Das späte Aufeinandertreffen der japanischen Elektronik-Avantgarde in Form von Minamo & Moskitoo ließ sehr lange auf sich warten und ist nun komplett unerwartet doch noch passiert. Superstition (12K) löst allerdings all die Erwartungen an eine solche Supergroup locker ein. Die mittlerweile auf ein Duo aus Gitarrist Keiichi Sugimoto und Laptop-Elektroakustiker Tetsuro Yasunaga geschrumpften Minamo haben seit zehn Jahren nichts mehr veröffentlicht, und die Diva des supersubtilen Glitch-Pop Sanae Yamasaki alias Moskitoo ist ebenfalls extrem zurückhaltend, was das Raushauen von neuem Material angeht. Zusammen agieren sie wunderbar befreit im Rahmen ihrer selbstverständlich immer noch superfragilen, supersensiblen elektronischen Sounds, die hier durch Yasunagas gehauchte Vocals faszinierend neu und anders werden.

Der Argentinier Federico Durand agiert ebenfalls grundsätzlich am stillen Ende der Diskretion, ebenfalls gerne mit „richtigen” Instrumenten, die einem Glitch-Treatment unterzogen werden. Auf Alba (12K) führt das zu kindgerechter Schönheit in zartestmöglichen organischen Klängen, die eher ganz in Stille verschwinden wollten, als je aufdringlich oder gar nervenaufreibend zu sein.

Manggha nennt sich die Leipzig-Berliner Fernkollaboration von Shô und Silicone. Ihre erste EP Ephelance (Sho Records, 26. Juni) ist ein mehr als vielversprechender Beginn einer hoffentlich anhaltenden musikalischen Freundschaft. Ruhig fließende, untergründig rumpelnde Ambient-Electronica, über die hin und wieder zarte Stimmen flirren. So schön und stimmig hat man das von beiden noch nicht gehört.

Das ebenfalls frische Duo Dman + Roger 23 spielt ebenfalls zwischen Ambient und allerlei Elektronischem vor dem Hintergrund einer Sozialisation in Techno. 222 (Noorden) ist etwas kühler und fühlt sich digitaler an als das Debüt von Manggha, die Koordinaten der modernen Electronica fahren sie aber ähnlich souverän ab.

Der Brite Sebastian Reynolds ist zwar alles andere als ein Debütant, seine EP The Universe Remembers (Faith & Industry) fühlt sich aber dennoch ein wenig wie ein Neuanfang an. Der langjährig geübte Kollektivmusiker beim Londoner Keyboard Choir und Braindead Collective bringt hier seine Interessen an fernöstlicher Religion und Science Fiction in die Form zeitgemäßer Electronica.

Yannis Kyriakides & Andy Moor sind ein bewährtes Duo, was Klangforschung zwischen Gitarre und Laptop, zwischen elektroakustischer Akademie und freier Improvisation angeht. Ihr Live-Set von der Biennale in Venedig 2017, im Klanglabor des französischen Pavillon aufgenommen, ist nun Jahre später als Pavilion (Unsounds, 15. Juni) erstmals als Tonträger zugänglich. Die schon sehr spezielle Aufnahmesituation inmitten von Passanten eines eventuell gar nicht mal so sehr an den Klängen interessierten Laufpublikums hat die Session ziemlich besonders und wundervoll zugänglich gemacht, leicht und unverkopft. Schön, dass sie doch noch veröffentlicht wurde.

Yair Elazar Glotman & Mats Erlandsson aus Berlin und Stockholm sind ein ebenso bewährtes Duo, das die Konventionen ihrer jeweiligen Spezialgebiete Dark Ambient und Modularsynthesizer gerne mal hinter sich lässt (und lassen kann). Ihr zweites Album Emanate (130701/FatCat) spielt in die schmerzliche Lücke hinein, die Jóhann Jóhannsson mit seinem Freitod hinterlassen hat. Also tief emotionale, tief melancholische und üppig instrumentierte Neoklassik und Drone.

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