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Motherboard: August 2024

Nach einem exzellenten Album für die Isländer von Móatun 7 im März hält Lorenzo Bracaloni die selbst gesetzten Standards hoch. Sein jüngstes Fallen-Album Whispered Hymns (21. Juni) erscheint auf dem ziemlich angesagten italienischen Ambientlabel Neotantra, dem jüngsten Ableger von Lee „Metamatics” Norris’ Plattform Neo Oujia. Alles Labels übrigens, die die freundliche Politik betreiben, digitale Veröffentlichungen zumindest temporär frei zur Verfügung zu stellen. In der Tendenz mehr Electronica als Ambient, mehr Loops und Cuts als Drone und Flächen, ist das Album auch für Fallen eine Wegmarke, die in die Zukunft zeigt.

Es ist immer erfreulich zu berichten, wenn es ein prominent und (musikalisch) divers besetztes Projekt schafft, mehr als den gemeinsamen Nenner zu finden und neue Welten, neue Arten des Zusammenspiels andeuten kann. Die Köln-Wien-Berliner Jazz-mit-Elektronik-Supergroup TAU macht auf ihrem Debüt Chants (Fun In The Church, 30. August) einen Sound, der von Jazz abgeht, abweicht in Richtung Pop und Indie, aber auf erstaunlich experimentelle und recht düster klingende Art und Weise. Sound ist hier wichtig, nicht nur im Sinne perfekter Produktion und Reproduktion, mehr noch als emotionaler Wegweiser ins Unbekannte.

Den musikalischen Forschergeist hat Tashi Wada schon in die Wiege gelegt bekommen. Als Sohn des japanischen Fluxus-Künstlers, Minimal-Music-Pioniers und Dudelsack-Explorators Yoshi Wada sind für den in Los Angeles lebenden Tashi avancierte Soundscapes und immersive Drones die quasi ererbten und von Kind an gelernten Voraussetzungen für eigene Musik. Auf What Is Not Strange? (RVNG Intl., 7. Juni) sind sie stets präsent. Tashi Wada hat bei aller drone-kompositorischen Stringenz doch immer ein Ohr für Pop und ist in erster Linie ein Kollaborationskünstler, was auch auf seinem nominellen Soloalbum deutlich zu hören ist. Die Stücke sind selten reiner Drone, pure Orgel oder Analogsynthesizersounds, sondern atmosphärisch angereichert mit Field Recordings, reichem Rauschen, dem Leben der Stadt Los Angeles.

Dass Rap abseits der Realness-Scharmützel des Mainstreams und weit jenseits des etablierten Hip-Hop-Kontexts als experimenteller Bedeutungsträger und Sinngeber noch funktioniert, ist zwar rar geworden. Allerdings stehen doch so manche stetige Außenseiter:innen wie die nichtbinären IceBoy Violet aus Manchester für einen Rap-Underground, in dem das Genre noch waghalsig, ausprobierend, wie neu wirkt. In der (im Wortsinn und auch sonst) queeren Kombination mit dem spanischen Ambient-Produzenten Nueen funktioniert das sogar doppelt gut und doppelt neu. Rauer, verzerrter Rap über feinstofflich schwebenden Soundscapes ist auf You Said You’d Hold My Hand Through The Fire (Hyperdub, 7. Juni) weder Widerspruch noch knarzender Hybrid, sondern organisch und selbstverständlich – mit einem stets schwelenden Rest an Herausforderung und Schmerz. Was ein ziemlich perfektes Album ergibt.

Eine Möglichkeit, aus Hip-Hop, Pop und Jazz heraus etwas zu machen, das seine Wurzeln nicht kappt, aber die Inhalte der Genres auch nicht einfach reproduziert, hat der Münchner Schlagzeuger Dani Scheffels in softer Electronica mit kleinen Beats gefunden. Sein zweites Album hi (tunnel.visions, 7. Juni) lässt unmittelbar spüren, wie viel Können und Professionalität Scheffels zur Verfügung stehen. Arrangement und Produktion sind nuanciert, detailreich und füllig, protzen aber nicht mit diesen Ressourcen. Es steht alles im Dienst feiner wie unaufdringlicher Song-Tracks, deren Reichhaltigkeit und Tiefe erst nach und nach klar werden.

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