Roman Flügel (Foto: Nadine Fraczkowski)
Im ersten Teil unseres Interviews spricht Roman Flügel über sein neues Album Eating Darkness, seine Zusammenarbeit mit Running-Back-Macher Gerd Janson und über seinen Umgang mit der Corona-Krise. Im zweiten Teil geht es darum, wie Flügel der Musiker wurde, der er heute ist.
Denn Roman Flügel präsentierte sich nicht immer als der Solo-Künstler, als der er heute die Szene prägt, der unter seinem bürgerlichen Namen in regelmäßigem Abstand Alben und Singles veröffentlicht und die globale Club- und Festival-Landschaft als traveling DJ bespielt.
In den neunziger und nuller Jahren stand die Studioarbeit im Vordergrund, und er war hauptsächlich mit seinem damaligen musikalischen Partner Jörn Elling Wuttke aktiv. Für den Output der beiden gibt es heute kaum Vergleichbares, Flügel und Wuttke verfolgten parallel nicht weniger als vier verschiedene Projekte, sie veröffentlichten eine unüberschaubare Zahl von Alben, Singles und Remixen.
Flügels Solo-Produktionen als ro70, Roman IV oder Soylent Green gingen da eher unter. Und die Musik war nur ein Teil seiner Arbeit: Mit seiner Frankfurter Gruppe mit Ata und Heiko M/S/O betrieb er in Nachbarschaft zum Robert Johnson drei Labels, die die Szene in dieser Zeit prägten. GROOVE-Chefredakteur Alexis Waltz wollte wissen, wie diese Vielfalt von Projekten, Sounds und Aktivitäten möglich war – und warum er mit dem Schritt zum Solokünstler so lange gewartet hat.
Heute veröffentlichst du hauptsächlich unter deinem bürgerlichen Namen. Dein Sound ist divers, er reicht von Garden Party, einer Dance-Single mit Pop-Subtext, zu den entgrenzten Stücken auf deinem neuen Album, die fast Ambient-artig sind. In den neunziger Jahren war deine Musik sogar noch heterogener. Es gehörte zum Markenzeichen deines Partners Jörn Elling Wuttke und dir, entgegengesetzte Ansätze parallel zu verfolgen – als Acid Jesus, Alter Ego, Sensorama und The Primitive Painter.
Roman Flügel: Da gibt es immer solche Brüche, wenn man sich das rückblickend anguckt. In dem Augenblick, in dem etwas beginnt, sich direkt zu manifestieren, ist es vorbei. Mit Alter Ego ist das extrem, weil es als Ambient-Homelistening-Electronica-Projekt gestartet ist und bei Why Not? geendet hat. Das umfasst eine Zeitspanne von 15 Jahren. Am Ende erkennt man den Ursprung nicht wieder. Das sind harte Brüche – bis hin zu dem Bruch, dass wir aufgehört haben.
Angefangen hat es mit Warp 69. Das war 1993.
Da waren wir noch zu dritt. Das war die absolute Ursuppe. Das war Jörn mit seinem damaligen Studiopartner. Ich bin so als Teenie dazugestoßen, weil Jörn ein Tape von mir gehört hatte. Da meinte er, komm mal bei uns vorbei. Dann war ich auf einmal in dieser Garage mit diesen beiden älteren Jungs.
Wie alt warst Du da?
19, die anderen beiden waren 24, 25.
Viele deutsche Produktionen aus dieser Zeit hinkten Tracks aus England und den USA noch sehr hinterher. Das ist bei euren Stücken nicht so, sie klingen amtlich.
Das ist witzig. Der dritte im Bunde, Kay Praag, der hatte damals einen top Akai-Sampler, der richtig ausgestattet war, mit allem Drum und Dran. Kay war ein Sampling-Wizard, der hat das klanglich saugut hingebogen, und Jörn hat es auch gut ausproduziert. Ich fand es halt musikalisch scheiße, als ich dazu gestoßen bin, das muss ich ganz ehrlich sagen. Allerdings hatte ich meine Demo-Tapes, die aber alle nicht gut geklungen haben. Ich musste mir dann meinen Platz erarbeiten. Der Kay war damals schon in der Lage, das so richtig aufzupumpen. Wir kamen musikalisch zu dritt aber nicht zusammen.
Vielleicht ist nicht klar, was es sein will. Die vielen R’n’B- und House-Samples passen nicht zusammen.
Das ist die komische Kombination dieser drei Personen im Studio, die nicht wissen, wie sie zusammen klingen wollen. Ich will ein bisschen distinguierter sein, der Kay hat seine Stechschritt-Bassdrum eingespielt. Dann hat man noch einen Drum’n’Bass-Loop drüber gehobelt, und dann kam auch noch eine Frauenstimme dazu. Total bizarr, rückblickend. Man hat sich natürlich auch an englischen Vorbildern abgearbeitet, die unerreichbar waren. So war es auch im Studio, da gab es viel Reibung.
Aber die Energie ist da, die Tracks klingen fett. Man fragt sich nur, warum man noch das R’n’B-Sample on top braucht bei allem, was schon passiert.
Weil der Sampler noch Platz hatte. (lacht)
„Wir hatten eine Acid-Jazz-CD im Studio liegen. Da haben wir das Logo geklaut. Und ich hatte ja auch noch lange Haare.”
Wie ging es nach Warp 69 weiter?
Acid Jesus war dann vorrangig meine Musik, meine Demo-Tapes und mein Sampler, der Ensoniq EPS-16+. Das war ein Acht-Spur-Sequencer, damit habe ich alles gemacht. Kay war dann wiederum in der Lage, die MIDI-Daten in das Cubase auf dem Computer einzuspeisen. Dann konnten wir die Stücke im Studio neu abmischen. Bei Acid Jesus waren das dann hauptsächlich Jörn und ich.
Kay ist ausgeschieden.
Er hat immer weniger eine Rolle gespielt, irgendwann war es vorbei. Dann hat sich auch die Kreativ-Schleuse mit Jörn und mir geöffnet. Neben den Singles kamen auch immer noch Alben raus, vier in fünf Jahren. Das war der totale Wahnsinn.
Und ihr habt noch live gespielt.
Nicht so viel wie später. Wir waren ständig im Studio. Jörn war nicht immer da, der hat damals auch noch Second-Hand-Platten verkauft. Wenn er unterwegs war, bin ich oft abends nochmal hingefahren. Dann bin ich noch die halbe Nacht da gesessen. Auch, weil ich diese Technik bedienen durfte. Das war besser als im Homestudio.
Du bist noch zur Schule gegangen in dieser Zeit. Was für einen Hintergrund hatte Jörn?
Er hat bei den Sheets gespielt, er hatte dieses Studio, in dem man gut aufnehmen konnte. Und nach der Maueröffnung hatte er in Leipzig einen Second-Hand-Plattenladen mit einem Freund, da ist er immer rübergefahren. Das war das Nachwende-Deutschland.
Wie kam es zu den vielen Projekten? Das Pop-affine Projekt Sensorama stand für sich, aber warum musstet ihr nochmal zwischen Acid Jesus und Alter Ego unterscheiden?
Damals sind viele Projekte entstanden, weil jemand gesagt hat: Macht doch mal eine Platte für uns, aber ihr müsst euch einen neuen Namen ausdenken. Rückblickend verstehe ich das auch nicht ganz.
Bei euch war es aber nicht wie bei vielen Techno-Producern, die mehr oder weniger denselben Sound unter verschiedenen Pseudonymen veröffentlichten. Bei euch stand hinter jedem Alias ein Konzept, es gab Verzweigungen und Querverbindungen. Ihr habt mehr oder weniger das gesamte elektronische Musikgeschehen der Zeit und Teile der Popmusik abgedeckt.
Das ist eher schlafwandlerisch entstanden.
Was war zuerst da?
Acid Jesus, das war der Ursprung.
Wieso der Name, Acid Jesus?
Das weiß ich auch nicht mehr so genau. (schmunzelt) Ich glaube, das lag daran, dass wir eine Acid-Jazz-CD im Studio liegen hatten. Da haben wir das Logo geklaut. Und ich hatte ja auch noch lange Haare.
„Dann hat Sven gesagt, macht doch mal was für uns. Wir haben uns aber nicht in dem Cybordelics-Hardtrance-150BPM-Kontext gesehen.”
Und ihr habt den Velvet-Underground-Song „Jesus” gesampelt.
Wir waren beide große Velvet-Underground-Fans. Was ein Sample, so absurd! Wir haben es einfach mit reingenommen.
Ein solches Pop-Wissen und -Interesse war damals im Techno-Zusammenhang ungewöhnlich.
Richtig. Sogar abgelehnt unter Umständen. Jörn ist ja grundsätzlich ein großer Pop-Fan, auch Spex- und Sounds-sozialisiert. Das war sein Steckenpferd. Und da kamen so bizarre Kombinationen zustande, da wäre ich nicht drauf gekommen. Da waren meine Sounds – und dieses Pop-Sample.
Ihr seid von Anfang an gut vernetzt gewesen, auch die Warp-69-Tracks sind schon auf Vinyl erschienen.
Holger Wick hat die herausgebracht, der hat damals in Mainz einen Plattenladen, den Now Record Store, zusammen mit Andy Düx. Da sind wir hingefahren, mit einer DAT-Kassette. Wir haben gesagt: Hör’ dir das doch mal an. Dann hat er es gemacht.
Und wie seid ihr zu Harthouse gekommen?
Das war Sven [Väth, d.Red.]. Ich war Dauergast im Omen. Sven hat Acid Jesus mitbekommen und wollte wissen, wer das macht. Dann hat er gesagt, macht doch mal was für uns. Wir haben uns aber nicht in dem Cybordelics-Hardtrance-150BPM-Kontext gesehen.
Ihr seid eher der Gegenentwurf dazu gewesen.
Genau. Wir haben gesagt: Wir machen was ganz anderes. Und Sven so: Wunderbar, macht doch.
Er war offen.
Total. In seinem Kosmos hat der Club immer aus allem bestanden, aus dem Anfang, dem Höhepunkt, dem Ausfaden und dem wieder zu Hause ankommen. Das ist ja diese alte Goa-Schule, dass so eine Geschichte erzählt wird, am besten über 24 Stunden. Da passt auch dieser Ambient- und Chill-out-Gedanke rein. Das fanden auch wir ganz normal. Rückblickend sind das harte Cuts, aber wenn auf einer Party der Chill-Out-Raum ganz normal ist, dann ist auch klar: Da können wir auch Musik dafür machen. Das ist etwas, das heute manchmal fehlt. Wenn das wieder zurückkommt, wäre das ganz nett, so einen Raum zu haben, wo man durchatmen kann.
„Das Robert Johnson war stilprägend für „Rocker” und „Why Not?!”. Damit hat Alter Ego nochmal einen Turn gemacht und wurde kurzzeitig richtig groß.
Acid Jesus hatte von Anfang an diese Bandbreite von Acid bis hin zu Ambient und Electronica. Warum dann noch Alter Ego?
Acid Jesus war dann noch Club-tauglicher, mehr im Club verankert. Während die ersten beiden Alter-Ego-Alben zur Homelistening-Schule gehörten, rübergeschielt haben nach UK natürlich auch wieder, zu den Warp-Compilations, zu Black Dog und B12. Das war genau, was uns interessiert hat in dem Augenblick. Dann mussten wir aber feststellen, dass das live im Clubkontext nicht mehr zu vermitteln ist.
Wie hat sich das herauskristallisiert?
Wir haben das wirklich versucht. Aber das war dann verständlicherweise ein Stimmungskiller an einem Peak-Abend, an dem Sven irgendwie immer noch die Hoffnung hatte, dass unser Live-Act so eine Präsenz hat, trotz alledem. Dann haben wir aber diesen einen Track, „Folk Song”, rausgebracht, auf der Harthouse 100, so einen Schranz-Brecher halt. Das wurde dann natürlich das erfolgreichste Stück von Alter Ego vor „Rocker”. (lacht) Dann hat man auf einmal wieder ganz woanders stattgefunden mit dem Projekt. Das sind diese komischen Schritte, die eigentlich nur Brüche darstellen, die einen dann wieder woanders hin katapultieren.
Dann gab es noch Sensorama.
Was dann die Hamburger Pop-Schule war, Tocotronic mit Elektronik. Das war nochmal eine ganz andere Nummer, mit Charlotte Goltermann.
Dann habt ihr Acid Jesus aufgegeben und gesagt: Wir konzentrieren uns mit Alter Ego auf Clubmusik.
Genau.
Ihr wurdet zu einem sehr präsenten Live-Act.
Zumindest für ein paar Jahre. Wir hatten ein Live-Set, das mit „Betty Ford” und „Folk Song” ziemlich hart und schranzig war. Dann gab es diesen Moment, wo die Musik electroclashiger wurde, als das Robert Johnson aufgemacht hat. Ende der Neunziger, Anfang der Nullerjahre. Da hat man dann gemerkt, der Zug fährt wieder in eine andere Richtung. Das Robert Johnson war stilprägend für „Rocker” und „Why Not?!”. Damit hat Alter Ego nochmal einen Turn gemacht und wurde kurzzeitig richtig groß.
Im Vergleich zu heute ist faszinierend, wie kurz so ein Hit gewirkt hat. Heute kann eine ganze Karriere an einem einzigen Hit hängen.
Diese Form von Karriere, die dann fünf Jahre später möglich war, gab es damals noch nicht.
„Ein Label wie Playhouse wäre ohne die vier Köpfe, die alle eigene Vorstellungen hatten, nicht möglich gewesen. Das macht es rückblickend so frisch.”
Und mit der Dynamik zwischen Jörn und dir habt ihr auch als Band funktioniert. Das war ziemlich einzigartig.
Da gab es dann andere, die ganz groß geworden sind. Das waren im Verhältnis zu Alter Ego dann halt Daft Punk. Die dann schon in ihrer Ur-Konstellation und Ausrichtung konsequenter waren als wir. Die hatten auch eine ganz andere Vision von sich selbst.
Sie haben sich früh auf das eine Projekt konzentriert.
Die haben den Ballast der Techno-Geschichte längst abgeworfen gehabt und gewusst, wie sie sich positionieren, auch mit Know How von außen. Dann sind sie larger than life geworden.
Daft Punk waren große Pop-Fans und haben solche Pop-Momente auch gesucht. Die gibt es bei Alter Ego etwa mit „Rocker” auch. Allerdings habt ihr das Pop-Moment dann mit „Why Not?!” ironisiert – und damit auch an einen Endpunkt gebracht.
Wo man dann auch im Studio gemerkt hat: Das war es jetzt irgendwie. Daft Punk haben ja diesen wunderschönen Ausweg gefunden über die Helme. Das ist genial gewesen. Ohne die Helme wäre ihre Karriere so nicht passiert. Weil diese beiden Typen auch nicht so sind, dass sie die ganze Zeit ihr Gesicht sehen wollen. Das war ein genialer Schachzug – zusammen mit diesen ultra-poppigen Nummern. Die man dann teilweise auch nicht mehr hören wollte. Aber genau dann wird es halt groß.
Mich interessiert, warum du erst so spät begonnen hast, systematisch allein zu veröffentlichen. Gemessen daran, wie lange du schon aktiv warst, hast du dich erst spät als Individual-Künstler ins Zentrum gestellt. Ich habe nochmal das ro70-Album gehört, das 1995 auf Move Ds Label Source erschienen ist. Da sind schon viele wesentliche Elemente deines Sounds enthalten. Du hättest auch in dieser Zeit deine Solokarriere beginnen können, hätte es die Projekte mit Jörn nicht gegeben. Du hast ja damals schon Solo-Produktionen veröffentlicht, aber die standen im Schatten von Alter Ego.
Da muss man einen gewissen Darstellungsdrang haben und natürlich auch ein gewisses Selbstbewusstsein. Beides hat mir zu dem Zeitpunkt gefehlt. Der Drang, Musik zu machen, war immer da. Aber der Drang, sich auf die Bühne zu stellen, den hatte ich nicht. Ich wäre auch niemals Sänger einer Band geworden. Ich war halt Schlagzeuger, das ist letzten Endes schon so ein Bild. Das hat jahrelang gedauert, bis ich mich innerlich freigeschwommen habe. Bis ich sagen konnte: Ich bin so, wie ich bin, ich mache, was ich mache. Davor war es immer dieses Infragestellen: Ist das gut genug? Kann ich das überhaupt? Kann ich das jemandem vermitteln? So eine komische Ambivalenz in der Persönlichkeit. Das ist natürlich sehr hinderlich. Damals war das nicht tragisch, aber wenn man sich heute so verhielte, würde man überhaupt keine Aufmerksamkeit bekommen. Die Selbstdarstellung nimmt Züge an, das ist unvorstellbar gewesen.
Jörn hat dich rausgeholt aus deinem Zweifel.
Jörn ist ein Frontmann. Er ist auch jemand, der als Sänger auf der Bühne gestanden ist. Das muss man auch wollen. Das sind die zwei Pole von uns gewesen, da haben wir uns eine Zeit lang gut ergänzt. Aber ich habe immer das Gefühl gehabt, dass man eine Gruppe von Menschen braucht. Man ist im Leben nicht allein, das funktioniert einfach nicht. Das durfte ich mit dieser Gruppe in Frankfurt erleben. Mit Jörn, Ata, Heiko [M/S/O, d.Red.] und dem Delirium Record Shop. Man muss das Glück haben, Menschen zu treffen, die eine gemeinsame Idee entwickeln und auch bereit sind, das eine Zeit lang zu leben. Und alleine auf Instagram macht das eben keinen Spaß. Ein Label wie Playhouse wäre ohne die vier Köpfe, die alle eigene Vorstellungen hatten, nicht möglich gewesen. Das macht es rückblickend so frisch. Jeder von uns hätte allein ein anderes Label gemacht. Zusammen haben wir das gemacht, was ja eigentlich sehr schön ist.
„Ich fand das toll, dass ich mich mit Dial in einem Kontext bewegt habe, den es bei Klang und Playhouse nicht gab. Eine Anbindung an eine Kunstwelt im weitesten Sinne, wo man so eine Platte nicht nur hört, sondern auch anschaut.”
In den 1990ern und 2000ern hast du noch nicht unter deinem Namen veröffentlicht, sondern unter Pseudonymen wie Soylent Green oder Roman IV. Das kam erst in den 2000ern mit Dial, dass du nicht mehr verschiedene Projekte parallel verfolgst, sondern alles unter deinem bürgerlichen Namen erscheint.
Das war eine bewusste Entscheidung. Grundsätzlich, für mich selbst. Ich hatte mit „Geht’s noch?” meinen einzigen wirklich erfolgreichen Solo-Track unter meinem Namen veröffentlicht, an dem sich dann alle abgearbeitet haben. Das war für manche natürlich auch ein Hassobjekt nach einer bestimmten Zeit. Dann habe ich mich gefragt: Wie kommst du aus der Nummer wieder raus? Die Antwort lautete: Okay, ich nutze meinen Namen und mache was ganz anderes. Dann hatte ich mit Pete [Lawrence, d. Red.] und Dial eine gute Unterstützung. Eine Plattform, die kredibil ist, wo Leute wissen, was sie machen und am Ende des Tages auch ein Produkt toll ist. Das hat mir für ein paar Jahre eine Sicherheit gegeben.
Wo haben dich die drei Alben auf Dial hingebracht?
Das Gefühl hat sich verstärkt. Ich habe für mich selbst noch mehr die Möglichkeit zu sagen: Ich mache, was ich mache. Ich bin der, der ich bin.
Du bist noch unabhängiger.
Genau, im Kopf, es findet ja alles nur im Kopf statt. Ich habe mir diese Unabhängigkeit geschaffen, die ich in den 20 Jahren davor, wo ich immer zusammen- oder unter Pseudonym gearbeitet habe, nicht hatte.
Was hat dieser Bruch zu Dial ausgemacht? Davor warst du Teil einer großen Gruppe, die du seit den frühen Neunzigern gekannt hast. Sowas gab es bei Dial nicht.
Auf jeden Fall. Ich kannte die beiden [die Dial-Macher Lawrence und Carsten Jost, d.Red.] schon sehr lange. Dann mochte ich, was sie machen, der Katalog hat mir gut gefallen. Und es war eine Möglichkeit, aus dem Frankfurt-Kontext herauszutreten. Damals war Dial noch stärker mit Hamburg assoziiert. Für mich war das eine schöne Zusammenarbeit. Aber ich habe diese drei Alben als Trilogie empfunden. Dann ist es an der Zeit, dass man sagt: Jetzt sucht man sich eine*n neue*n Partner*in. Deshalb habe ich diese Schritt bewusst gemacht.
Wie hast du dich bei Dial mit Pete verständigt? Was waren eure Themen? Dial ist konzeptueller als Klang und Playhouse, das Label verband die elektronische Musik mit Themen aus Bildender Kunst und Politik.
Das lässt sich nicht vergleichen, wir hatten keinen theoretischen Ansatz. Weder Heiko noch Ata sind theoretische Menschen, sondern ausgesprochen praktisch. Bei mir hat das mit Dave [Carsten Jost, d.Red.] und Pete aber keine Rolle gespielt, da ging es um die Musik – und um die Verpackung. Die ist bei Dial eine spezielle, kuratierte Geschichte. Ich fand das toll, dass ich mich in einem Kontext bewegt habe, den es bei Klang und Playhouse nicht gab. Eine Anbindung an eine im weitesten Sinne Kunstwelt, wo man so eine Platte nicht nur hört, sondern auch anschaut. Nach den drei Alben hatte ich dann das Gefühl, dass es in eine andere Richtung geht. Vielleicht trifft man sich irgendwann wieder und macht dann weiter – das wird man dann sehen.
Im ersten Teil des Interviews spricht Roman Flügel über das Kapitel, das auf die Zeit bei Dial folgte – über seine Zusammenarbeit mit Gerd Janson und sein Album auf dessen Label Running Back.