Was war die konzeptuelle Idee dahinter?
So wie wir heutzutage Musik produzieren, bleibt nicht mehr als Piepsen in der Geschichte davon zurück. Und es ist eine kapitalistische, auf eine Art bourgeoise Entwicklung, dass die Leute, denen das Talent gehört, und die Leute, denen das Kapital gehört, Aufnahmen in einer effizienten, wiederholbaren und fabrikähnlichen Art und Weise bevorzugen. Deshalb hat sich diese Technologie so ausgebreitet. Natürlich gibt es auch positive Beispiel, angefangen mit dem was Brian Eno oder die Beatles mit Studios angestellt haben bis hin zu Oneohtrix Point Never-Platten, die ohne digitale Timeline-Bearbeitung nicht existieren würden. Ich selbst aber habe daran gedacht, was in diesem Prozess alles verloren geht. Und die Politik des Ganzen! Das ist Folk und keine bourgeoise, kapitalistische Musik.
War es schwierig, dieses Konzept den Musikern näher zu bringen?
Die waren sogar sehr glücklich. Weil es bedeutete, dass sie nicht für Overdubs zurückkommen mussten. Aber sie haben alles gegeben und versucht, es durchgängig perfekt zu machen. Das fühlte sich während der Aufnahmen sehr entspannt an. Wir haben ein paar Mal gespielt, waren glücklich, und haben es gleich noch mal versucht, um sicher zu gehen. (lacht)
Wie siehst du deine Rolle in der Band?
Mir wurde klar, dass ich die Rolle des Bandleaders annehmen muss. Wir sind zu einem Konzert von [dem US Avantarde-Saxofonisten] Marshall Allan im Café OTO [in Ost-London] gegangen. Wir waren am zweiten von zwei Terminen da und als er die Bühne betrat, wirkte er, als habe er schlechte Laune. Dreißig Minuten später spielten die Blechbläser plötzlich kleine Solo-Phrasen, aber er unterband das sofort und schrie buchstäblich “No!”. Und [meine Managerin] Gemma meinte zu mir, “kannst du das?”, weil ich echt nicht die Art von Typ bin. (lacht) Ich lerne es, vor allem aber muss ich zu dieser Gruppe nicht hart sein. Es scheint, als würde es jeder kapieren. Die Musik formt das Grundgerüst und das allein sagt uns, was wir tun und lassen sollen.
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Da wir überwiegend über Jazz und Bands reden, wollte ich wissen, ob du es manchmal vermisst, DJ-Sets zur Peak Time zu spielen?
Nicht wirklich, nein. (überlegt kurz) Yeah, no. (lacht) Es ist sehr schwierig, vor allem für mich, der ich sowieso keine Peak-Time-Platten mag. Ich habe mit dem Auflegen aufgehört, weil ich’s echt nicht mehr hören konnte. Und dann kam es langsam wieder in mein Leben zurück geschlichen. Ich brauchte nur eine Pause. Jetzt aber müsste ich so viel opfern, um wieder auflegen zu können, wie ich es damals getan habe. Das sehe ich nicht passieren.
Gab es einen Moment, in dem du dich entschlossen hast, mit dem Auflegen aufzuhören?
Mir wurde klar, dass ich nicht gleichzeitig live spielen und auflegen konnten. Der Tag, an dem mir das bewusst wurde, war als ich an einem Wochenende einen Live-Gig und ein DJ-Set im Berghain hatte. Ich hatte meine Plattentasche zuhause vergessen. Wir mussten jemanden nach Berlin einfliegen, um sie mir zu bringen. Das hat mich total gestresst. Ich hatte keinen Platz in meinem Kopf. Um das Auflegen mit Respekt zu behandeln, muss ich hart arbeiten. Und ich hatte das Gefühl, nicht beides tun zu können. Als entschloss ich mich, eine Tour zu absolvieren und meine Entscheidung zu treffen. Zum Ende der Tour hin war es dann keine Entscheidung mehr. Ich erinnere mich, einen meiner letzten DJ-Gigs zu spielen und ihn mit diesem Khan & Julee Cruise-Stück zu beenden, “Say Goodbye”, und ich erinnere mich daran, in dem Moment zu denken: Jupp, wirklich, ich bin hier durch.