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Awareness-Expertin Killa Schütze über Drogen und Awareness: „Das wichtigste ist, nicht zu stigmatisieren”

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Wie gehen Awareness-Teams mit Drogen um? Was heißt erste Hilfe im Notfall? Und wo liegen die größten Gefahren beim Drogenkonsum im Club und auf Festivals? Kaum jemand kann diese Fragen so gut beantworten wie Killa Schütze.

Schütze hat als Türsteherin im Robert Johnson in Offenbach und im Berliner Tresor gearbeitet und Security-Teams, Awareness-Teams und -Strukturen aufgebaut. 

Heute berät Schütze mit ihrer Firma RICE deutschlandweit Kultur- und Veranstaltungsorte bei den Themen diskriminierungssensibler Sicherheit, Konfliktmanagement und Awareness und verfügt über Teams in Frankfurt und Berlin. GROOVE-Autorin Katharina Pittack traf Schütze in einem Café in Neukölln, um einen Einblick in ihre Arbeit zu gewinnen.

Was hat dich zum Thema Awareness gebracht?

Killa Schütze: Ich bin seit über 15 Jahren in der Clubkultur tätig. Angefangen habe ich als Türsteherin im Robert Johnson in Offenbach. Vor circa acht Jahren bin ich nach Berlin gezogen. Während Corona habe ich angefangen, mich intensiv mit Awareness-Arbeit auseinanderzusetzen, und habe dann im Tresor zwei Jahre lang die Tür, das Awareness-Team sowie Awareness-Strukturen aufgebaut. Ich habe auch bei der Berliner Clubcommission gearbeitet und bin jetzt seit zwei Jahren als Awareness- und Konfliktmanagement-Anbieterin selbstständig. Ich habe Teams in Berlin und Frankfurt. Wir sind hauptsächlich in kulturellen Räumen unterwegs, ich berate aber auch Clubs und Festivals.

Du bietest auch Workshops an, richtig? 

Genau, ich gebe Workshops zu unterschiedlichen Themen innerhalb der Antidiskriminierungsarbeit. Awareness verstehe ich dabei als Teil von Antidiskriminierung und Konfliktmanagement – auch durch meinen Background im Security-Bereich. In den letzten Jahren habe ich das Pop-Kultur-Festival beraten, außerdem das Whole. Daneben betreue ich das Awareness-Team am HKW [Haus der Kulturen der Welt, d.Red.] in Berlin und berate auch die Schirn Kunsthalle in Frankfurt. Meine Arbeit ist mittlerweile sehr vielfältig geworden, was ich spannend und bereichernd finde – vor allem, weil es für mich keine Nachtarbeit mehr bedeutet. Und: Eigentlich bin ich Künstlerin, das ist meine Hauptidentität. Aber wie viele in diesem Bereich bewege ich mich gerade zweigleisig.

Killa Schütze (Foto: Agil Abdullayev)
Killa Schütze (Foto: Agil Abdullayev)

Uns interessiert jetzt besonders die Rolle von Drogenkonsum in der Awareness-Arbeit, da wir Awareness bisher hauptsächlich als Einsatz gegen Sexismus und Rassismus thematisiert haben. Wie wird man damit konfrontiert bei der Awareness-Arbeit?

Das ist unterschiedlich. In manchen Kontexten, etwa im Kulturbereich, spielt Drogenkonsum kaum eine Rolle. Bei Festivals oder in der Clubkultur hingegen ist er ein wichtiger Aspekt. Im Rahmen von Awareness-Arbeit gibt es verschiedene Bereiche, und Drug-Awareness bildet dabei definitiv ein eigenes Feld.

Wie verhalten sich die Feiernden in solchen Situationen? Zeigt sich exzessiver Konsum immer in Überdosierungen oder beobachtest du auch andere Verhaltensweisen?

Es gibt ganz unterschiedliche Formen von Überkonsum. Häufig werden wir als Awareness-Team direkt angesprochen, manchmal von Freund:innen, Bekannten oder auch von Fremden, wenn es jemandem nicht gut geht. Idealerweise passt die Crowd ein Stück weit selbst aufeinander auf, aber wir sind da, um die Stimmung zu checken, aufmerksam zu sein und bei Bedarf einzugreifen.

Wie motiviert ihr die Menschen, selbst aufmerksam zu sein, und wenn es ihnen schlecht geht, sich eigenständig Hilfe holen?

Das Whole Festival hatte eine gute Kampagne dazu. Sie haben auch auf Instagram zum Thema Sober Raven oder Passt aufeinander auf aufmerksam gemacht. Solche Botschaften haben Wirkung gezeigt. Awareness zu schaffen, ist wichtig, gerade weil Drogen in der Berliner Szene oder auf Festivals oft romantisiert werden und man schnell etwas konsumiert, ohne genau zu wissen, was es ist. Deshalb finde ich es essenziell, gerade auf Events klar zu kommunizieren: Achtet auf euch und eure Grenzen.

Wie kann man Menschen die Angst nehmen, sich Hilfe zu holen, weil sie befürchten, Ärger zu bekommen, ins Krankenhaus zu müssen oder andere Konsequenzen zu erleben?

Das hängt stark davon ab, wie sich die Veranstalter:innen positionieren. Es gibt Events, die drug-positive sind, bei denen Sanitäter:innen vor Ort sind und das Awareness-Team dafür sorgt, dass Menschen korrekt behandelt werden. Manchmal müssen die Sanitäter:innen gesetzliche Vorgaben beachten oder im Notfall die Polizei rufen. Wer wiederholt Probleme beim Konsum hat, bekommt in der Regel den Hinweis, zum eigenen Schutz nach Hause zu gehen – idealerweise wird dabei sichergestellt, dass die Person auch wirklich sicher nach Hause kommt. Auf der anderen Seite gibt es Veranstalter:innen mit strikter No-Drugs-Policy. Dort kann bereits beim erstmaligen Konsum reagiert werden, im Extremfall wird die Polizei informiert. Wie streng das umgesetzt wird, hängt von den Regeln des Clubs oder Festivals und dessen Größe ab. Am Ende ist es so, dass Drogen illegal sind. Wer zulässt, dass in seinen Räumen Drogen konsumiert werden, macht sich damit strafbar.

Ab welchem Punkt reicht Awareness nicht mehr aus, und wann sollte man Notfallmediziner:innen oder Sanitäter:innen hinzuziehen?

Der kritische Punkt ist erreicht, sobald eine Person bewusstlos ist oder ihre Gesundheit anderweitig gefährdet ist. Dann sollte man unbedingt Sanitäter:innen hinzuziehen oder im Notfall einen Krankenwagen rufen, je nach Situation vor Ort.

Wie holt man Leute am besten runter? 

Das hängt stark von der Droge ab, weil jede Substanz unterschiedliche psychische Ausnahmesituationen auslösen kann. Manchmal ist es sinnvoll, eine Psychologin hinzuzuziehen. In Drug-Awareness-Schulungen wird daher auch besprochen, wie man gezielt mit den jeweiligen Substanzen umgeht.

„Wir sind keine Sanitäter, Therapeuten oder Psychologen.”

Wie bereitest du dein Team auf solche Situationen vor und welche Inhalte sind dir in den Workshops besonders wichtig?

Die Workshops sind sehr umfangreich und dauern teilweise mehrere Stunden oder sogar Tage. Mir ist vor allem wichtig, dass klar wird, wo Awareness-Arbeit beginnt und wo sie endet – wir sind keine Sanitäter, Therapeuten oder Psychologen. Diese Grenzen zu vermitteln und zu definieren – das ist für mich das Wichtigste.

Wie würdest du die Aufgabenbereiche von Awareness-Team, Sanitäter:innen und PsyCare unterscheiden?

Die Sanitäter haben einen klar definierten Auftrag und müssen sich an rechtliche Vorgaben halten – zum Beispiel in bestimmten Situationen die Polizei rufen. Das Awareness-Team ist davon ausgenommen, trägt aber trotzdem ein gewisses Risiko, wenn es ungeschult arbeitet. Deshalb ist es entscheidend, genau zu wissen, wo Awareness-Arbeit endet. Kommt man in Situationen, in denen eine Person bewusstlos ist, sollte sofort das Sanitäter-Team oder ein Krankenwagen hinzugezogen werden. Viele Awareness-Mitglieder haben zwar Erste-Hilfe-Kurse absolviert, aber sobald man medizinisch aktiv wird, übernimmt man Verantwortung, die man ohne den rechtlichen Rahmen nicht tragen kann. Deshalb ist eine klare Abgrenzung essenziell.

Inwiefern können Drogen mit sexueller Belästigung in Verbindung stehen?

Das ist eine interessante Frage. Ich würde am ehesten Alkohol und G[HB, d.Red.] mit sexueller Belästigung in Verbindung bringen. Klar ist: Wenn man nicht mehr ganz nüchtern ist und unter Einfluss von Substanzen steht, kann es passieren, dass man Dinge tut, die man nüchtern nicht tun würde, auch, dass Hemmungen und Grenzen fallen. Aber generell passiert dort, wo mehr Drogen konsumiert werden, nicht auch automatisch mehr sexuelle Belästigung.

Wo hört für dich Awareness auf und wo fängt Drogenverherrlichung an? 

Das Wichtigste ist, dass das Awareness-Team immer im Sinne der Veranstalter:innen handelt. Wenn sich ein Festival zum Beispiel als drug-positive positioniert, habe ich erlebt, dass es Infostände zu verschiedenen Drogen gibt. Beim Sónar werden zum Beispiel auch Workshops zum Thema Drug-Awareness angeboten. Dabei stand oft die Frage im Raum, ob auch Konsum-Kits bereitgestellt werden – manche machen das, andere nicht.

Wie schätzt du das ein?

Für mich beginnt da der Diskurs: Ist das ein Anreiz zum Konsum, oder eher ein Take-Care-Moment, also ein Hinweis darauf, wie man sauber und sicher konsumiert? Genau an diesem Punkt muss man diskutieren, ob man Drogen verherrlicht oder schlicht auf Sicherheit achtet. Klar sollte auf jeden Fall sein, dass der Konsum von Drogen nicht verschwiegen wird. Und grundsätzlich ist es immer gut, über die unterschiedlichen Wirkweisen von Substanzen – auch in Kombination – informiert zu sein. 

Killa Schütze (Foto: Silke Briel)
Killa Schütze (Foto: Silke Briel)

Wie stehst du zu Veranstalter:innen, die sich bewusst gegen Drogen positionieren?

Wenn ich als Veranstalter:in eine klare No-Drugs-No-Tolerance-Policy habe, ist es gut, diese auch deutlich zu kommunizieren. Der Konsum vieler Drogen ist ohnehin illegal. Alkohol darf man konsumieren und Kiffen ist mittlerweile erlaubt. Dennoch liegt das Hausrecht bei den Veranstalter:innen. Wer also irgendwo Drogen konsumiert, muss damit rechnen, dass er daran gehindert wird.

Wie kann man im privaten Umfeld vorgehen, wenn man merkt, dass der Konsum bei einer Person überhand nimmt?

Wenn man jemanden im Freundeskreis hat, bei dem man sich Sorgen macht, kann man unterstützen und aufmerksam sein. Am Ende liegt die Verantwortung aber bei der Person selbst. Man kann helfen, Angebote machen und für sie da sein, aber die Person muss es auch wirklich wollen und annehmen. Wichtig ist, sich nicht in dem Hilfeversuch zu verlieren, jemandem etwas aufzuzwingen oder ihn aus einer Situation herauszuholen. Als Freund:in ist es richtig, da zu sein – aber am Ende muss die Entscheidung von der betroffenen Person getroffen werden.

Welche Drogen stellen im Nachtleben aktuell das größte Problem dar? In Clubs sieht man oft Schilder, die vor GHB warnen – manchmal hat man dabei den Eindruck, dass andere Substanzen dadurch weniger beachtet werden. Besteht die Gefahr, dass diese dann nicht ernst genug genommen werden?

GHB ist auf jeden Fall eine stark stigmatisierte und tatsächlich auch komplizierte Droge, weil sie schwer zu konsumieren und zu dosieren ist – deswegen gibt es häufiger problematische Fälle. Viel gefährlicher sind meiner Meinung nach aber Drogen, die man noch gar nicht richtig kennt. Es tauchen immer wieder neue Substanzen auf, die anders zusammengesetzt sind. Man hört zum ersten Mal davon, jemand erzählt, wie gut die Droge gerade wirkt, und man probiert es einfach. Das ist viel riskanter, weil die Wirkung oft unbekannt ist. Auch Substanzen wie Koks sind manchmal deutlich reiner, sodass niemand genau weiß, worauf er sich einlässt. Natürlich spielt auch die Dosierung eine Rolle: Bei Medikamenten weiß man immer, welche Menge man nimmt. Das ist bei Drogen so gut wie nie der Fall.

„Das würde ja bedeuten, dass gar keine Drogen mehr konsumiert werden.”

Wie stehst du zu Drug Checking?

Auch wenn es viel Kritik gibt, es ist eine gute Sache. Viele sagen, dass es zum Drogenkonsum animieren könnte. Aber das hängt vom Kontext ab. Wenn ich zum Beispiel auf einem Festival bin, wo ohnehin schon viel konsumiert wird, und es dort eine Drugchecking-Stelle gibt, ist das eher hilfreich. Stelle ich so eine Anlaufstelle aber an einem Ort auf, an dem normalerweise kaum Drogen konsumiert werden, könnte es eher neugierig machen – man denkt: „Wow, was ist das?” und erkundigt sich vielleicht, obwohl man vorher gar nicht auf die Idee gekommen wäre. Es kommt also immer auf den Kontext an.

Was ist deine Meinung zu Sober Raves?

Es gibt so viele unterschiedliche Konzepte – warum also nicht? Ich finde es gut, dass es solche Angebote gibt, auch um Awareness zu schaffen und zu zeigen: Es geht eben auch anders. Es ist meiner Meinung nach ein safer space für Menschen, die nicht konsumieren wollen und sich dort wohl fühlen können. Und vielleicht bemerkt die eine oder andere Person dadurch, dass es auch ohne Drogen geht. Diese Orte kann man bewusst auswählen – manchmal entscheidet man sich dafür, ohne Drogen zu feiern, ein anderes Mal wieder nicht. Beides schließt sich auch nicht aus. 

Glaubst du, das wird sich durchsetzen?

Das würde ja bedeuten, dass gar keine Drogen mehr konsumiert werden, und das glaube ich nicht. Ich kann mir aber vorstellen, dass es einfach so eine Art legitime Option ist: Manche Menschen gehen eben auf Sober Raves, andere eher nicht, sondern auf Hip-Hop- oder Techno-Partys.

„Ich spreche lieber von Konfliktmanagement und Antidiskriminierungsarbeit als von Awareness.”

Lass uns zu deiner Arbeit mit Awareness-Teams kommen. Wie beeinflussen solche Initiativen die Stimmung einer Clubnacht?

Einerseits kann das Awareness-Team bei manchen Menschen das Gefühl erzeugen, dass sie ständig beobachtet werden und dass es eine Art Moralpolizei gibt. Andererseits kann es auch das Gefühl vermitteln, in einem möglichst sicheren Raum zu sein, wo Leute auf einen aufpassen. Wie das wahrgenommen wird, hängt davon ab, wie gut die Kommunikation mit dem Publikum schon im Vorfeld erfolgt, wie gut das Awareness-Team gebrieft und eingespielt ist und wie gut Veranstaltung und Team zusammenpassen.

Wie stehst du dazu, dass manche sichtbare Awareness-Teams als eine Art Moralpolizei wahrnehmen?

Das kann ich total nachvollziehen. Deshalb spreche ich lieber von Konfliktmanagement und Antidiskriminierungsarbeit als von Awareness. Man läuft einfach Gefahr, dass das, je nachdem, wie gut man das Team schult, welche Stimmung herrscht, welche Leute man hat, als Awareness-Polizei wahrgenommen wird: Menschen, die herumlaufen, Vorschriften machen und sagen, wie man sich zu verhalten hat. Deshalb versuche ich, dass das Team eher unauffällig agiert, um genau das zu vermeiden.

An wen wendet man sich dann, wenn das Awareness-Team unsichtbar agiert?

Im Optimalfall ist ja das gesamte Team der Veranstaltung gebrieft. Das heißt, man kann auch an die Bar gehen oder zu den Securitys und bekommt Hilfe. Im Optimalfall ist jede:r Ansprechpartner:in.

Sollte Drogen-Awareness auch die Schattenseiten beleuchten? Dinge wie Überkonsum, Absturz, Abhängigkeit, also auch abschrecken oder nur aufklären?

Awareness-Arbeit bewertet nicht und urteilt nicht – das ist ja gerade das Prinzip. Natürlich kann es aber nie genug Aufklärung, Wissenstransfer und Bildung geben. Das ist dann auch die Aufgabe der Veranstalter:innen, anderer Institutionen und natürlich des Awareness-Teams selbst. Je mehr alle Bescheid wissen, desto besser können sie vor Ort mit Menschen sprechen und Fragen beantworten.

Killa Schütze (Foto: Silke Briel)

Welche Art von Aufklärung funktioniert am besten? Wie vermittelt man Risiken so, dass die Leute sie auch ernst nehmen?

Kommunikation ist das A und O. Zum Beispiel über Social Media. Ich hatte ja schon das Whole Festival mit seiner Kampagne zu Achtsamkeit und Sober Raves erwähnt – die lief mehrere Monate vor dem Festival. Das ist meiner Meinung nach der beste Ansatz. Vor Ort aufzuklären, etwa mit Postern oder Infomaterial, kann schnell in die falsche Richtung wirken, sodass sich Leute gemaßregelt fühlen. Da ist es wichtig, den richtigen Ton zu treffen. Grundsätzlich ist jede Art der Kommunikation gut. Ein kleiner Infostand kann je nach Festival oder Location sinnvoll sein.

Wo zieht man die Grenze zwischen Konsum unterstützen und ermöglichen?

Ich finde beides schwierig, weil „ermöglichen” fast schon „unterstützen” bedeutet. Man kann sich nur überlegen, wie man damit umgeht, wenn solche Situationen auftreten. „Ermöglichen” würde ja bedeuten, ich verkaufe Drogen; und „unterstützen” ist für mich auch ein schwieriger Begriff. Das Wichtigste ist: nicht stigmatisieren. Es geht darum es sicherer und transparenter zu machen. Wenn Menschen nach dem Konsum abschmieren oder es ihnen schlecht geht, ist es wichtig, dass Awareness-Teams oder Veranstalter:innen emphatisch damit umgehen. Das kann jedem:r passieren – sei es durch Überkonsum oder auch durch äußere Umstände, zum Beispiel, wenn jemand etwas in den Drink getan hat. 

Wie kann verantwortungsvoller Konsum aussehen?

Zuerst sollte man sich über die Substanz informieren, die man nehmen möchte. Am besten macht man das in einer Freundesgruppe oder mit jemandem zusammen, der Erfahrung hat. Auf keinen Fall sollte man einfach etwas nehmen, ohne zu wissen, was es genau ist – das ist wirklich das Gefährlichste.

Gehören Drogen zum Nachtleben dazu, oder sind sie ein Problem?

Drogen gehören im Nachtleben sicher dazu, aber sie werden ja auch tagsüber konsumiert. Darin steckt auch ein Stück Stigmatisierung. Es wird immer direkt auf das Nachtleben oder die Clubkultur gezeigt. Ich komme ursprünglich aus Frankfurt und habe lange im Bahnhofsviertel gewohnt. Da koksen Banker teilweise sogar in der Mittagspause und nehmen H[eroin, Anm.d.Red.]. Daher würde ich sagen: Das ist kein spezifisches Nachtleben-Problem, sondern eher ein gesellschaftliches. Im Club- und Nachtleben-Milieu wird es nur stärker beobachtet und letztlich auch oft kriminalisiert.

Wie kann man als nicht Awareness-geschulte Person in einer akuten Situation richtig einschätzen, was zu tun ist? Was kann man als Partybesucher:in konkret tun?

Wenn ich eine Person treffe, bei der ich das Gefühl habe, dass es ihr nicht gut geht, ist das Wichtigste zuerst: beruhigen. Der Person zeigen, dass jemand da ist. Gleichzeitig sollte man am besten sofort noch jemanden losschicken, um das Awareness-Team oder Sanitäter:innen holen oder sich mit jemandem in Verbindung setzen. Aber vor allem geht es darum, präsent zu sein und der Person das Gefühl zu geben, dass sie nicht allein ist und zur Ruhe kommen kann.

Was können Clubbetreiber:innen tun, damit das gesamte Personal gut auf kritische Situationen vorbereitet ist? Manche nutzen Codewörter oder andere Systeme – wie wirksam sind diese Methoden tatsächlich?

Trainings, Trainings, Trainings! Schulung, Schulung, Schulung! Ich möchte dabei aber nicht den Eindruck erwecken, dass man nach einem Interview oder nach ein paar Aussagen von mir schon weiß, was zu tun ist. Das reicht einfach nicht. Es reicht auch nicht, einen schriftlichen Leitfaden zu verschicken. Viel wichtiger ist, dass man gemeinsam Workshops macht, bestimmte Szenarien bespricht und idealerweise auch praktisch übt. 

Was fehlt in aktuellen Drogen- oder Awareness-Konzepten? Wo gibt es noch Verbesserungsbedarf?

Bei Awareness-Konzepten fehlt mir ein stärkerer Fokus auf Antidiskriminierungsarbeit. Ich habe den Eindruck, dass es häufig vor allem um Drogen geht, also Drug-Awareness, und dass andere Themen dabei manchmal etwas zu kurz kommen. Gleichzeitig ist Drug-Awareness auf manchen Veranstaltungen ein zentrales Thema, weshalb es umso wichtiger ist, dass Veranstalter:innen wissen, in welchem Feld sie sich gerade bewegen und dass es auch noch andere Awareness-Bereiche gibt.

Gibt es noch etwas, was sich strukturell ändern müsste, damit Aufklärung und Hilfe besser funktionieren?

Es fehlt an den entscheidenden Stellen an Geld. Gerade durch die aktuellen Förderkürzungen leiden nicht nur Kultureinrichtungen, sondern auch Festivals, Clubs und Veranstalter:innen. Und dann wird oft zuerst bei Awareness-Teams gespart, weil die leider immer noch als nice to have gesehen werden. Auch, weil es früher ohne ging, wenn auch eher schlecht als recht. Theoretisch könnte das politisch unterstützt werden, etwa durch gezielte Budgets für Awareness-Arbeit. Aber im aktuellen Klima wirkt so eine Forderung fast utopisch.

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