Jeden Tag werden DJ-Mixe ins Netz geladen. Manche sind besser, manche sind schlechter und nur wenige werden uns jahrelang begleiten. Jeden Monat sucht das Groove-Team die fünf besten Mixe des vorangegangenen Monats aus, präsentiert in alphabetischer Reihenfolge. Diesen Monat mit AQXDM, Auroral Hala, DMX Krew, Josh Cheon und Mor Elian. Und wer danach noch nicht genug hat, schaut einfach mal beim Groove-Podcast vorbei.
AQXDM: Mix #80 (Bleep)
Das unaussprechliche Duo AQXDM hat gerade mit der Infrared-EP Nachschub für basshungrige Experimental-Liebhaber*innen geliefert – und es mit ihrem „Leisure Techno” auch in unsere Platten der Woche geschafft. Die Platte und der Vorgänger auf Bedouin Records mit dem Über-Tool „Ballad 002” gehören zu den innovativsten und brachialsten Releases der letzten Monate und werden nicht nur von Aphex Twin hoch und runter gespielt. Hinter dem Projekt stecken Deapmash aus dem französischen Caen und der Wahl-Berliner Aquarian mit kanadischen Wurzeln. Um die neue Houndstooth-EP zu feiern, kredenzen die beiden Break-Connaisseure für Bleep eine Stunde brutalste Peaktime-Abfahrt im oberen BPM-Bereich.
Keine Zeit für Verschnaufpausen, stattdessen wird das Tempo im nahtlos gemixten Set immer weiter angezogen – nichts für Zartbesaitete! Dabei ließ sich das Duo von seinem Set im Tresor bei der Herrensauna vor ein paar Monaten inspirieren und serviert einige exklusive und noch unveröffentlichte Tracks von Freunden wie RRRitalin und Walton. Mit Tracks von der aktuellen Midnight Shift-EP des Pariser Rave-Veterans Umwelt, D’n’B-Maestro dBridge oder Warps Mark Pritchard kann man aber auch nichts falsch machen – genau wie mit dem gerade releasten Sully-Remix von Special Requests „Vortex”. Wenn da nicht die Bass-Box abraucht oder sich die Nachbarn beschweren, weiß ich auch nicht. Raoul Kranz
Aurora Halal: BBC Radio 6 Mix (BBC Radio)
Hand auf’s Herz: Was ist das Problem von erstklassigen Mixen? Man findet oftmals nicht die Zeit sie vollständig durchzuhören. Und wenn sie dann mal laufen, gehen sie erfahrungsgemäß spätestens ab der Hälfte der gängigen 60 Minuten ins Unterbewusstsein über, weil einen andere Wichtigkeiten umtreiben. Anschließend fragt man sich – sofern der Musik-Streamingdienst unseres Vertrauens nicht bereits den nächsten Track drangehangen hat – häufig: Was ist mir denn da bitte gerade durch die Gehörgänge geronnen?
Erfreulicherweise gibt es Aurora Halal. Als Produzentin, Videokünstlerin, Veranstalterin und Labelchefin stellt sie sich gerne neuen Herausforderungen. Betrachtet man nun die Mustergültigkeit mit der die New Yorkerin ihren heimischen Underground mitgestaltet, scheint sie diese auch mit Bravour zu bewerkstelligen – ein Fazit, zu dem wir auch in unserem Groove-Feature über Aurora Hala kamen. Dies ist ihr auch bei dem oben erörterten Problem gelungen: Die Lösung liefert ihr jüngster 30-minütiger Mix für BBC Radio 6, mit dem sie das übliche Format um 50 Prozent verkürzt hat. Der erzielte Ouput ist jedoch nicht von minderer Qualität.
Los geht es mit „St130” von Alan Backdrop. Hier finden sich subtile Acideinflüsse, typisch für Halal. Anschließend bestechen die drei Hochkaräter Forest Drive West, Altmeister Donato Dozzy und Monolake durch psychedelischen Dubtechno, bevor sich Trancemaster Voiski mit „Reaffirming” der fünfminütigen Peaktime des Mixes widmet. Mit den Acidlines der letzten Nummer „Sora” von MA schließt sich der Kreis. Leonard Zipper
DMX Krew: 12. October 2019 (NTS)
In der elektronischen Musik finden sich nur wenige derart passionierte Geeks wie DMX Krew. Der langhaarige Brite alterniert seit über zwei Dekaden zwar zwischen verschiedenen Genres, seine Veröffentlichungen bewegen sich aber stets um den Nukleus Electro. Apropos Veröffentlichungen: seinen NTS-Mix beginnt er mit gleich drei eigenen Produktionen. Das macht Sinn, legt Ed Upton doch seit geraumer Zeit kaum noch auf, sondern widmet sich vorrangig seinen pulsierenden Live-Sets. Dass er sich mit dem aktuellen musikalischen Geschehen nur am Rande auseinandersetzt, beweist dieser wunderbar rückwärtsgewandte Mix nachdrücklich. Upton ordnet sich darin zunächst nebst stilverwandten Größen wie Kraftwerk oder den vermutlich Drexciya-unterwanderten Elecktroids ein, um kurz darauf, beim Übergang zu HASHIMs „We’re Rocking The Planet” von 1983, sein Mixing zu bekritteln und lakonisch anzumerken: „No Sync Button tonight.” Auch hier bleibt Oldschool also Trumpf, wie auch im gesamten Mix, der fast ausschließlich aus Tracks besteht, die bereits vor der Jahrtausendwende und nicht selten schon während der Achtziger in den Clubs rotierten.
Eine Zäsur dann in der Mitte der einstündigen Vorstellung. Nach kurzer Eigenwerbung für einen Acid-Gig in Manchester passt Upton sein Set programmatisch an. Mit dem hyperaktiven „Jiggerwatts” von Phortune, das in Ghetto Tech-Tradition unmissverständliche Geschlechtsteil-Vocals auffährt, tritt Acid einen kurzen und dennoch gloriosen Siegeszug an. Außerdem mit dabei: Robert Hoods eleganter Minimal Techno, der mit „Ride” aus dem wegweisenden Album Minimal Nation von 1994 einen seiner vielen Höhepunkte erreichte. Detroit vertritt außerdem Kenny Larkin, über dessen Musik Upton nur Positives zu sagen hat: „Great music from Kenny Larkin. All the shit mixing is mine.” Zum Schluss dann noch Electro Pop von Experimental Products – runde Sache! Maximilian Fritz
Josh Cheon: Patrick Cowley at 69 (DJ MAG)
69 herrliche Minuten Hi-NRG liefert Josh Cheon, Chef des auf Underground-Musik aus den 80ern spezialisierten Labels Dark Entries, mit diesem Mix für DJ Mag. 69, so alt wäre auch Patrick Cowley geworden dieses Jahr geworden, wäre er nicht 1982 mit gerade mal 32 Jahren als einer der ersten an der damals noch unbekannten Krankheit AIDS gestorben. Cheon mixt hier Cowleys größte Hits, die zum Teil auch auf der kürzlich auf Dark Entries erschienen „Mechanical Fantasy Box“ zu Cowleys Andenken enthalten sind. Denn anders als Producer-Legenden der Disco-Ära wie Arthur Russell oder Giorgio Moroder, ist Patrick Cowleys Erbe leider etwas in Vergessenheit geraten. Dark Entries hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, mit fast schon archäologischem Aufwand die bislang ungehobenen Schätze Cowleys von den Dachböden seines Freundes und ehemaligen Mitbewohners Maurice Tani zu retten und endlich angemessen herauszubringen, wie er im Interview mit DJ Mag eindrücklich erzählt.
Soundmäßig irgendwo zwischen Russels zurückhaltendem Avant-Disco und Moroders aufgekratztem Euro-Disco-Entwurf verortet, übersetzte Patrick Cowley die drogenschwangere Atmosphäre und sexuelle Energie der Cruising-Szene in pumpende, vom unermüdlichen Synth-Arpeggiator angetriebene Dancefloor-Hymnen und prägte den „San Francisco Sound“ der Schwulenclubs seiner Zeit. In diesem Sinne lässt Cheons Mix auch keine Zeit für ein Warm-Up, sondern springt direkt mitten auf den Dancefloor: Nach dem etwas obskuren „Robot Children“ kommt nach fünf Minuten gleich der erste Hit „Do You Wanna Funk?“ mit Disco-Ikone Sylvester, dessen Über-Hymne „You Make Me Feel (Mighty Real)“ wohl jedem ein Begriff sein dürfte. Über die erwarteten Disco-Classics, wie einem mit spacigen Synth-Spielereien verfremdeten Remix von Donna Summers „I Feel Love“ und Cowleys „Menergy“, schafft es Cheon aber auch die Bandbreite von Cowleys Produktionen abzubilden. Etwa mit Tracks wie „Tech-No-Logical World“ stand er hörbar an der Schwelle zwischen klassischem Disco und New Wave.
Highlight ist Cowleys kosmische Interpretation des Sea-Hunt-Themes ab Minuten 36, mit maximalem Effekt, brilliant gemixt von Josh Cheon – angeblich stand Patrick Cowley auf Lloyd Bridges, Darsteller in der beliebten TV-Serie. Dieser Mix ist ein echtes Stück Zeitgeschichte, mit dem einer der fast vergessenen Helden der Disco-Ära endlich gebührend gewürdigt wird. Laura Aha
Mor Elian B2B Danielle: Rinse FM Show
Der einstündige Mix der Fever-AM-Gründerin Mor Elian und ihrer DJ-Kollegin Danielle ist sicher nichts für den gemütlichen Nachmittagstee: In das energetische B2B-Set haben die Künstlerinnen einige „Floorfiller” gepackt, wie etwa „Hypa” von Jack Michael oder den twistenden „Ice Bridge” von Air Max 97. Die Musikstile der DJs scheinen sich ausgezeichnet zu ergänzen: Mor Elian, die zuvor in Tel Aviv und Los Angeles gelebt hat, wurde durch ihre Wahlheimat Berlin weiter im Techno-Sound bestärkt. Danielles größte Inspiration stammt derweil aus der Szene in Bristol. Die Künstlerin lebt in London und war mehrere Jahre Teil der Crew von Phonica Records. Nach einem Gast-Auftritt für Livity Sounds, erhielt sie eine eigene Show auf der Radioplattform NTS.
Für den Oktober-Mix tragen Mor Elian und Danielle eine Reihe von dynamischen, an Break Beat orientierten House- und Techno-Tracks zusammen – das Set ließe sich im Prinzip direkt in den Club übertragen. Besonders erfrischend ist, dass es sich bei der Auswahl nicht nur um die aktuell gecharterten Songs handelt, die in den Mixen sowieso rauf und runter gespielt werden. Stattdessen stößt man auf einige Überraschungen. Das sorgt sogleich für hastige Blicke in die Kommentarspalten, verbunden mit der Hoffnung, dass zuvor schon jemand nach der ID gefragt hat. Till Häselbarth