Die Prora auf Rügen. Hier nahm die Geschichte mit dem „Her mit dem schönen Leben” ihren Anfang. Foto: Konrad Lembcke (Ausschnitt).
Im Februar berichteten wir, dass das Her Damit und das 7001 Festival Insolvenz angemeldet hatten. Genauer gesagt die Firma, die beide Festivals veranstaltet hatte. Der Aufruhr war groß. Der Beitrag wurde tausende Male angeklickt, unzählig oft geteilt und eifrig kommentiert: Da waren doch bis vor Kurzem Tickets verkauft worden? Ich hätte gerne meine Kohle zurück! Zahlt eure offenen Rechnungen! So der Tenor.
In Kommentaren und direkten Nachrichten an uns berichteten weitere Mitarbeiter*innen von ausstehenden Gehaltszahlungen – die zum Teil schon mehrere Jahre zurückliegen. Wir sind den Vorwürfen nachgegangen. Ein Eindruck verdichtete sich: Die Macherin des Her Damits hat seit 2014 Festivals betrieben und Mitarbeiter*innen und Dienstleister nicht oder nur zum Teil bezahlt; das hieß es immer wieder. Ihren Namen können wir in diesem Beitrag nicht nennen, um unseren Verlag vor einer möglichen Verleumdungsklage zu schützen. Deshalb heißt sie hier Luisa Doppler.
Wir haben versucht, die Geschichte des Her Damit-Festivals zu rekonstruieren und dafür mit 14 unabhängigen Quellen gesprochen. Die Mehrheit hat negative Erfahrungen mit Doppler gemacht. Menschen, die für sie auf dem Festival gearbeitet haben, zum Teil mehrere Jahre in Folge. Ja sogar frühere Geschäftspartner*innen Dopplers.
Die Vorgeschichte in München
Mit zwei Geschäftspartnern beginnt die Geschichte des Her Damit Festivals: Die zwei Freunde D. und W. lernen Doppler im Münchner Nachtleben kennen. Auch sie wollen, genauso wie fast alle anderen Menschen, mit denen wir gesprochen haben, anonym bleiben. Aus Angst vor Klagen seitens Dopplers und aus Sorge um ihren Ruf.
Beide sind rund sieben Jahre jünger als sie. W. hatte in seinem Studium vom „Koloss von Prora” erfahren, einer von den Nazis erbauten und nie fertiggestellten Ferienanlage der Organisation „Kraft durch Freude” an der Ostsee auf Rügen. Er hält das Areal sofort für eine tolle Festivallocation und teilt die Idee mit D. und Doppler. Die Idee wird zum Plan, das Trio will das Festival konkret in Angriff nehmen. Bereits da hören D. und W. kritische Stimmen: „Es gab Leute, die mit ihr in der Anfangszeit von Aura.Karma zusammengearbeitet hatten, die mich gewarnt haben”, erzählt D.
Aura.Karma.Alles, das war ein Verein zur Förderung elektronischer Musik in München, an dem Doppler beteiligt war. Die Vereinsgründung soll jedoch niemals fertig vollzogen worden sein, es habe eine Unterschrift Dopplers gefehlt, wie ein damaliges Gründungsmitglied erklärt, das anonym bleiben möchte. Er zählt zu den Menschen, die bereits vor den Festivals negative Erfahrungen mit ihr gemacht haben. Bei der Handvoll Partys, die der Verein rund 2010 bis 2012 in München schmiss, hätte sie sich immer rausgehalten, wenn es etwas auszulegen gab. Bei einer der letzten Veranstaltungen der Gruppe hätten dann nicht alle, denen Geld zustand, ihren vollständigen Betrag bekommen, unter anderem auch unsere Quelle. Er versuchte dennoch, an das Geld zu gelangen, aber nach mehrmaligem Nachfragen war sie „wie vom Erdboden verschluckt.” Irgendwann beschäftigt er sich nicht mehr mit dem Thema. Das nächste Mal hört er indirekt von Doppler, als das Finanzamt sich bei ihm meldet und nach ihr fragt.
2014: Das erste „Her mit dem schönen Leben” und ein Gerichtsurteil
Die Warnungen beeindrucken D. und W. nicht. Im September 2013 gründen sie die AJM Projekte UG (haftungsbeschränkt). Doppler, W. und D. sind alle drei Gesellschafter*innen, doch nur Doppler wird auf dem Papier als Geschäftsführerin ausgewiesen. Zunächst läuft alles gut: D. und W. sind für Marketing, Logistik und Produktion zuständig, während Doppler sich um die Finanzen und den größten Teil des Bookings kümmert. Sie bucht Künstler wie Rødhåd, Recondite oder Gerd Janson. „Dafür, dass wir ein Festival waren, das niemand kannte: Das war schon krass, was sie da geliefert hat”, lobt D. sie.
Im Mai 2014 findet das „Her mit dem schönen Leben” tatsächlich in Prora auf Rügen statt. Ein Erfolg, sowohl beim begeisterten Publikum, als auch finanziell: „Das ist eigentlich unfassbar: Wir haben’s geschafft, ein Festival im ersten Jahr rentabel zu machen”, so glaubt W, auch wenn nur Doppler die vollständige Einsicht in die Finanzen hatte. Die richtigen Probleme hätten erst danach begonnen. „Spätestens einen Monat nach dem Ding haben wir angefangen, nach den Zahlen zu fragen. Da wurden wir immer vertröstet, ‘Das dauert noch‘. ‘Sie muss erstmal Urlaub machen‘”, erzählt W., „Zwei Monate danach und es gab keine Zahlen. Drei Monate danach und es gab keine Zahlen. Dann haben wir entschieden, dass wir uns rechtlichen Beistand holen müssen.”
Das Konto der Gesellschaft hatten sie Doppler überlassen – ein Fehler, sagen D. und W. heute. Als sie schließlich an die Kontoauszüge gelangen, trauen sie ihren Augen kaum: Darauf häufen sich Abbuchungen im drei- bis vierstelligen Bereich aus Boutiquen und Onlineshops. D. und W. gehen alles durch, und kommen laut ihren Aussagen auf 30.000 Euro, die Doppler ausgegeben haben soll. Zudem fehle auf den Kontoauszügen eine Einzahlung von Bargeld-Einnahmen des Festivals in Höhe von 80.000 Euro. Schließlich zeigen D. und W. ihre ehemalige Geschäftspartnerin an. Das Gericht kann lediglich feststellen, dass rund 5000 Euro an Firmengeldern veruntreut wurden. Am 13. März 2017 wird Doppler am Amtsgericht München wegen dieses Tatbestandes zu einer Geldstrafe von insgesamt rund 5600 Euro verurteilt.
2015 und 2016: Das Festival läuft, aber die Probleme beginnen
Da hatte sie das Festival bereits zwei weitere Male alleine durchgeführt. Immerhin der Name ist anders. Statt „Her mit dem schönen Leben” heißt es nun schlicht „Her Damit”. Ein Name, der heute für manche einen bitteren Beigeschmack hat. D. und W. selbst sehen Doppler im Gerichtssaal zum ersten Mal seit dem Festival wieder. Im September 2014 war sie von München nach Berlin gezogen, wie aus Dokumenten des Handelsregisters hervorgeht, kurz darauf scheidet sie aus der AJM Projekte UG aus. In Berlin wagt sie einen Neustart: Sie gründet im Januar 2015 alleine die Auona Event UG.
„ES SCHEINT, ALS SEIEN GIER ODER DIE SCHIERE NOTWENDIGKEIT, IN EINEM VON PREKÄREN ARBEITSVERHÄLTNISSEN GEPRÄGTEN UMFELD GELD ZU VERDIENEN, GRÖSSER GEWESEN.“
Und findet neue Mitstreiter*innen. Die Szene ist offensichtlich nicht so gut vernetzt und eng gestrickt, wie es manchmal beschworen wird – kein schlechter Ruf eilt Doppler in Berlin voraus, keine Warnungen. Oder zumindest keine, denen ernsthaft Glauben geschenkt wird. Denn bald sind es nicht nur D. und W. und einige Menschen in München, die schlechte Erfahrungen mit Doppler gemacht haben.
Im Jahr 2015 wird das Festival vom bundesweiten, tagelangen Bahnstreik getroffen. Das hindert vermutlich eine beträchtliche Menge an Besucher*innen daran, nach Rügen zu gelangen. Ein Schlag für das Festival, für den Doppler nichts kann. Ein freiwilliger Helfer in diesem Jahr berichtet jedoch, dass es noch „sympathisch unorganisiert” gewesen sei, er bekommt seinen Lohn bar auf die Hand. Ein Mitarbeiter, der für die Barorganisation verantwortlich war, hat einen anderen Blick darauf: „Am Ende des Festivals war sie weg, wir standen zu fünft da und da kam der Getränkezulieferer und wollte 14.000 Euro.” Andere Menschen, zum Beispiel ein Designer, bekommen den Lohn nur in Teilen ausgezahlt.
2016, die Probleme nehmen zu: DJs bekommen ihre Gagen nicht pünktlich. „Der Zahlungsverkehr verlief sehr, sehr schleppend in dem Jahr. Gagen sind nicht vorab überwiesen worden, obwohl wir es so abgemacht hatten”, erzählt Consti Menze, damals Booker bei der Agentur Buki Good. Seine Künstler, unter anderem Manamana, hatten bereits 2014 und 2015 dort gespielt, es sei alles gut gelaufen. Doch 2016 wurden die Gagen von Manamana und Credit 00 erst überwiesen, nachdem die Agentur ein Inkassoverfahren eingeleitet hatte. Künstler*innen von Buki Good sollten nie wieder beim Her Damit spielen.
Die Zahlungsmoral Dopplers sei in der Szene bekannt gewesen. „Ich habe von anderen Agenturen gehört, die gesagt haben: Wir arbeiten nicht mehr mit ihr. Aber dann waren nächstes Jahr doch Künstler von ihnen da.”, sagt Menze. Es scheint, als seien Gier oder die schiere Notwendigkeit, in einem von prekären Arbeitsverhältnissen geprägten Umfeld Geld zu verdienen, größer gewesen. Wichtiger als Warnungen von Kolleg*innen oder negative Erfahrungen des Vorjahres. Vergeben, vergessen.
Dabei wirkt es, als hätten sich nach dem Her Damit-Festival 2016 bereits größere Probleme angebahnt. Im September 2016 wird eine weitere UG Dopplers ins Handelsregister eingetragen, – eine Unternehmensform übrigens, bei der die Gesellschafter*innen nicht mit ihrem privaten Vermögen haften – die Auena UG. Warum? Die Auona Event UG, die noch vor wenigen Monaten als Veranstalterin des Her Damits 2016 fungiert hatte, gab es ja noch. Allerdings beginnt im Februar 2017 das Insolvenzverfahren für eben diese Firma; Informationen dazu, in welchem finanziellen Zustand sie vor dem Verfahren war, liegen uns keine vor. Dass 2016 DJ-Gagen nur mit Verzögerung bezahlt wurden, könnte ein Hinweis darauf sein, dass sie schon damals angeschlagen war.
2017: Das Exil bricht dem Festival das Genick
Ab 2017 mehren sich die negativen Erfahrungen: In dem Jahr wechselt das Festival seinen Standort. Es zieht nach Freudenberg bei Berlin, dort gibt es eine Bunkeranlage aus den 1980er-Jahren der DDR. Die Gemeinde sehe das Festival als Chance für die Region, so der Amtsdirektor der zuständigen Gemeinde Falkenberg-Höhe gegenüber der MOZ.
Das Festival jedoch verkraftet den Standortwechsel nicht gut.
Zwei Menschen, die in jenem Jahr als freiwillige Helfer arbeiteten, bekamen ihr Geld erst, als sie mit einem Mahnbescheid drohten, beziehungsweise tatsächlich mehrere Mahnungen verschickt hatten. Fabian E. und seine Freunde zum Beispiel hätten ihren Lohn erst nach rund einem Jahr bekommen. Einer anderen Person sei klargemacht worden, dass das Festival erst auf das Geld vom nächsten Vorverkauf warten müsse, um die Löhne zahlen zu können. Von der Organisation und den Arbeitsbedingungen während des Festivals ganz zu schweigen: „Es war alles ganz schön durcheinander”, so Fabian E. So durcheinander, dass er und seine Freunde nach dem Festival sogar einen Feedback-Brief an die Festivalleitung schickten, der uns vorliegt. Darin kritisierten sie unter anderem nicht gekennzeichnete Trinkwasserstellen, die fehlende Essensversorgung der Helfer*innen, eine mangelhafte Einweisung in die Arbeitsbereiche für die Helfer*innen und „die fehlende Eigenverantwortung seitens der Eventorganisation gegenüber den Gästen und der Crew. Auffallend oft wurden Prioritäten lediglich auf finanzielle Aspekte gesetzt.”
Schlimmer noch trifft es die Securityfirma, die in jenem Jahr das Festival betreut und direkt von Doppler beauftragt worden sein soll. Auf Anfrage erklärt der Geschäftsführer des Tectum Sicherheitsdienstes, dass Stand März 2019 immer noch eine Rechnung von 12.000 Euro offen sei. Auch er sei gewarnt worden, jedoch erst nach der Veranstaltung: Die Securityfirma des Vorjahres hätte Tectum gesagt, dass bei ihnen immer noch Zahlungen ausstünden. Er fügt hinzu: „Ich glaube an Karma und jeder bekommt seine Strafe.” Denkt man an Dopplers frühere Partyreihe in München zurück, „Aura.Karma.Alles”, wirkt das Wort „Karma” darin wie ein böser Scherz.
Die Besucher*innen merken all das vor allem an Jahr für Jahr steigenden Ticket- und Barpreisen. Ansonsten erfreut sich das Festival weiterhin großer Beliebtheit, im Dezember 2017 wird es im Groove-Leserpoll auf Platz acht der Festivals gewählt.
Ein Festivalmanagement, das sich nicht um seine freiwilligen Helfer kümmert, nur nach hartnäckigem Fragen die Löhne zahlt – das ist im Vergleich zu dem, was im Jahr darauf folgen sollte, noch das kleinere Übel.
2018: Zwei Festivals, zwei Absagen und noch mehr unbezahlte Mitarbeiter
Der Her Damit-Festivalsommer beginnt unter einem schlechten Stern. Der Sommer 2018 ist ungewöhnlich heiß und trocken, „Heißzeit” wird zum Wort des Jahres 2018 gewählt. Brandenburg ist sowieso das Bundesland mit der höchsten Waldbrandgefährdung Deutschlands, in diesem Sommer ist sie aber besonders hoch. Deswegen untersagt die Gemeinde Freudenberg-Beiersdorf das Festival. Zu groß ist das Risiko. Das Festival wird Anfang September nachgeholt, jedoch einige Stunden vor Schluss aufgrund von Brandstiftungsversuchen im Umfeld des Festivalgeländes abgebrochen.
Im Juni gibt es stattdessen einen „Heat Rave” in der Berliner Griessmuehle als kleinen Ersatz. Inhaber*innen eines Festivaltickets dürfen gratis rein. Gratis sollen auch die DJs gespielt haben, laut einer anonymen Quelle. Und dennoch bleibt auch hier eine Rechnung offen: Die Griessmuehle erhielt ihre Miete nicht.
Gleichzeitig hatte sich Doppler in jenem Jahr die doppelte Menge an Arbeit und finanziellem Risiko aufgehalst: Sie hatte ein weiteres Festival ins Leben gerufen, das 7001. Am gleichen Ort, der Bunkeranlage Freudenberg, jedoch mit einem stärkeren Fokus auf Techno. Die Groove tritt selbst als Medienpartner der Veranstaltung auf. Auch bei uns sind Anzeigen unbezahlt geblieben. Die doppelte finanzielle Last könnte vielleicht auch erklären, warum das Nichtbezahlen von Arbeitskräften in diesem Jahr seinen negativen Höhepunkt findet – dieses Mal trifft es nicht nur Freiwillige oder Dienstleister*innen, sondern Teile des festen Organisationsteams beider Festivals.
Beim 7001 Festival kommt es sogar zu Absagen von DJs. Zwei Acts sagten ab, weil – entgegen der Vereinbarung – ein Teil der Gage nicht vor dem Festival gezahlt worden sei. Die Festivalorganisation soll versichert haben, die Gagen bei der Veranstaltung in bar zu zahlen. Doch, „es roch nach etwas Schlechtem”, wie einer der Acts sagt. Der Booker des anderen Acts hatte bereits schlechte Erfahrungen mit Doppler gemacht. Er appellierte an eine Handvoll befreundeter Agenturen, es ihm gleichzutun und Konsequenzen zu ziehen, wenn Vereinbarungen nicht eingehalten werden. Wären alle so konsequent gewesen, hätte das Festival wohl kaum stattfinden können. Doch der Appell verhallte ungehört. Andere Agenturen ließen mehr Spielraum und sollen die Gagen bis kurz vor dem Festival in Bargeld angenommen haben, wie ein ehemaliger Mitarbeiter berichtet. Die Zahlungsmoral Dopplers war also bereits im Sommer 2018 keine unbekannte.
Eine Person, die in die Organisation von Her Damit und 7001 involviert war, hat uns berichtet, wie es im Vorfeld beider Festivals war, für Doppler zu arbeiten. Auch sie möchte anonym bleiben, aus Angst vor juristischen Schritten seitens Dopplers. Nennen wir sie S. Sie habe bereits im Juli 2018, als die Festivalvorbereitung noch nicht einmal abgeschlossen war, kein Gehalt bekommen. Auf Forderungen habe Doppler nicht reagiert. August, September – immer noch nichts, irgendwann antwortet Doppler nicht mehr auf ihre E-Mails. Warum hat sie nicht einfach aufgehört zu arbeiten? „Das hatte viel mit dem Team zu tun. Wir wollten die anderen nicht im Stich lassen.” Sie hätten alle zum Teil 16 Stunden am Stück gearbeitet. „Irgendwann konnte ich nicht mehr klar denken.”, erzählt sie.
Neben dem Team scheint es vor allem Doppler selbst gewesen zu sein, die es schaffte, Mitarbeiter*innen zu halten. Ein Verhalten, von dem unsere Interviewpartner*innen immer wieder erzählen, sei das Vertrösten, zum Beispiel à la: „Ich habe das Geld gerade nicht da, aber du spielst beim nächsten Gig, dann kriegst du’s”, so imitiert sie ein Mitarbeiter von 2015 exemplarisch. Auch das scheibchenweise Bezahlen von Gagen sei oft vorgekommen, um Rechnungssteller*innen bei der Stange zu halten. Der gleiche Mechanismus 2018: Ein Bühnenbauer wurde nicht zum vereinbarten Zeitpunkt (vor dem Festival) bezahlt, stattdessen sollte er noch während und nach dem Festival mithelfen, dann würde er sein Geld bekommen. „Da wusste ich, dass irgendetwas faul ist”, erzählt er. Er half nicht mehr mit, sondern ging. Er war nicht mit Doppler befreundet gewesen, eine Freundin von ihm jedoch schon, daher hatte er ihr vertraut. Sein Geld bekam er trotzdem nicht, Doppler schuldet ihm noch 2500 Euro. Auch Mitarbeiter, die er selber mit in das Projekt brachte, arbeiteten im Endeffekt ohne Lohn, „Ich fühlte mich sehr verantwortlich, weil ich sie eingeladen hatte, für Doppler zu arbeiten”, sagt er. Zum Teil wurde es sogar existenzgefährdend – eine andere Quelle bangte darum, ihre Miete nicht zahlen zu können.
S. hingegen kannte Doppler schon länger. Sie seien nicht beste Freundinnen, aber durchaus befreundet gewesen. Wobei ihr jetzt im Nachhinein aufgefallen sei, dass sie gar nichts Persönliches über sie wusste. Sie seien ab und zu ausgegangen, Doppler habe sie dabei meist eingeladen. „Sie hat mich nett gehalten”, so S. „Leute, die ihr wichtig waren, wurden bezahlt.” Dass Doppler Wert darauf gelegt habe, mit für sie wichtigen Leuten gut zu stehen, bestätigen andere Quellen.
Eine gute Verkäuferin
Viele der Menschen, mit denen wir gesprochen haben, glauben, dass Doppler ihre ausbeuterischen Geschäftspraktiken geplant habe. Vieles sei nicht schriftlich festgehalten und stattdessen am Telefon ausgemacht worden. Das erschwert es, im Nachhinein Beweise zu erbringen. „Sie war extrem berechnend und manipulativ”, so S. Manipulativ, das Wort fällt öfter, wenn man Dopplers ehemalige Mitarbeiter*innen nach ihrem Charakter fragt. Schließlich konnte sie Leute davon überzeugen, dass sie ihren Lohn bekommen würden, wenn sie weiterarbeiteten. Viele sagen, sie seien mehrfach angelogen worden. Das ist psychisch nur an wenigen unserer Interviewpartner*innen spurlos vorübergegangen. Die beiden Mitgründer des Her mit dem schönen Lebens attestieren ihr eine besondere Fähigkeit, Menschen für ihre Projekte zu begeistern: „Sie ist eine verdammt gute Verkäuferin.” Eine Fähigkeit, die ihr vermutlich dabei geholfen hat, Jahr für Jahr neue Mitarbeiter*innen für ihr Festival zu gewinnen, nachdem immer wieder vergraulte, nicht bezahlte Menschen ausgeschieden waren. Leute, durch die eigentlich hätte bekannt werden können, dass Dopplers schlechtes Zahlungsverhalten sich jährlich wiederholte.
Denn die große Frage ist und bleibt: Warum waren Dopplers Praktiken nicht weithin bekannt? Warum wurde das Wissen über sie ignoriert und vergessen, statt publik gemacht zu werden? Wie kann es in dieser Szene sein, dass DJs nach sexistischen Aussagen (zu Recht) ihre Karriere an den Nagel hängen können, während eine Person in gehobener Stellung jahrelang Menschen ausbeuten kann und ungeschoren davon kommt?
Eine eindeutige Antwort gibt es nicht. Einerseits scheint sie sich bewusst immer wieder neue Gruppen von Menschen gesucht zu haben. Zunächst München, wo die Szene kleiner ist als in Berlin. Dann Berlin, wo viele Szenen in einer Stadt sind. Außerdem standen oft junge Künstler*innen auf dem Line-Up, was sich musikalisch zudem als innovativ verkaufen lässt. „Erfahrene Hasen waren selten dabei. Es waren immer komplett andere Kreise”, so ein ehemaliger Bekannter Dopplers aus München. Für 2019 hatte Doppler bereits den nächsten Kreis im Visier: Sie soll britische DJs wie Joy Orbison und Peach angefragt haben, wiederum ein Schritt raus aus der Berliner Szene. Doch anders als in der Vergangenheit gab es dieses Mal eine eindringliche, breit gestreute Warnung einer ehemaligen Mitarbeiterin.
Denn ähnlich wie für diesen Artikel die meisten Quellen anonym bleiben wollten, hielten sich ehemalige Mitarbeiter*innen Dopplers in der Vergangenheit mit Statements stets zurück. Stand doch ihr Klarname unter einem Statement, wie bei einem Beitrag von Resident Advisor geschehen, sollen einige Post von Dopplers Anwalt bekommen haben. Viele sagen, sie wollen sich nicht mehr damit beschäftigen und die unangenehme Erfahrung hinter sich lassen. „Viele haben sich so hintergangen gefühlt, dass keiner wieder davon sprechen wollte.”, so ein Mitarbeiter früherer Festivalausgaben. Die teils vergeblichen Versuche, an ihren Lohn zu gelangen, seien für viele nervenaufreibend genug gewesen. Andere fürchten – zu Recht, wie der Fall mit Resident Advisor zeigt –, dass Doppler rechtliche Schritte gegen sie einleiten könnte.
Andererseits sind die Bedingungen, um einfache Mitarbeiter*innen nicht zu bezahlen, in einer von Informalität geprägten Szene ideal. Ein DIY-Vibe, der Verzicht auf Bürokratie, sowas ist eben Techno, kann man sagen. Wo früher ein Handschlag gereicht haben mag, sind heute Verträge notwendig, um sich und andere zu schützen. Zudem geht es bei einigen der offenen Zahlungen nicht um Beträge einer existenzbedrohenden Größenordnung. Wegen 300 oder 400 Euro schaltet man nicht unbedingt Anwält*innen ein. Da kann die Angst schnell groß sein, dass der Aufwand finanziell und zeitlich nicht lohnt. Für Dopplers Seite hingegen rechnet es sich durchaus, wenn sich solche Beträge läppern.
2019: Festivals in Planung, trotz Insolvenz
2019 wollte sie eigentlich weitermachen, Early-Bird-Tickets für das Her Damit-Festival wurden bis Ende Januar verkauft. Doch die bisherige Veranstaltungsfirma (die dritte Gründung Dopplers), die Auena UG, war schon im Dezember an die BonneChance Verwaltungs GmbH verkauft worden, um am 15. Januar Insolvenz anzumelden. Zur neuen Geschäftsführerin war eine Frau G. bestellt worden, die auf unsere Anfragen nicht reagierte.
Auch das 7001-Festival war bereits angekündigt, es sollte zum letzten Mal in der Bunkeranlage stattfinden. Eine Nachfrage bei dem für Freudenberg zuständigen Bauamt lässt sogar daran Zweifel aufkommen: Eine erneute Durchführung des Festivals „hätte die Gemeinde aufgrund der Lautstärke nicht mitgetragen”, so ein dortiger Mitarbeiter.
Doch was sagt Luisa Doppler zu alldem? Auf Anfrage erklärte sie sich bereit, unsere Fragen innerhalb einer angemessenen Frist zu beantworten. Doch nach Übersendung der Fragen und mehrmaligem Nachfragen folgte: Vertrösten. Schließlich nichts. Ihre Methode scheint sie also beizubehalten.