Das ://about blank vor seiner Eröffnung im Januar 2009 (Foto: Archiv ://about blank)

Neben der Griessmuehle hat kein im vergangenen Jahrzehnt gegründeter Club die Berliner Szene so geprägt wie das ://about blank. In einer ehemaligen Kindertagesstätte im Niemandsland am Rand von Friedrichshain entstand einer der elementarsten Clubs in der Geschichte des Nachtlebens der Stadt. Mit den beiden vergleichsweise kleinen Floors und dem großen Garten bot das Blank einem breiten Spektrum von Partyreihen wie Staub oder Homopatik eine Plattform. Mindestens ebenso wichtig ist dabei der linkspolitische Anspruch des Ladens.

Die Crew des Blank versuchte, die Ausschlüsse, die es im Nachtleben gibt, direkter zu thematisieren und rigoroser zu beseitigen als jeder andere Club in Berlin. Berührungspunkte zwischen der Technoszene und antifaschistischen, autonomen Zusammenhängen gab es in der Stadt immer wieder. Das Blank machte diese als erster Club explizit.

Dieser Text ist in der Vergangenheitsform geschrieben, denn aufgrund der Maßnahmen gegen das Coronavirus hat der Laden derzeit geschlossen. Das soll die Mitglieder des Kollektivs, die Mitarbeiter*innen, die Veranstalter*innen und die Gäste des Clubs aber nicht daran hindern, den runden Geburtstag gebührend zu feiern. Wir stimmen in den Jubel gleich zweifach, mit zwei Interviews mit dem blank-Kollektiv, ein. Beim Ersten geht es um die Geschichte des Clubs, beim Zweiten beleuchten wir die komplexe Organisationsstruktur des Blank, das einen idealistischen, linken Anspruch in einer kapitalistischen, auf Ausbeutung basierenden Welt umzusetzen versucht.


Wie seid ihr vor 10 Jahren auf die Idee gekommen, einen Club zu gründen?

Die Geschichte des Blank-Kollektivs reicht noch ein paar Jahre weiter zurück. 2006 hat einer von uns einen leerstehenden S-Bahnbogen zur Vermietung gesehen und die Idee gehabt, dort einen Veranstaltungsort zu machen. Er hat damals ein offenes Treffen innerhalb der linken Szene initiiert, zu dem in der Anfangszeit etwa 30 Leute kamen, die sich zum Teil aus anderen Zusammenhängen kannten. Die Vorstellungen, was wir in diesem S-Bahnbogen machen könnten, waren sehr unterschiedlich und reichten vom eher klassischen autonomen Zentrum mit DIY-Struktur bis hin zu einem professionellen Veranstaltungsort, der allen auch Löhne zahlen kann. Auch musikalisch und programmatisch waren die Vorstellungen durchaus sehr breit gefächert. Weitgehend geteilte gemeinsame musikalisch-kulturelle Erfahrungswelten waren sicherlich die Fusion als Schnittstelle zwischen elektronischer Musik und linker Szene, aber auch die illegalen Sea-U-Site-Raves [eine Reihe von Festivals in den 2000ern an verschiedenen Orten an der Ostseeküste] genauso wie Hinterhof- und Straßenfeste, Reclaim the City und die klassische, linke Soliparty.

Der Hof des ://about blank vor der Umbau zum Club im Januar 2009. Foto: Archiv ://about blank.

Wie habt Ihr Euch damals kennengelernt? Aus welchen Zusammenhängen seid ihr gekommen?

Nach ein paar offenen Treffen hat sich eine Gruppe von zwölf bis 14 Leuten herauskristallisiert, die einen professionellen Club- und Kulturbetrieb mit einem Fokus auf elektronische Musik machen wollte – zumindest mit der Aussicht, irgendwann davon leben zu können. Alle von uns kamen aus der linken, (post)autonomen Szene und hatten in Hausprojekten gelebt, kollektivbetriebene Cafés oder Kneipen geführt, Antifa-Demos oder Solipartys organisiert und jahrelange Selbstausbeutungs-Erfahrungen. Starker Antrieb war es deshalb, einen unabhängigen, selbstverwalteten Ort zu schaffen, der kollektiv-solidarisch wirtschaftet, aber auf möglichst geringer Selbstausbeutung beruht. Leider – oder zum Glück – haben wir den S-Bahnbogen damals nicht bekommen und haben zwei weitere Jahre damit verbracht, nach einem passenden Ort zu suchen, da wir als Gruppe schon so zusammengewachsen waren, dass wir die Idee nicht aufgeben wollten. Und dann haben wir das verwunschene brachliegende Gelände am Markgrafendamm entdeckt und los ging’s. Von den Gründungskollektivistas sind etwa die Hälfte im Laufe der Jahre ausgestiegen und immer wieder neue dazu gestoßen. Bisher haben wir diese Transformation gut hinbekommen.

Was hat Euch am bestehenden Nachtleben in Berlin inspiriert – und von was wolltet Ihr Euch abgrenzen?

Unsere Wurzeln reichen nicht in die klassische Technoszene des Berlins der 90er zurück, wobei natürlich einzelne von uns dort unterwegs waren und gefeiert haben. Ende der 90er, Anfang der 2000er schwappte die elektronische Musik auch in die musikalisch eher konservativ orientierte linke Szene über. So kamen die meisten von uns mit elektronischer Musik in Berührung, die auf den antirassistischen Grenzcamps, auf Demos oder in linken Läden vermehrt gespielt wurde. Aber es gab damals keinen dezidiert linken Technoclub, dafür aber eine sehr aktionistische illegale Open-Air-Szene, von der heute wegen der zunehmenden Kriminalisierung nicht mehr viel zu sehen ist. Das exzessive, überschreitende und hedonistische Moment, das in diesen wilden Raves spürbar war, hat uns sehr gefallen. Wie auch die vielen temporären Orte des halblegalen Feierns, die Leute immer wieder mit krasser Energie geschaffen haben [wie die Supamolly in Friedrichshain oder die Koepi in Mitte, d.Red.].

„So einen Ort, eine Schnittstelle zwischen Technoszene und der linken Szene dieser Stadt, haben wir selbst vermisst.”

Unsere Idee war es, die beiden Szenen zusammenzubringen, einen Ort zu schaffen, der sich sowohl eindeutig als politischer Ort versteht, dieses aber nicht in erster Linie durch Proklamation, sondern vor allem durch die Organisationsweise ausdrückt. Dieser Ort sollte sich musikalisch in der Technoszene verorten, wobei zu dem Konzept von Anfang an auch andere kulturelle Veranstaltungen, Konzerte, Diskussionen, Film und Theater gehörten. So einen Ort, eine Schnittstelle zwischen Technoszene und der linken Szene dieser Stadt, haben wir selbst vermisst.

Der Hof des ://about blank während dem Umbau zum Club 2009. Ein Fenster wurde aufgebrochen, um einen zweiten Zugang in den Garten zu schaffen. Foto: Archiv ://about blank.

Unser musikalisches Rolemodel für den Club war im Grunde ein Hybrid zwischen dem klitzekleinen Hamburger Golden Pudel Club und dem monumentalen Berghain – beides Orte, die viele von uns für ihren unverwechselbaren Charakter und als Bastionen des guten Geschmacks geliebt haben. Das war für das schrottreife Gebäude am Markgrafendamm und eine Crew ohne Techno-Stallgeruch natürlich ein gewagtes Referenzsystem. Aber der wunderschöne Garten hat unsere Phantasie dann auch in Richtung Mini-Festival beflügelt.

„Es ging immer so schön langsam Schritt für Schritt, wir hatten nie einen länger anhaltenden Moment des Übermuts oder des Größenwahns, sondern sind behutsam gewachsen.”

Die Technoszene jener Zeit haben wir lange als relativ unpolitisch wahrgenommen oder oft nicht als explizit genug politisch. Und vor allem als männlich dominiert – dem wollten wir etwas entgegensetzen. Die feministische Perspektive war von Anfang an zentral. Die Förderung von Frauen* in allen Bereichen, also sowohl als Künstler*innen wie auch als Veranstaltende, Techniker*innen, Türsteher*innen, Booker*innen, Runner*innen usw. hat immer eine große Rolle gespielt. Wir waren sehr lange ein Frauen*-dominiertes Kollektiv, auch heute achten wir auf Parität. Auch eine aware, möglichst wenig diskriminierende, feministische Türpolitik war von Beginn ein wesentlicher Bestandteil unserer Vorstellung, wie ein Laden betrieben werden sollte. Und mit Glitzer und Konfetti hatten wir es auch nicht so.

Bezogen auf eure ursprüngliche Vision: Was ist euch gelungen, was konntet ihr umsetzen  – und was nicht? Was steht noch aus?

Wir haben uns niemals vorstellen können, dass das ://about blank sich so ausdauernd und ausufernd entwickelt. Das war in unseren Köpfen nicht vorgesehen, sondern ist einfach passiert. Es war ja auch immer nur auf ein paar Jahre Zwischennutzung angelegt, nur scheibchenweise wurde der Mietvertrag immer wieder verlängert. Hätten wir damals gewusst, dass wir mindestens zehn Jahre diesen Ort bespielen würden, wir hätten sicherlich vieles anders gemacht. Wir haben zum Beispiel so vieles doppelt und dreifach gebaut, weil wir lange Zeit nur in Provisorien gedacht haben und immer nur das Geld, was gerade reinkam, verbaut haben. So „wirtschaften” wir im Grunde heute noch. Andererseits ging es so schön langsam Schritt für Schritt, wir hatten nie einen länger anhaltenden Moment des Übermuts oder des Größenwahns, sondern sind behutsam gewachsen.

Das ://about blank beim Umbau zum Club 2009 mit der Küche der früheren Kindertagesstätte. Foto: Archiv ://about blank.

Vieles von unserer Vision konnten wir für uns einlösen, aber wir scheitern natürlich auch beständig an den Widersprüchen, die uns die kapitalistische Verfasstheit dieser Gesellschaft aufzwingt. Vor allem die immer stärkere Marktförmigkeit und Eventisierung der Technokultur mit all ihren kommerziellen Logiken. Dazu gehören unter anderem der dominierende Einfluss von Agenturen, die Explosion der DJ-Gagen, Sperrklauseln, marktbeherrschende Player und der Trend zur Festivalisierung. All das verdirbt uns oft nicht nur den Spaß, sondern führt auch unsere eigentlich kapitalismuskritische Agenda gelegentlich ad absurdum.

Innerhalb des ://about blanks haben wir eine solidarische Ökonomie aufgebaut, in der der Einheitslohn für uns ein zentrales Element darstellt – egal in welchem Arbeitsbereich und welcher Position die Leute arbeiten, alle bekommen pro Stunde denselben Brutto-Lohn, egal ob als Türsteher*in, Booker*in, Putz-, Garderoben- und Tresenkraft oder eben als Kollektivista. Nur bei den DJ-Gagen sind wir mit unserem Einheitslohngedanken sehr schnell gescheitert. Es gibt aber niemanden, der Profit abschöpft. Alles, was der Laden erwirtschaftet, wird als Lohn ausgeschüttet oder wieder in den Laden investiert. Wir verzichten auf Sponsoring und machen auch keinen Firmenevent-Scheiß. Über unsere Solipartys und Spendenaktionen haben wir über die Jahre sehr viele politische Gruppen unterstützen können. Aber der eigentliche Gewinner – wenn man auf die Umsatzsteuern schaut – ist natürlich der deutsche Staat. Das ist ein sehr schmerzhafter Widerspruch.

Das ://about blank beim Umbau zum Club 2009. Foto: Archiv ://about blank.

Grundsätzlich ist das Veranstaltungsbusiness nach wie vor in allen Bereichen männlich dominiert. Das ändert sich nur sehr langsam, und auch wir müssen immer sehr genau und explizit darauf achten, dass wir Frauen* in den verschiedenen Bereichen aufbauen und fördern, sonst kippt das Verhältnis sehr schnell wieder in die herrschende Norm zurück. Bei unseren eigenen Partys legen wir auf einen hohen Anteil nicht-männlicher Artists wert wie auch bei unseren Einstellungen mindestens eine 50/50-Quote gilt. An der Tür ist das tatsächlich schwierig. Deshalb hat unsere Tür-Crew in diesem Frühjahr einen Workshop gemacht hat, um Frauen* für diesen Bereich zu gewinnen.

„Auch an einer Monumentalisierung oder Institutionalisierung haben wir kein Interesse, wir haben gefühlt doch gerade erst angefangen mit der Verwirklichung unserer Utopien.”

Die für uns vielleicht wichtigste Erfahrung ist, wie viele verschiedene Leute und Crews sich in all den Jahren auf unseren Ort und unsere Struktur eingelassen und das ://about blank immer weiter getrieben, weiter entwickelt, neu entdeckt und entfesselt haben. Das gilt natürlich vor allem für die, die tagtäglich im Laden arbeiten, sich mit ihrer ganzen Energie einbringen und Verantwortung für die Entwicklung übernehmen. Die vielen verrückten Veranstaltungscrews haben im Wechselspiel mit unserer „postautonomen Kollektivbürokratie” einen Ort geschaffen, in dem sich die unterschiedlichsten Identitäten entfalten können und der für viele zumindest temporär eine große Freiheitserfahrung ermöglicht. Der Laden ist, wie die gesamte Berliner Technoszene, sehr viel internationaler und queerer geworden, und das nicht nur auf der Ebene der Gäste, sondern auch innerhalb der Crew und durch die vielen nichtdeutschen Veranstalter*innen, die seit Jahren Berlins Techno prägen. Trotzdem bestehen noch häufig Zugangs- und Verständigungsbarrieren und als Kollektiv sind wir in Sachen Diversität jenseits der Geschlechterfragen noch nicht sehr weit gekommen. Und natürlich ist auch unser Laden nicht frei von Diskriminierungserfahrungen und kann trotz aller Anstrengungen und emanzipatorischer Strukturarbeit kein absoluter Safe Space sein.    

Mittagspause während des Umbaus 2009. Foto: Archiv ://about blank.

Als Betreiber*innen-Kollektiv mit vielen Angestellten sind wir, was die Kollektivierung angeht, auch noch nicht am Ende angekommen. Wir haben zwar eine Struktur aufgebaut, die möglichst viel Transparenz und Mitsprache der Crew ermöglichen soll, letztendlich haben aber wir die Zügel in der Hand. Auch hier sehen wir noch viel utopisches Potenzial.

Falls ihr Corona übersteht – wie wird das Blank in 10 Jahren aussehen?

Wir sind eigentlich ganz gut damit gefahren, nicht so weit in die Zukunft zu schauen. Das löst bei uns eher Panik aus, denn zu häufig sind selbst recht kurzfristige Pläne grandios gescheitert. Corona ist aber sicher die krasseste Nummer, mit der wir bisher konfrontiert waren, und es ist vollkommen unklar, wie wir die momentan unabsehbar lange Schließungszeit finanziell überstehen sollen. Und das, obwohl wir eine überwältigende Solidarität und Unterstützung erfahren haben, die uns ein Aufgeben kategorisch verbieten. [Bei einer Crowdfund-Aktion hat der Club mehr als 130.000 Euro eingenommen. Was Euch nicht abhalten sollte, zu spenden. d. Red.] Die Corona-Krise können wir nur wuppen, wenn für den Zeitraum des Stillstands nicht nur keine Kosten anfallen, sondern nicht auch noch gewaltige Schuldenberge auflaufen. Aber da geht es uns wie den meisten anderen Clubs.

Auch an einer Monumentalisierung oder Institutionalisierung haben wir kein Interesse, wir haben gefühlt doch gerade erst angefangen mit der Verwirklichung unserer Utopien. Zu fragil ist das, was wir machen, ohnehin. Auch ohne Corona droht Läden wie uns immer das Aus durch die Allgegenwart kapitalistischer und administrativer Zumutungen – das Thema Clubsterben ist ja vor Corona gerade wieder aktuell gewesen. Aber wenn wir träumen dürfen, dann bringen wir natürlich in den nächsten zehn Jahren nicht nur die geplante Stadtautobahn A100 zu einem vorzeitigen Ende, sondern auch den kapitalistischen Normalzustand – oder spielen zumindest dazu den richtigen Soundtrack. Denn nur so lässt sich die bereits in vollem Gange befindliche Klimakatastrophe noch abwenden oder zumindest abmildern. In unseren kühnsten Träumen haben wir den Laden dann vollkollektiviert oder vergesellschaftet, so dass er allen gehört. Recht sicher dürfte hingegen sein, dass wir auch in zehn Jahren den Bruchbudencharakter nicht wegsaniert haben werden, dazu wird einfach nie Geld da sein. Auf dem Dach wird eine Antifa-Fahne wehen. Und es wird Techno laufen.

Den Stream zum Geburtstag des ://about blank findet ihr hier. In unserem zweiten Beitrag zum Geburtstag des Blank geht es um die besondere Organisationsform des Clubs.

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