Steffen Kache (Foto: Jörg Singer)

Clubs sind Kulturorte. Das sieht seit dem 7. Mai auch der Deutsche Bundestag so. Damit verorten sich Clubs zwischen Kino und Oper und nicht mehr zwischen Bordellen, Spielhallen oder Wettbüros. Aber wird das (Über)Leben der Clubs dadurch leichter? Was bedeutet die neue Regelung konkret für die Akteur*innen der Szene? Wir haben vier Macher*innen von Clubs befragt. Nach Pamela Schobeß und Dimitri Hegemann ist nun Steffen Kache, Mitbegründer der Leipziger Distillery und Teil des Vorstands der LiveKomm, an der Reihe.


Wie waren die Reaktionen bei euch, als ihr von dem neuen Beschluss gehört habt?

Steffen Kache: Wir haben bei der LiveKomm virtuell die Sektflaschen geöffnet. Es herrschte eine riesen Freude darüber, dass der Beschluss doch noch durch ging. Eine Woche vorher sah das noch ganz anders aus. Da hat sich das parlamentarische Forum getroffen, und es klang so, als würde dieser Punkt nicht mehr in die Novelle des Baugesetzbuches hineinkommen. Umso erfreuter waren wir darüber, dass auf Initiative von zwei Bundestagsabgeordneten der CDU und der SPD der Erschließungsantrag in den Bauausschuss kam und ihn mit großer Mehrheit passierte. Das ist ein Meilenstein. Vor zweieinhalb Jahren begannen wir zu überlegen, wie wir Clubs als kulturelle Einrichtungen deklarieren lassen können. Dass das bereits zweieinhalb Jahre später umgesetzt wird, hätten wir nie für möglich gehalten.

Was wird sich für euch Konkretes ändern?

Im Entschließungsantrag gibt es viele Punkte, in denen der Bundestag die kulturelle Wertigkeit der Clubs anerkennt. Die neue Baunutzungsverordnung ist nur einer von zehn Punkten. Darüber hinaus ist grundlegend, dass der Antrag mit der Mehrheit aller demokratischen Parteien verabschiedet wurde. Die FDP hat zwar etwas verwechselt und im Bundestag dagegen gestimmt, später jedoch in einer Protokollnotiz verlautbaren lassen: „Wir haben dafür gestimmt“. Das heißt: Eine riesengroße Mehrheit findet, dass Clubs einen wichtigen kulturellen Beitrag leisten – auch für die Stadtentwicklung. Damit können wir nun argumentieren, wenn es darum geht Clubs zu erhalten. Wir reden ja vom Clubsterben, also dass die Clubs durch Städtebau und Immobilien-Entwicklung verdrängt werden. Wenn aber eine Stadt einen neuen Bebauungsplan beschließt und der Club weichen soll, ist das jetzt um einiges schwieriger durchzusetzen. Eine kulturelle Einrichtung ist schwieriger wegzurationalisieren als einen Gewerbebetrieb.

Die Distillery 2013 (Foto: MJ/ CC30)

Zum anderen wird es einfacher, neue Orte zu genehmigen. Vorher waren wir nur in den sogenannten Kerngebieten, also im Prinzip in den Innenstädten, genehmigungsfähig. Es entstehen Feiermeilen wie in München die Feierbanane oder St.Pauli in Hamburg. In Gewerbegebieten waren wir nur in Ausnahmefällen zulässig, in Wohngebieten gar nicht. Jetzt sind sogar am Rand von Wohngebieten kleine Locations möglich, die nur ganz regional und nur für den Stadtteil interessant sind. Ein in der ganzen Stadt durchmischtes Kulturangebot ist nun – zumindest im ersten Schritt – möglich.

Bedeutet der Beschluss für euch in Zeiten von Corona einen Lichtblick?

Drücken wir es so aus: es war zur Abwechslung mal wieder eine gute Nachricht. Die Clubs sind seit Mitte März letzten Jahres geschlossen. Mir ist jetzt auch keine Verordnung bekannt, nach der sie im Sommer auch nur für kurze Zeit wieder aufmachen könnten. Jetzt sieht’s so aus, dass es nur Open-Air-Veranstaltungen geben wird. Der reguläre Betrieb ist nachwievor ohne Perspektive. Diese neue Entscheidung kann uns helfen, einen höheren Stellenwert zu bekommen. Entscheidend ist aber die Gefährdungslage. Wir würden uns selbst verleugnen, wenn wir nur aufmachen würden, wenn wir in den Clubs keine Abstandsregeln einhalten müssten. Wir hoffen auf eine Lösung mit Schnelltests vor Ort oder negativen Testbescheiden. Das Argument „Wir sind Kultur“ ist hilfreich, um das hinzubekommen.

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