Jazzige Electronica aus dem Geiste der freien Improvisation oder Jazz-Ambient, ist das ein Ding? Könnte sein. Sicher nicht weniger als Country und Western. Was die New Yorker Filmkomponistin und Skateboarderin Elori Saxl auf ihrem üppigen Debüt The Blue of Distance (Western Vinyl) mit Klarinette, Oboe, Analog-Synthesizer und Field Recordings so anfängt, ist von Song zu Song (denn darum handelt es sich hier) immer anders, immer erfreulich neu und doch wunderbar angenehm, tröstlich, manchmal elegisch und immer in Schönheit schwelgend.

Ins Psychedelische gewendete Country-Folk-Electronica ist noch so ein anderes Ding. Der Gitarrist Dewey Mahood aus Portland, der sich soloelektrisch Plankton Wat nennt, führt diese aber keineswegs nur nach innen in bunt erleuchtete Tripwelten. Auf Future Times (Thrill Jockey) kommentieren seine Klänge absolut irdische Angelegenheiten wie rassistische Polizeigewalt oder Umweltzerstörung. Introspektive Klänge zu fabrizieren bedeutet ja nicht gleich, dass man dazu Herz oder Hirn ausschalten muss. Im Gegenteil.

Das ist sogar mehr als wahr, wenn es sich um frankophile und -phone Sixties-Retropsychedelik mit modernen digitalen Mitteln handelt. Der hauptberuflich an den Beats der Outsider-Hip-Hop-Combos der Bay Area schraubende Producer Mike Walti alias Organi hat auf Parlez-vous Français? (Alien Transistor, 26. März) mit Songwriting-Partnerin Maryam eine offenbar langlebige und persistente Obsession mit French-Pop und bunter Psychedelia ausgelebt und in pastellig verblichene Vintage-Soundscapes gegossen, die auch mal zu größtmöglichem Breitwand-Pop ganz alter Schule werden können. Unstumpfer Spaß ist garantiert.

Bei Benjamin Finger gleitet die Psychedelik in schwer greifbare und begreifbare halluzinatorische Räume. Auditorisches Flickern in nostalgisch verblichener Buntheit, aber doch ganz digital modern ist Auditory Colors (KrysaliSound), das möglicherweise freundlichste Album des Norwegers, der ansonsten genauso gerne in abstraktem Death-Metal oder elektroakustischem Noise unterwegs ist. Auf kleinere atonale Angelhaken und Noise-Scherben sollte man in seinen Soundscapes allerdings immer achten.

Die kanadische Produzentin Yu Su debütiert mit Yellow River Blue (Bié Records/Music From Memory) schon deutlich robuster und tanzbarer. Ihre minimale, technoide Electronica agiert aber immer auf einem jazzigen Fundament, vergisst nie einen gewissen Swing einzuarbeiten. Ebenfalls pure Freundlichkeit. 

Was nicht weniger für das bereits im vergangenen Jahr erschienene Ways (Leaving Records) der Produzentin Xyla aus San Francisco gilt, das ich an dieser Stelle noch einmal schwerstens empfehlen möchte. Denn Freundlichkeit, Sanftheit (beim Zupacken), Gentleness gilt umso mehr, wenn sie aus einer marginalisierten queeren Position kommt.

Der dritte Teil der feinen Ambient-EP Serie Music for Home des malaysischen Labels mü-nest kommt vom Japaner D & The Compass. Seine EP To the Cat (mü-nest) ist die tanzbarste und clubkompatibelste der auf vier Teile angelegten Reihe. Freundlicher Ambient, aber mit einer Wubberbass und minimal-geradem House-Beat drunter. Klassischer Wohnzimmer-Rocker. Wird dem Konzept der Reihe also genau gerecht.

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