Jeden Tag werden DJ-Mixe ins Netz geladen. Manche sind besser, manche sind schlechter und nur wenige werden uns jahrelang begleiten. Jeden Monat sucht das Groove-Team die fünf besten des vorangegangenen Monats aus, präsentiert in alphabetischer Reihenfolge. Diesen Monat mit Ancient Methods, Die Wilde Jagd, George FitzGerald, Grouper und Tony Humphries. Und wer danach noch nicht genug hat, schaut einfach mal beim Groove-Podcast vorbei.

5. Ancient Methods – XLR8R Podcast 539

Der neue Mix in der Podcast-Serie des US-Online-Magazins XLR8R ist der erste von Ancient Methods seit einigen Jahren. In dieser Zeit wurde das Projekt von Michael Wollenhaupt zu einem der populärsten Techno-Acts. Gemeinsame Platten – etwa mit Regis, Adam X und Vatican Shadow – erschienen und selbst Autechre berichteten von ihrer Begeisterung für den Berliner. Die 35 Tracks in 105 Minuten stellen eine Art kondensiertes Closing-Set dar: funktional, schnell und wie auch die eigenen Produktionen von Ancient Methods, der ebenso im Tresor wie auch dem Wave-Gotik-Treffen in Leipzig spielt, an der Grenze zwischen Industrial und Techno.

In dem Mix finden sich alte EBM-Stücke, etwa von Apoptygma Berzerk, die über aktuelle Techno-Tracks gelegt werden, ebenso wie erstaunlich frisch klingende, neue Produktionen von Veteranen wie Dave Clarke, The Mover oder Surgeon. Newcomer wie Crystal Geometry oder Imperial Black Unit finden sich hier neben neueren EBM-Acts wie dem Leipziger Blac Kolor (auf dessen aktuellen Album sogar Front 242s Jean-Luc De Meyer zu hören ist) oder einem Seitenprojekt des Dark Ambient-Musikers Ah Chama-Sotz. Der Mix klingt hart, schroff und düster.

Wurden Ancient Methods einst 2007 aus Frustration über den damals vorherrschenden Minimal-Techno-Sound gegründet klingen sie heute wie ein wuchtiger Gegenentwurf zum generisch klingenden „Business Techno“ (wie es der Produzent Shifted in einem treffenden Tweet im April nannte) unserer Tage. Oder wie Boomkat zu Ancient Methods Seventh Seal einmal urteilte: „This is techno“! (Heiko Hoffmann)

4. Die Wilde Jagd – Parabox 026 Out of the Studio

Vor gut einem Monat brachten Sebastian Lee Philipp und Ralf Beck alias Die Wilde Jagd ihr inzwischen drittes Release Uhrwald Orange auf Bureau B heraus. Die darauf fluktuierenden krautig-psychedelischen, exotischen Klänge und der zum Teil düstere zu ambiente Charme, verbinden sich mit Bassgitarren und pop-affinen Lyrics zu einem Sound-Konglomerat, das so neu und schwer klassifizierbar erscheint, dass es eine noch unbekannte Nische füllen könnte. Liegt da vielleicht auch die Parallele zum Namensgeber Kubrick als Vorreiter eines neuen, experimentellen Genres?

Auf die Frage, welche Einflüsse Die Wilde Jagd für Uhrwald Orange geprägt haben, antwortet ihr erster Mix für Parabox, den allerdings solo vom Mastermind Sebastian Lee Philipp aufgenommen hat. Parabox ist eine monatliche Radiosendung, die sich auf aktuelle Musik und vor allem die Inspirationsquellen von DJs und MusikerInnen fokussiert.

Für ihre 26. Sendung haben sie Sebastian eingeladen, der seine Inspirationsquellen auf einem zweistündigen, sehr vielschichtigen Mixtape verrät. Das Ergebnis zeigt sein umfangreiches Interesse für Musik, egal ob orientalische Gitarrensounds, Techno, Ambient, Cold Wave oder Folk – die Bandbreite des Mixes ist unergründlich. Mit dabei sind unter anderem Tracks von der Offen Music-Wiederentdeckung Suba und Job Sifre. (Franziska Finkenstein)

3. George FitzGerald – XLR8R Influences Podcast 07

Aufgewachsen ist George FitzGerald mit einer Bandbreite an musikalischen Einflüssen. Sein Bruder war einer dieser Einflussfaktoren, ein anderer sein Job im Londoner Plattenladen Black Market Records.

Nach einem Umzug von London nach Berlin in 2010 weitete sich FitzGeralds musikalisches Interesse von den Sounds des Hardcore Continuums und seinem letzten Ausläufer, Dubstep, hin zu House und Techno aus. Inspiriert von einer aufkommenden Liebe für Synthesizer begann er mit dem Produzieren und veröffentlichte im selben Jahr auf Hotflush Recordings seine erste EP, welche bezeichnend für die drei musikalischen Einflüsse ist. Im Laufe der Jahre wuchs FitzGeralds Musikstil zu einem unverkennbaren und melancholischen Deep House heran. Nach jahrelangem Aufenthalt in Berlin kehrte er in seine Heimat nach London zurück, wurde Vater und verarbeitete diese Veränderungen mit gemischten Gefühlen auf dem im März 2018 erschienenen Album All That Must Be.

Mit dem XLR8R Influences Podcast 07 kehrt FitzGerald zu seinen musikalischen Wurzeln zurück. Der Mix setzt sich aus einigen seiner Lieblingsplatten aus der damaligen Londoner Zeit zusammen. Anhand der Stücke lässt sich FitzGeralds Musikstil herleiten. Die Playlist, die mit Lo-Fi- und Oldschool-Hip-Hop versehen und mit melancholisch-harmonischen Breakbeat bestückt ist, findet in ambientem und naturverbundem Indie-Folk ihren harmonischen Ausklang. (Felix Linke)

2. Grouper – RA.621 (Resident Advisor)

1952: John Cage macht die Leerstelle zum eigentlichen Kompositionsprinzip. 1988: Talk Talk machen mit Spirit of Eden die Leerstelle zum Instrument. 2005ff: Liz Harris macht aus der Leerstelle musikalische Poesie. Als Grouper veröffentlicht die US-Amerikanerin aus dem Bundesstaat Oregon am laufenden Band Musik, die vor allem durch dröhnende Stille Gehör findet. Anlässlich der Veröffentlichung ihres neuen Albums Grid of Points auf dem Traditionslabel kranky hat Harris nun für Resident Advisor einen Mix zusammengestellt, der ebenso spärlich wie reichhaltig ist.

Als “zweiseitige Postkarte” will sie den verstanden wissen und versammelt darauf Musik, die zwischen sphärischem Gitarren-Folk, choralen Einsätzen und dumpfem Knistern ihre eigene Klangwelt in einen knapp einstündigen Fluss bringt. Viel gibt es hier zu hören, obwohl wenig die Grenzen der Aufmerksamkeit zu durchbrechen scheint. Da ist das Roy Montgomery-Stück mit She Keeps Bees, der missing link zwischen Harris’ eigener Musik und dem energischen Rock-Pathos einer PJ Harvey, da sind die mysteriösen bulgarischen Stimmen und dröhnender Ambient von der Durutti Column hin zum Grouper-Studiopartner Jefre Cantu. Ein Mix wie eine einzige Leerstelle für die überflutete Wahrnehmung, wohltuend und unheimlich zugleich. (Kristoffer Cornils)

1. Tony Humphries – Running Back Takeover (Rinse FM)

Kaum jemand kann man unbesorgter als House-Pionier bezeichnen als den 61-jährigen Tony Humphries. In Brooklyn geboren und aufgewachsen, hat er mit seiner legendären Radiosendung auf Kiss FM, die er von 1981 bis in die frühen neunziger Jahre mehrmals die Woche produzierte, sowie einer DJ-Residency ab 1982 im Newarker Club Zanzibar, in dem er maßgeblich den Jersey House Sound prägen sollte, Clubgeschichte geschrieben.

Anders als viele Kollegen seiner Generation hat er sich immer gegen eine monetär sicherlich interessanten Altersresidenz auf Las Vegas oder Ibiza entschieden, trotzdem dürfte es für viele eher überraschend gewesen sein, als Humphries im vergangenen Jahr den Running Back Mastermix anlässlich des 15-jährigen Labelbestehens gemixt hatte. Humphries interessiert sich also noch für aktuelle House-Releases und Gerd Jansons erklärtes Fanboytum dürfte ein Übriges getan haben.

Drei DJ-Mixes gibt es nun anlässlich des Running Back Takeovers auf Rinse im April zu hören. Von Gerd natürlich, von Luca Lozano und von Tony Humphries. Und letzterer zeigt hier mit beeindruckender Grandezza, wie man in einen einstündigen Mix mehrere Jahrzehnte musikalisch miteinander verbindet, mühelos verschiedene Styles triggert und dabei so unglaublich gut gelaunt wirkt wie sonst kaum ein anderer Mix, den ich in letzter Zeit gehört habe.

Aber wer mit “Seedy Films” von Soft Cell anfängt, hat sowieso schon einmal mein Herz gewonnen. Nach diesem Einstieg mixt sich Humphries durch eine Handvoll Disco-Tracks und Edits von Silver Conventions “Fly Robin Fly” über Queen Samanthas “Take A Chance”, bevor er dann mit Telex’ “I Was Raised By Snakes” und Kraftwerks “Its More Fun To Compute” EU-elektronischer wird. Wie man sieht: Humphries geizt hier nicht mit Hits und haut auch danach mit A Guy Called Geralds “Voodoo Ray”, Glenn Undergrounds “Future Shock” und 808 States “Pacific State” wirklich große Nummern raus – dass das Ganze aber nicht wie eine schon tausend mal gehörte Hit-Compilation klingt, ist eigentlich ein Wunder bzw. der ganz große Verdienst des erfahrenen DJs. (Thilo Schneider)

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