Giulio Aldinucci ist der orchestralen Nostalgie mit einer gehörigen Portion an Pathos ebenfalls nicht abgeneigt. Die mürbe gewordene Architektur seiner gesampleten Emotionsessenzen bekommt auf Real (Karlrecords, 14. Oktober) exakt den Hautgout, der die Grenze des Erträglichen gerade streift, nie überschreitet, nie zu viel und doch in die Vollen gegangen. Dahin, wo Schmerz und Schönheit, Überwältigung und Rückzug, Melancholie und Alltag sich kaum noch unterschieden lassen.
Reuelos in warmen Drone-Strömen schwelgen, orchestral gesamplete Melancholie als Lust und Genuss erleben, mit den kleinen, geißelnden Widerhaken, die, noch von Industrial und Power-Noise geerbt, die Textur aufrauen. Wen nur eines dieser Stichwörter etwas triggert, der ist bei der Kollaboration von Johan Carøe & Gabo Barranco und sowieso beim Kopenhagener Label Janushoved bestens aufgehoben. Stretching Pools (Janushoved, 2. September), erstes gemeinsames Album des Dänen und des Mexikaners (der als AAAA experimentellen Fringe-Techno macht), lässt hier keine Wünsche offen. Schwerer Ambient mit leichtem Herzen.
Kalter Ambient mit heißem Herzen und dunkler Poesie ist das Metier des finnisch-britischen Trios aus Ellen Southern, Johanna und Juha „Gruth” Puuperä. Ihren Namen All That We See or Seem haben sie bei Edgar Allen Poe geborgt, ihre Klänge sind elektrisch dunkel und frei. Mit sinister geflüsterte Lyrik über oder unter abstrahiertem Spät-Gothic und Drone/Doom-Metal haben die beiden je 30-minütigen Stücke auf All That We See or Seem (Miasmah, 21. Oktober) sehr lange und intensiv hinunter geschaut in den Abgrund. Was wohl mit zurückkam?