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Motherboard: Februar 2025

Größe aus der Beschränkung ziehen, das ist ein bekannt-beliebter Weg, gerade auch in der elektronischen Musik. Für die in Paris lebende Russin Maria Teriaeva ist es ein kleiner mobiler Modularsynthesizer von Buchla, der die Reduktion der Mittel bei gleichzeitiger Expansion der Inspiration ermöglicht. Denn was wäre Minimalismus schon ohne Freiheit? Die nötigen Exkursionen ins wild Verwilderte, die aus dem simplen Setup mehr als ein starres Gerüst, ein rigides Skelett machen, nimmt sich Teriaeva jederzeit heraus. Kein Stück auf ihrem dritten Album Sayan – Savoie (7. Februar) gleicht dem nächsten. Kaum eines verlässt sich allein auf die markanten Buchla-Sounds, die zum Beispiel Caterina Barbieri mit maximaler Wirkung zu nutzen wusste. Teriaeva liebt das Spiel, und sie benötigt fast nichts, um zu mehr als beeindruckenden Ergebnissen zu gelangen. So, und vielleicht nur so, macht Minimalismus in Electronica 2025 noch Sinn und Spaß.

Ebenfalls am Buchla operiert der Schwede Erik Klinga. Er ist von Haus aus Schlagzeuger und ehemaliger Popstar (zum Beispiel bei den Synthpoppern Simian Ghost). Ein Leben und eine musikalische Produktionsweise, von der er sich offenbar weitgehend abgelöst hat. Sein Album Elusive Shimmer (Thanatosis, 24. Januar) hat einen suchenden, forschenden Charakter, geht lieber den Eigenheiten der Maschine nach, als direkt zu Popsongs werden zu wollen. Ein gewisser Sinn für Harmonien und griffige Sequenzen hat Klinga allerdings bewahrt.

Dieses Jahr sollte, ja, müsste ihr Jahr werden. Denn die polnische Komponistin und Producerin Olga Anna Markowska hat mit ihrem Debütalbum ISKRA (Miasmah, 31. Januar) und der im vergangenen Jahr erschienenen EP Thrills (Kanu Kanu, 22. März 2024) exakt die goldene Mitte zwischen Ambient und Neoklassik gefunden. Den Sweet Spot, an dem sich die Melodik der neuen Romantik langsam befreit, ins Schweben und Fließen gerät, sich aber nicht vollends in nebulöse Klangschwaden auflösen möchte. Markowskas Stücke haben noch erkennbar wohlgeformte Struktur und Architektur, sind noch hörbar mit akustischen Instrumenten, zuvorderst dem Cello, ausgespielt, lösen diese aber von allen Gewissheiten, die mit dem gut abgehangen melancholischen Klang des klassischen Instrumentariums verbunden sind. Neoklassik und Freiheit gehören eben doch zusammen.

Der musikalische Lebensweg des Italieners Federico Albanese fühlt sich inzwischen ebenfalls nach Befreiung und Horizonterweiterung an, nach einem Heimischwerden in einem Klang, in einem Stil, aber nicht weniger. Diese Doppelbewegung nach innen und nach außen, ins Offene und ins Heimelige zeichnet Blackbirds and the Sun of October (XXIM Records, 7. Februar) präzise nach. Es ist inzwischen viel mehr als neoromantische Klaviermusik, mehr als Soundtracks zu nie gedrehten Filmen. Wie weit er dafür reisen musste (körperlich wie geistig) und wie weit er dabei gekommen ist, zeigt die kürzliche Wiederveröffentlichung seines ersten Albums The Houseboat and the Moon (Denovali, 2014, Federico Albanese, 2024), das noch stärker in Konventionen spielt, darin aber keineswegs schlechter.

Ein Konzerthallen füllendes Großorchester wie das Oslo Philharmonic Orchestra lässt sich auf eine Art und Weise nutzen, dass es klingt wie eine Sample-Collage, wie hochauflösendes Microsampling, wie einmal im Kurzwellenradio durch die Kanäle gedreht. Was erst mal wie ein netter, aber eher kurzgedachter Spontan-Einfall klingt, hat der norwegische Komponist Øyvind Torvund über ein ganzes Album, A Walk Into The Future (Aurora Records, 17. Januar), hinweg zu einem schlüssigen, jederzeit tragenden Konzept entwickelt. Es funktioniert überaus gut, die Quasi-Snippets aus Impressionismus und Filmscores ergeben ein schlüssiges wie spannendes Gesamtbild und klingen richtig gut. Das ist Neue Musik, die sofort gute Laune macht und in der präzisen Ausarbeitung eine hübsche Schnapsidee zu etwas wirklich Interessantem macht.

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