Was halten Sie von der Möglichkeit des Crowdsourcing von Kreativität, also dem Nutzen der Schwarmintelligenz großer Menschenmassen?
Bei der Musikproduktion kann das etwa durch das Austauschen von Sounddateien über das Internet geschehen. Dazu gibt es zwei Theorien. Erstens: Wenn man die Ideen vieler Leute zusammenfügt, erhält man am Ende nur den kleinsten gemeinsamen Nenner. Und zweitens: „Everybody is smarter than anybody.“ Also das Gegenteil von erstens, nämlich: Eine Gruppe ist immer intelligenter als ein einzelnes Mitglied der Gruppe. Ich glaube, dass der Beweis der zweiten Theorie, was die Musikproduktion anbelangt, noch aussteht. Ich habe schon damit experimentiert, aber für mich ergaben sich daraus nie sonderlich gute Ergebnisse. Ich habe den Eindruck, wenn jeder ein kleines Stück zu etwas beiträgt, dann ist das Ergebnis viele kleine Stücke. Durch so einen Prozess mögen nette, akzeptable Sachen entstehen, aber keine radikalen. Ein gutes Beispiel, wie so etwas funktionieren kann, ist aber zum Beispiel der Software-Synthesizer Reaktor der deutschen Firma Native Instruments.
Wieso denken Sie das?
Er unterscheidet sich von anderen Synthesizern, weil man ihn selbst gestalten kann. Statt also einen Synthesizer zu haben, mit dem man interessante Sounds designen kann, baut man mit Reaktor gleich sein eigenes Werkzeug. Und das selbstentworfene Ergebnis kann man dann mit anderen Benutzern teilen. Ein weiteres Beispiel ist die Opensource-Hardware-Plattform Arduino. In dieser Art von Meta-Level-Design liegt für mich die Zukunft. Das ist auch das, womit ich im Studio viel Zeit verbringe. Nicht so sehr damit, Musik zu machen, sondern vielmehr damit, Werkzeuge zu schaffen, die dann Musik für mich machen. Schon bei frühen Platten wie Discreet Music (1975) oder Ambient 1 – Music For Airports (1978) habe ich Maschinen kreiert, die dann die Musik gemacht haben. Eine solche Maschine bestand damals etwa aus fünf Tonband-Schleifen, die über die Stuhlbeine im Studio liefen. Oder Systeme, bei denen eine Sache alle 15 Sekunden und eine andere alle 18 Sekunden passiert.
Stream: Brian Eno – Ambient 1: Music For Airports
Das neue Album ist das Resultat einer Zusammenarbeit mit den beiden Musikern Jon Hopkins und Leo Abrahams. Nach was suchen Sie, wenn Sie mit Musikern zusammenarbeiten?
Ich schätze Minimalisten. Ich mag Leute, die zu großen Resultaten ohne viel Aktion gelangen. Das war schon immer so. Schon als Kind war der Maler, den ich am meisten bewunderte, Mondrian. Für mich erschien es wie Magie, dass so etwas Simples wie diese typischen Mondrian-Bilder mit drei Primärfarben, die mit ein paar Linien voneinander getrennt sind, solch eine große Wirkung auf mich haben kann. Ich fand auch immer schon die Zauberer eindrucksvoller, die einen mit einem einfachen Kartentrick täuschen, als die mit viel Brimborium. Chris Martin von Coldplay ist in gewisser Art das Gegenteil davon. Wenn ich mit ihm zusammenarbeite, ziehe ich ihm zum Beispiel Handschuhe an, nur damit er nicht so viele Noten auf dem Klavier spielt. Und ich mag Leute, die von etwas besessen sind. Ich bin der Überzeugung, dass alles Gute entweder Besessenheit oder Begeisterung entspringt. Man muss nicht begeistert sein, um von etwas besessen zu sein, und man muss auch nicht besessen sein, um sich für etwas zu begeistern. Aber es muss entweder das eine oder das andere da sein, um etwas zu erreichen. Oft höre ich mir mit Leuten Musik an, die dann sagen: „Ach, diese Idee hatte ich schon vor Jahren.“ Ich antworte dann: „Ja, aber du hast es nicht gemacht, der da hat es gemacht. Du warst nicht besessen genug. Diese Person war so besessen von etwas, dass sie es auch wirklich gemacht hat.“ Talent hingegen erachte ich für nicht besonders wichtig. Virtuosität kann mitunter hilfreich sein, aber sie interessiert mich meist nicht sonderlich.
Dennoch haben Sie in der Vergangenheit oft mit sehr talentierten Musikern zusammengearbeitet.
Ja, aber auch mit vielen untalentierten. Na ja, oft war vor allem ich der Untalentierte (lacht). Darin unterscheidet sich Popmusik von klassischer Musik: Der beste Musiker ist nicht unbedingt der richtige Musiker für einen Job. Ein Beispiel: Maureen Tucker von Velvet Underground. Sie ist eine lächerliche Schlagzeugerin, ich meine, ich spiele so gut Schlagzeug wie sie, und das will was heißen. Aber es war absolut revolutionär, dass es eine Rockband gab mit einer Schlagzeugerin, die nur jeweils eine einzige Trommel spielte. Das Gleiche gilt für Adam Clayton von U2. Man kann sich U2 ohne Adam überhaupt nicht vorstellen, aber er ist nicht gerade das, was man einen guten Bassisten nennen würde.