Punk war nicht so dein Ding, oder?
Nein, musikalisch nicht. Mit der Attitüde konnte ich schon was anfangen, man spielt ein Instrument einfach, obwohl man es nicht konnte. Techno war für mich später Punk mit anderen Mitteln. Als ich Techno kennenlernte, war ich nicht mehr so ganz jung. In den späten Achtzigern hörte ich allerdings schon die italienische Scheiß-Version von Techno: Italo Disco. Anfang der 90er-Jahre war ich für ein paar Jahre in Italien, in Perugia. Morgens fuhr man nach Rimini rüber. Es lief dort eine ganz andere Variante von Italo Disco als das, was man aus Deutschland kannte.

Was hast du in Italien gemacht?
Nichts. Eigentlich wollte ich dort Kunst studieren. Das machte ich drei Tage lang. Am dritten Tag merkte ich, dass es nichts für mich ist. Die hätten mich sonst eh rausgeworfen. Der Direktor der Akademie war so ein Fascho, es war furchtbar. Ich kam dort aber mit Jannis Kounellis in Kontakt, bei dem ich später in Düsseldorf an der Akademie studierte.

Von der Düsseldorfer Kunstakademie bist du verwiesen worden, heißt es. Warum denn?
Ich weiß nicht, keine Ahnung. Ich hatte alle Scheine zusammen. Ich muss aber sagen, dass ich sehr theorielastig war. Da hatte ich ein Nachholbedürfnis. Ich schmiss früh die Schule. In Italien kam ich mit Leuten in Kontakt, die Diskussionen führten, über die ich nur staunte. Wow, worüber reden die? Vielleicht solltest du dich mal darum kümmern, dass du diese Sachen einigermaßen verstehst. Als ich in Düsseldorf an der Akademie war, studierte ich an der Uni dann noch Philosophie. Dort kam ich zur Maschinentheorie von Oswald Wiener, was ich extrem interessant fand. Es ging um die theoretischen Anfänge des Programmierens von Computern – „with an application to the Entscheidungsproblem“, um mal dieses Zitat von Alan Turing zu bringen.

Was hast du von deinem Kunststudium für dein späteres musikalisches Arbeiten mitgenommen?
Ich denke visuell.

Deine letzten Alben fanden eher in einem Kunstkontext statt …
Moment! Aber es ist nicht mein Problem, wie das eingetütet wird. Wir sind ja im Zeitalter der Tüten und nicht der Typen. Wenn ich mit Wolfgang Tillmans etwas in der Tate mache, riecht das natürlich nach Kunst, aber war es nicht, genauso wenig wie Wolfgangs South-Tank-Installation. Was ich dort machte, war eine Kombination von Klick und dem Album What You Hear (Is What You Hear). Die Sache fand in den Tanks der Tate Gallery statt, der Raum ist prädestiniert für so etwas. So ein Stück Verweigerung gegenüber dieser Unterhaltungsidee steckt aber schon in mir drin. Wenn ich schon nicht gut bezahlt werde, will ich wenigstens Spaß dran haben. Das Komische ist: Während man diesen Unterhaltungsanspruch zurückweist, stellt man fest, dass es am Ende eben auch unterhaltend ist, scheinbar.

Während der Minimal Techno der mittleren und späten 90er-Jahre noch musikalische Ausdrucksmöglichkeiten auslotete, stand der Begriff Minimal in den Clubs bald für einen Sound, der nur noch endloses Feiern möglich machen wollte.
Man vernichtet sich körperlich. Im Zürich der 90er-Jahre war das ganz extrem. Du gehst am Freitagabend los und kommst am Montagmorgen raus. Damit entziehst du dich der Möglichkeit, am normalen Leben dieser Gesellschaft teilzunehmen. Das ist schon eine politische Haltung. Du fühlst dich von der allgemeinen gesellschaflichen Vereinbarung nicht mehr abgeholt. Im Club versuchen die Leute ein einigermaßenStück weit etwas zurückzugewinnen, was man ihnen anderswo abgenommen hat. Der Club ist ein Katalysator, hat aber auch viele Leute ruiniert. Wenn ich sehe, wie viele Leute aus dieser ersten Generation auf der Strecke geblieben und ins Ketamin reingerutscht sind, um jetzt mal ein Extrem zu nennen. Andere wiederum haben ein Kleingewerbe daraus gemacht, ich zum Beispiel. Für viele war Techno eine Möglichkeit, an einer Subkultur teilzunehmen, die die eigene war, ob nun als jemand, der zu solch einer Veranstaltung ging, oder als Mitarbeiter in einem Plattenladen oder als jemand, der eine Drum Machine hatte oder die elektrischen Installationen erledigte. Doch mich nervte irgendwann dieses ganze Pillepalle-Zeug in den Clubs, mich nervte diese Ecstasy-Crowd, die nicht belastbar war.

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