Colin Dale (Foto: GROOVE Archiv), Colin Faver (Foto: GROOVE Archiv), Luke Slater (Foto: Sven Marquardt)

Luke Slater stand schon Ende der 1980er Jahre in London hinter dem DJ-Pult und hat die britische House- und Technoszene von Beginn an mitgeformt. Seit nun mehr als 25 Jahren veröffentlicht er unter diversen Pseudonymen auf diversen Plattenlabeln ein großes Spektrum von Musik, das von Sample-House bis IDM reicht. Stilprägend ist aber der entfesselte, elektrisierende Techno-Sound, mit dem er es im Sommer wieder einmal schaffte, die GROOVE-Charts anzuführen. Die betreffende EP, Say It Loud, war bloß der Auftakt zu einem Album, das gerade auf Token erschienen ist.

Luke Slater wäre nicht Luke Slater, wenn er nicht seine Extrawurst einfordern würde und diese auch bekommt – auch von der GROOVE. Bei seinem Plattenschrank ließ er sich nicht in das Format von sechs prägenden Veröffentlichungen zwängen, sondern lieferte gleich acht Meilensteine ab. Bei seinem DJs DJ sprengt er wieder das Format, indem er gleich über zwei wichtige DJ-Persönlichkeiten spricht, die ihn am Anfang seiner musikalischen Laufbahn prägten – Colin Faver und Colin Dale

Colin Faver ist einer der legendären englischen DJs der 1980er. Zuerst veranstaltete er Konzerte von so unterschiedlichen Bands wie Throbbing Gristle oder Culture Club. Dann entwickelte er als DJ einen unerwarteten Stilmix aus Soul, Disco, Electro und frühen House-Tracks, der ihn in den späten Achtzigern mit dem Heaven, The Wag, Shoom und der Haçienda in die Clubs beförderte, die 1988 mit dem Second Summer of Love die Acid-House-Revolution zum Explodieren brachten.

Colin Dale war zunächst Banker und spielte als Warm-Up-DJ auf Hip-Hop-Konzerten. Wenig später katapultierte er sich ins Zentrum des Geschehens, indem er 1985 mit einer Gruppe von Aktivist*innen, zu der auch Colin Dale gehörte, das Piratenradio Kiss FM auf die Beine stellte. 16 Jahre lang hostete er dort die Sendung Abstrakt Dance, bei der unter anderem Underground Resistance, Richie Hawtin, Laurent Garnier oder Carl Craig zu Gast waren. Wie Colin Faver und Colin Dale Luke Slater und die gesamte Szene beeinflussten, berichtete er GROOVE-Autorin Pia Senkel


Meine Geschichte beginnt an einem Mittwoch im Heaven in den späten Achtzigern, einem großen Club in London. Nebenan befand sich das Soundshaft, der erste Club, in dem ich jemals auflegte, auf einer Party namens Troll. Zu der Zeit bin ich sehr oft im Heaven gewesen. Ich weiß nicht, wie ich diesen Club beschreiben soll: Er war ähnlich wie das Berghain, nur dass nicht jeder Schwarz trug. Im Gegenteil, es war dort sehr bunt. Und an diesem Mittwoch, bei einer Pyramid-Night, legte Colin Faver dort auf. Ich habe mir seine Musik angehört, und irgendwie machte er etwas anders – anders als alle anderen zu der Zeit.


„Beide Colins waren wie Professoren für mich.”


Als ich Colin auflegen hörte, hatte ich keine Ahnung, wer er war, ich dachte mir nur: This is really good. Er konnte verschiedene Musikstile mixen und hat aber dem Ganzen irgendwie einen ganz neuen Sound gegeben. Die eine Hälfte tanzte auf dem Dancefloor, die andere dachte sich nur: What is this guy doing? How is he putting this together? Er inspirierte mich, weil er mir zeigte, wie gut Musik sein konnte – das muss so 1987/88 rum gewesen sein.

Colin Faver (Foto: GROOVE Archiv)

Zur selben Zeit arbeitete ich in einem Plattenladen in London – zusammen mit Colin Dale. Wir haben uns sehr intensiv mit den importierten Platten, die wir dort verkauft haben, auseinandergesetzt: Früher House, Sachen von Bigshot Records, Nu Groove und Rheji Burrell, Easy Street, Dance Mania und so weiter. Colin Dale kannte sich wirklich sehr gut aus, er war wie ein Lexikon, auch wenn er keineswegs wie ein Bücherwurm wirkte.


„Meine Musik im Radio zu hören, das war unglaublich.”


Damals haben beide Colins bei einer Pirate-Radio-Station gearbeitet, bei Kiss FM. Als Kiss FM dann eine Lizenz bekam, wurde es mainstream, und beide Colins hatten plötzlich Techno-Shows im Mainstream-Radio, dabei machten beide irgendwas zwischen House und Techno. Was für eine Bedeutung ihre Sendung hatte, ist heute schwer vorstellbar, aber damals gab es kein Internet und keine Handys. Es gab nur Plattenläden und das Radio.

Tausende Menschen in Großbritannien verfolgten diese Shows, weil man dort Platten hörte, die sonst nirgendwo liefen – man hörte sie sonst nur in den Clubs, aber niemals im Radio. Und die Shows liefen nicht mal nachts, sondern so gegen 18 oder 19 Uhr. Ich denke, diese Sendungen waren wichtig, nicht nur für jemanden, der DJ war. Es war wichtig, dass die breite Masse die Musik hörte, denn das war ein Zeichen, dass sie akzeptiert wurde: Dass dieser Sound überhaupt existierte, dass es Leute gab, die ihn machten, eine Szene und Clubs.

Luke Slater (Foto: Archiv GROOVE)

Colin Dale und ich wurden Freunde durch den Plattenladen. Er war ein großes Talent und ist es auch heute noch. Wenn er einen Mix macht, merkst du nicht einmal, ob das eine Platte ist, die in die nächste übergeht, oder ein einziger Track. Er sorgt einfach für einen nahtlosen Übergang, das ist mir sofort aufgefallen. Colin Dale und ich haben uns damals auch auf vielen verschiedenen Raves gesehen, als die ganze Rave-Szene begann.

Außerdem war er der Erste, der eine meiner Platten im landesweiten Radio gespielt hat, ich glaube, es waren die frühen Planetary-Sachen. Ich erinnere mich nur daran, wie ich am Radio klebte und hoffte, dass er sie spielen würde. Als ich meine Platte dann wirklich hörte, war dieses Gefühl unbeschreiblich, es war einfach nur WOW. Meine Musik im Radio zu hören, das war unglaublich.

Colin Dale (Foto: GROOVE Archiv)

Colin Faver wiederum ist immer öfter nach Europa gereist, und irgendwann fand ich mich selbst bei einem seiner Gigs wieder. Ich kann mich noch genau an den Moment erinnern, ich dachte einfach: This is really cool, because he was there before me. Außerdem war Colin Faver der Erste, der mich gefragt hatte, ob ich mal eine Live-Show spielen wollte, 1991 in London, mit unserem Projekt The 7th Plain. Das war die einzige Live-Show, die ich jemals gespielt habe.

Beide Colins waren wie Professoren für mich. Sie waren nicht Eins, aber wenn es um Techno oder House ging, wurden sie, ob sie es mochten oder nicht, zu einer Art Einheit, wohl auch wegen Kiss FM. Sie wurden die britischen Vertreter von House und Techno, weil sie die Musik als einzige im Radio spielten. Die beiden waren nicht nur einflussreich für jemanden, der wie ich anfing, sondern sie hatten einen großen Einfluss auf die Entwicklung von House und Techno in Großbritannien. Sie waren wichtig für die gesamte Szene, und dafür sollten sie auch heute noch wertgeschätzt werden.

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