Als Grund, warum Sie Musik machen, haben Sie einmal genannt, dass Sie glauben, dass „das, was in der Kunst möglich ist, im Leben denkbar wird“. Machen Sie heute noch aus demselben Grund Musik wie früher?
Nun, Musik ist natürlich längst mein Beruf. Und manchmal, wenn ich überhaupt keine Idee in meinem Kopf habe, gehe ich in diesen Raum dort (zeigt auf sein Studio) und fange einfach mit etwas an. Ich muss das dann machen, weil ich nichts erreichen würde, wenn ich mich nicht zuerst durch den langweiligen Teil kämpfe. Am Anfang einer neuen Produktion passiert oft nichts Besonderes, und man fragt sich, warum man sich damit überhaupt noch abgibt und nicht in den Ruhestand geht und auf einem Kreuzfahrt-Schiff um die Welt fährt oder anfängt, Schmetterlinge zu sammeln, oder was man halt so macht, wenn man sich zur Ruhe setzt. Aber ich habe immer noch eine Besessenheit, und die ist, dass ich die Musik hören will, von der ich mir gewünscht habe, dass sie existiert. Ich frage mich dann: Warum existieren nicht längst Tonnen von solchen Aufnahmen auf der Welt? Es ist doch so eine gute Idee! In letzter Zeit habe ich mir zum Beispiel viele Gedanken gemacht über eine neue Verbindung von Musik und Poesie. Und wenn ich so etwas im Kopf habe, dann will ich es auch umsetzen. Als ich zum Beispiel anfing, Ambientmusik zu machen, war ich davon überzeugt, dass es die offensichtlichste Sache der Welt sei. Ich war überzeugt, dass ich nur eine oder zwei Ambientplatten veröffentlichen müsste, und jeder würde sagen: „Oh mein Gott, natürlich!“ Und im Laufe eines Jahres gäbe es dann Millionen weiterer Ambientplatten. Nun, das ist dann nicht eingetreten. Schließlich kam die Sache doch noch ins Rollen. Aber es hat viel länger gedauert, als ich dachte.

1978 sprachen Sie über solch eine Idee mit Andy Warhols Magazin Interview. Sie sagten: „Ich hätte gerne eine Gruppe, die wie eine Kombination aus Parliament und Kraftwerk klingt.“ Das ist fast wortgleich mit der Formulierung, mit der Derrick May ein Jahrzehnt später Detroit-Techno definieren sollte. Und im Grunde genommen eine Kombination, die auch für den Start von Warp 1989 wichtig war.
Ich erinnere mich daran. Aber ich habe diese Idee nie wirklich realisiert. In Ansätzen experimentierte ich am ehesten noch auf meiner Platte Nerve Net (1992) in dieser Richtung. Das, was mich aber heute viel mehr interessieren würde, ist, diese Art von steifer Electronica zu mischen mit Afrobeat. Ich bin also stärker an der Mischung mit afrikanischer Musik statt mit afroamerikanischer Musik interessiert.

Warum?
Ich finde die Beats dort interessanter. Um genauer zu sein: Ich liebe die Beats von Tony Allen! Tony Allen ist für mich der größte lebende Schlagzeuger. Er ist siebzig Jahre alt, aber wenn er sich an ein Schlagzeug setzt, hat man das Gefühl, dass er es zum ersten Mal spielt, so begeistert ist er. Ich würde gern mit ihm in Richtung elektronischer Musik experimentieren.

Gibt es diese Versuche nicht bereits? Auf Damon Albarns Label Honest Jon’s erschienen zum Beispiel Remixe von Tony-Allen-Stücken, unter anderem von Carl Craig und Moritz von Oswald.
Moment, sprechen Sie etwa von dieser Platte, die ich heute Morgen gehört habe? (geht zum Regal und holt das Album Lagos No Shaking (2005) hervor).

Fast. Ich meinte die Remixe dazu.
Für mich verstehen diese Leute nicht so richtig, was sie an Tony Allen haben. Für mich fühlt sich das so an, als wenn viele dieser Remixer und Produzenten Tony Allen in ihre Maschine stecken und daraus dann moderne Musik machen wollen. Was sie dabei nicht beachten, ist, dass Tony Allen der modernste Musiker von allen ist. Sie sollten ihre Maschinen in ihn stecken und nicht umgekehrt. Er sollte der Container sein, nicht sie. Es ist toll, dass zum Beispiel Damon Albarn durch seine Zusammenarbeit mit Tony Allen Aufmerksamkeit auf diesen großartigen Musiker gelenkt hat. Aber für mich ist es nicht richtig, zu Tony Allen zu gehen, um ihm zu sagen: „Hey, spiel doch Schlagzeug auf meinem Song!“ Es ist falsch, ihn als exotische Glasur auf einem Projekt benutzen. Zu Tony Allen geht man und fragt ihn: „Bitte, darf ich ein kleines Etwas zu deinem Genie hinzufügen?“ (lacht)

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