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Mein Plattenschrank: rRoxymore

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Für diese Ausgabe von Mein Plattenschrank haben wir einen denkbar ungünstigen Zeitpunkt ausgewählt: rRoxymore hat nämlich gerade ihre Plattensammlung reduziert. Sie sei nicht von der nostalgischen Sorte und habe sich eher von funktionalen Tracks getrennt – alles von emotionalem Wert sei weiterhin Teil ihrer Sammlung, versichert die Französin. Auch ihre DJ-Sets sind nicht in Gefahr – ihre Auftritte absolviert rRoxymore weitestgehend nur noch mit digitalen Tracks.

Die Reise von Hermione Frank, wie rRoxymore bürgerlich heißt, lässt sich mit einem Wort zusammenfassen: Offenheit. Sie mag es nicht, in Boxen gesteckt zu werden, schon gar nicht in ein bestimmtes Genre. Aufgewachsen in Montpellier, wurde sie von ihrem Vater früh zu Jazzfestivals mitgenommen. Im Jazz verankert, ist sie während ihres Studiums fasziniert von elektroakustischer Musik. Unabdingbar für diese Musikrichtung ist Experimentierfreude – mit Instrumenten, Umwelteinflüssen, Kompositionen.

Diese hat sich rRoxymore auch auf ihrem Weg zum Dancefloor behalten. Auf ihrem Debüt Wheel of Fortune (2012, Human Level) verhandelt sie mit fragmentierten Rhythmen und verzerrten Texturen die Grenzen der Tanzbarkeit. Über EPs, Compilations und die Alben Face to Phase (2019) und Perpetual Now (2022), aber auch durch diverse DJ-Gigs in Panorama Bar oder fabric hat sie ihren Stil beständig erweitert: mehr Raum für elektronische sowie akustische, psychedelische und ambientartige Elemente.

Ihr aktuelles Album Juggling Dualities, veröffentlicht im Juli auf !K7, markiert einen Wendepunkt. Es ist ein Produkt einer Zeit, in der rRoxymore sich nach einer kreativen Blockade eine Pause gegönnt hat. Das Ergebnis ist eine LP, die mit Breaks und geraden Beats jongliert, New-Age-Motive umarmt und diese in reflektierte Soundscapes überführt. Klanglich warm und organisch, mit harmonischen Pads, sanften Vocals und rhythmischen Experimenten. Außerdem markiert es ein Statement gegen Leistungsdruck und für künstlerische Freiheit.

Tom-Luca Freund hat sie zum digitalen Gespräch getroffen. Sie lebt aktuell in Montpellier, aus der Nachbarwohnung schallt Musik ins Meeting. Es entsteht eine Unterhaltung über sieben für sie prägende Platten, die auf eine tiefe Liebe zu britischer Clubmusik und deutschem Krautrock schließen lassen.

Likwid Biskit – Complete Worries  / Senõr Yesterday (Sick To My Stomach) (People, 1998)

rRoxymore: Diese Single war mein erster Zugang zur Broken-Beat-Szene. Ich war beeindruckt von der Produktion, weil ich noch nicht wusste, wie das gemacht wird. Man weiß nicht, ob es Clubmusik oder eine Live-Funk-Band ist. Zu der Zeit stand man entweder auf Broken Beat oder Drum’n’Bass. Ich hab‘ mich für Broken Beat entschieden. Das war weniger in Mode, vor allem in Frankreich, wo ich herkomme. Aber diese EP hat mich wirklich beeindruckt. Ich habe sie geliebt. Es ist eine Mischung aus allem, was ich an Dance Music mag.

GROOVE: Der Stil von Likwid Biskit verbindet Elemente von Broken Beat, Jazz, Funk und abstrakten Grooves. Was an der EP steht denn exemplarisch für das, was du an Tanzmusik magst?

Viele Leute werden das nicht als Tanzmusik wahrnehmen. Denn es gibt keine Drummachine, es gibt keine Bassline. Es passieren viele Dinge gleichzeitig, das mag ich. Und es ist sehr orchestriert, aber auch gefühlvoll. Außerdem findet man darin eine Menge, das man mit House in Verbindung bringen kann.

Plaid – Not for Threes (Warp Records, 1997)

Plaid sind meine Favoriten in der gesamten IDM- und Warp-Welt. Dieses Album hat mich mit ihrer Musik bekanntgemacht, darauf ist auch Björk zu hören. Ich mag die Art, wie sie den Track „OI” gemacht haben. Das ist der Techno-lastigste Song des Albums, und er überrascht im Zusammenhang der gesamten Platte, weil er richtig abgeht. Ich wollte eigentlich schon immer einen Edit dieses Tracks machen, aber ich habe mir noch nicht die Zeit dafür genommen.

4Hero – Escape that (Talkin’ Loud, 1998)

Ich bin ein großer Fan von 4Hero und der britischen Musikszene dieser Zeit, dieser einzigartigen Mischung aus Drum’n’Bass, Detroit Techno und Soul. Der Track hat den Sound einer Band, was mich sehr beeindruckt. Das alles mit den vielen Musiker:innen im Studio zusammenzubringen, ist sehr ambitioniert. Die Entwicklung ihrer Arbeit fasziniert mich. 4Hero forever!

Wieso gefällt dir die britische Dance-Szene so?

Das liegt wohl daran, dass ich schon früh mit ihr in Kontakt gekommen bin: Trip-Hop, Broken Beat, leider nicht so viel Drum’n’Bass, mit Ausnahme von 4Hero und Roni Size. Das habe ich in der prägenden Zeit gehört, als ich mit dem Auflegen angefangen habe. Ich mag den Sound sehr, und so ist es über die Jahre geblieben. Ich habe die Musik aus Detroit oder Chicago erst viel später entdeckt. Sie zwar ein Teil meiner Sozialisierung, als ich ausgegangen bin. Aber ich wusste nicht, woher sie kam.

Wishmountain – Radio (Evolution, 1996)

Diese EP hat ich mich erstmals für Techno begeistert. Davor mochte ich Techno nicht wirklich, die Musik klang für mich funktional und trocken. Aber „Radio” war für mich einer der ersten Tracks, der mir Spaß gemacht hat, der sehr funktional, repetitiv und trocken, aber auch so groovig ist. Es ist ein sehr nackter Groove, das gefällt mir wirklich gut. Manche würden es vielleicht eher als Minimal oder House bezeichnen, für mich war es der Einstieg in den Techno.

Wann hast du den Track zum ersten Mal gehört und was ging dir dabei durch den Kopf?

Ich weiß nicht mehr genau, wann ich ihn zum ersten Mal gehört habe, aber ich erinnere mich, dass mein:e Partner:in und ich damals meine Plattensammlung geteilt haben. They mochte den Track sehr, obwohl they eigentlich kein Techno-Fan ist. Für mich war es interessant, durch eine Person, die sich nicht für Techno interessiert, mein eigenes Musikgenre neu zu entdecken. Das ist die Verbindung, die ich zu diesem Track habe.

Can – Landed (Virgin, 1975)

Ich bin ein großer Fan von Krautrock, und Can sind das Nonplusultra. Das Album belohnt dich, wenn du es öfter hörst: Am Anfang klingt alles sehr chaotisch, Schritt für Schritt erscheinen dann die verschiedenen Texturen. Es ist nicht auf eine Weise einleuchtend ikonisch, wie andere Alben der Band. Hier zeigen Can eher, wie sie mit Zugänglichkeit experimentieren.

Was magst du an Krautrock?

Ich mag die Freiheit, die damit verbunden ist, den mechanischen Rhythmus und die ganze Produktionswelt drumherum. Es gab eine Dokumentation über den Toningenieur von CAN [René Tinner, Anm. d. Red.], in der konnte man gut sehen, wie alles zusammenkam und wie sie auf diesen Rhythmus gekommen sind. Die Krautrock-Szene damals ist sehr inspirierend.

Milan W. – Intact (Jj funhouse, 2016)

Ich bin auf diese Platte gestoßen, als ich in Amsterdam bei Redlight Records war. Ich hatte weder eine Ahnung, wer Milan W. war, noch was für eine Art von Musik er macht. Das Cover hat mich einfach fasziniert. Ich mochte das Album sofort beim ersten Hören, die düstere Atmosphäre und die neblige End-of-the-night-Stimmung, die verschiedenen Layer. Das ganze Album hat einen Groove, ist aber keine klassische Clubmusik. Es erinnert mich an frühe Warp-Veröffentlichungen, aber durch die eigene Sensibilität neu interpretiert.

Ryūichi Sakamoto – Playing The Piano (Decca, 2009)

Wer mag die Musik von Sakamoto nicht? Er war ein absolutes Genie. Dieses Album ist so was wie ein Cover früherer Arbeiten, die er neu interpretiert und allein für das Klavier destilliert. Der Song „Amore” beispielsweise stammt aus dem Album Beauty von 1989. Das war ein Album, auf dem Pop, Weltmusik und elektronische Musik kombiniert wurden. In der neuen Fassung bekommt der Song eine ganz andere Tiefe. Er wird intim und verletzlich, fast so als ob Sakamoto den Song für dich zu Hause spielt. Vielleicht spiele ich den Song am Ende eines Sets, wenn der richtige Moment gekommen ist.

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