhaberin einer Promo-Agentur gestaltet sie die Szene mit – in ihrer Teilzeit-Wahlheimat Berlin und weit darüber hinaus. Eines ihrer Ziele: Mit ihrer Partyreihe REEF das ganze Spektrum der Bass-Musik im technozentrierten Berlin zu verankern.
Heute liegt Darwins musikalischer Fokus als DJ, Promoterin und in der Labelarbeit ganz klar auf UK-Bass-Musik. Doch als sie 2007 von Edmonton, Kanada, nach London zog, war der eigentliche Plan ein Job in der Punk-Rock- und Metal-Szene. Dass sie stattdessen im Promotions-Team beim Londoner Club Fabric anfing, sollte richtungsweisend sein: „In meiner Pause konnte ich in den Club, um mir anzugucken, was da los ist. Da klappte bei mir irgendwann ein Schalter um und ich bin komplett in dem Sound aufgegangen. Vielleicht waren es auch die Drogen, wer weiß. Das war der Start meiner Reise durch die elektronische Musik.“ Zum Auflegen kam sie dann mit 29 in ihrer Zeit in Berlin, also verhältnismäßig spät. Zwar sammelte sie schon eine ganze Weile Platten, doch wirklich ins Rollen kam das Ganze erst durch den Push von zwei Freunden und den Einfluss einer weiteren Clubinstanz. „Leute wie Cassy als Resident in der Panorama Bar spielen zu sehen, hatte einen riesigen Einfluss auf mich. Als ich diese super starke Frau da oben sah, dachte ich: ‚Ich will das machen.’“
Wohnort: Berlin / Puorto Escondido, Mexico
Seit wann am Auflegen: 2013
Mein erster richtiger Gig: „Auf der Gay-Party Arm und Sexy in einer alten Kneipe in Neukölln. Die Plattenspieler funktionierten nicht und die CDJs waren sehr sehr strange – ich konnte überhaupt nicht mixen. Ich spielte eine Menge New York House und die Leute tanzten auf den Tischen. Es lief also super, obwohl ich zu der Zeit ein furchtbarer DJ war.”
Was auf deinem Rider nicht fehlen darf: „Funktionierende Plattenspieler! Nein im Ernst, ich habe noch gar keinen Rider.”
Noch ein Berliner Club hatte einen enormen Einfluss auf Darwin: Die Griessmuehle, wo sie seit 2014 Resident ist. „Davor spielte ich eine Menge Garage und House, doch im großen Raum der Griessmuehle zu spielen, führte bei mir zu einer intensiven Techno-Phase. Irgendwann hatte ich von Techno dann genug und baute mehr und mehr Bass-Musik in meine Sets ein – und merkte, dass ich damit durchkam“, erzählt sie. „Die Griessmuehle hat meinen Sound zu 100 Prozent beeinflusst. Ich wüsste nicht, wo ich heute ohne meine Residency wäre.“ Auch wenn das heute fast schon ein Schimpfwort ist, beschreibt die Kanadierin Tech House – genauer gesagt die Szene rund um die Fabric-Residents Craig Richards und Terry Francis – als weiteren musikalischen Einfluss neben Dubstep, Breaks und UK Garage.
Als leidenschaftliche Plattensammlerin hat Darwin großen Respekt für die Tradition des DJ-Handwerks und legte bis vor kurzem ausschließlich mit Vinyl auf. Dass sie im letzten Herbst für die Wax-Treatment-Party in die Griessmuehle eingeladen wurde – eine 2009 aus dem Hardwax-Kontext gegründete Partyreihe für Dubstep, Bass-Musik, Reggae und Dub mit dem legendären Killasan-Soundsystem – war für sie eine große Ehre, quasi der musikalische Ritterschlag. „Ich konnte im Grunde genommen genau das Set spielen, das ich schon immer in der Griessmuehle spielen wollte – du weißt schon, the real shit, mit dem du bei einem Peak-Time-Set den Floor leeren würdest. Und dann auch noch die Decks an die Drum’n’Bass-Legende Calibre zu übergeben, war ziemlich unglaublich und hat mich enorm berührt.“
Aus ihren positiven Erfahrungen als DJ auf den Griessmuehle-Raves und ihrer Leidenschaft zur Bass-Musik erwuchs ihre Partyreihe REEF, die sie 2016 in dem Neuköllner Club startete. „Nach dem Ende der SUB:STANCE (von Scuba zwischen den Jahren 2008 und 2013 veranstaltete Partyreihe im Berghain, Anm. d. Red.) sah es so aus, als gäbe es keinen Ort mehr für Bass-Musik im 24-Stunden-Format. Mein Ziel für REEF ist es, das gesamte Spektrum reinzubringen, von Garage über Footwork, Drum’n’Bass und alle Arten an zeitgenössischer, Techno-inspirierter Bass-Musik.“
REEF ist heute ein Zufluchtsort für alle Liebhaber von Bass-Musik in Berlin und bekannt für ihr geschmackssicheres Booking – mit Artists wie Kode9, Loefah, Courtesy, Ben UFO, Shanti Celeste und Pearson Sound. „Meine Vision ist es, die Party musikalisch weiter voranzutreiben. Dieses Jahr holen wir eine Menge Drum’n’Bass in den Club, und mehr hybriden, experimentellen Sound im Bass-Spektrum. Ich will das Booking immer weiter pushen. Wenn wir die Party irgendwann mal beenden und ich zurückblicke, will ich wissen, dass ich so viele fucking genres of bass music gebucht habe, wie es ging.“
Über die Wintermonate entscheidet sie sich gegen den harten Berliner Winter und für Surfen und Tauchen in Mexiko. So zieht sie mit der Partyreihe in den YUYU-Club nach Mexico City und holt Künstler*innen rüber, die sie inspirieren. Hierzu gehören unter anderem Call Super, Cera Khin und Martyn.
Mit ihrem Label SPE:C schuf Darwin neben REEF eine weitere Welt, in der sich vorwiegend dunklere UK-Sounds entfalten können. Der Fokus liegt hier auf der Förderung von aufstrebenden und vielversprechenden Produzent*innen wie Decka, Trans A.M. oder Significant Other und rasierklingenscharfem Maschinen-Techno, gestählten Sci-Fi-Steppern und dystopischer Beat-Science. Auch hier geht sie wie gewohnt keine Kompromisse ein und möchte das Label in Zukunft musikalisch weiter ausformulieren.
2019 sieht für Darwin jetzt schon vielversprechend aus: „Im April holen wir für REEF einen aktuell stillgelegten Act zurück, auf den ich mich jetzt schon sehr freue, den ich allerdings noch nicht ankündigen kann. Bei SPE:C stehen außerdem zwei bis drei spannende Releases an und ich wurde gerade für das Dekmantel Selectors gebucht, worauf ich mich bereits vorbereite.“ Über anderes darf sie zwar aktuell noch nicht sprechen – doch dass man gespannt sein darf, steht außer Frage.
In ihrer Kolumne „Am Start” porträtieren Elke Schlögl und Cristina Plett im monatlichen Wechsel vielversprechende Newcomer*innen.
Transparenzhinweis: Die Autorin hat bei einer REEF-Party der Künstlerin als DJ mitgewirkt.