Die Wahl zwischen den Stages fällt in dieser Samstagnacht dementsprechend schwer: Klassischer Electro von Stingray, stimmungsvoller Deep-House des Hessle Audio-Trios oder ein eng-an-eng-Rave mit einem energiegeladenem Publikum zu Blawans düsteren Techno-Klängen? Ich entscheide mich für ein eklektisches Wechselbad aus unterschiedlichen Stilen, das DJ Sotofett auf der vom PIP-Club programmierten Stage anbietet. Das Ende übernimmt nach Blawan Mitveranstalter Lex Rutjes mit einer dankbaren Ansprache an das jubelnde und fahnenschwingende Publikum. Die Fahnen werden traditioneller Weise immer am Ende einer jeden Crave-Party verteilt – ein Identitätsritual, welches das euphorische Finale des Festivals einleitet.

Während sich hinter der Main Stage das Zusammenspiel aus Trockeneisnebel und Licht beruhigt und nur die Diaprojektoren noch die Bäume des kleinen Wäldchens neben der Chill-Area beleuchten, geht es weiter in den legendären PIP-Club – dorthin also, wo für die Crave-Crew mit ihren Parties alles anfing und wo für mich der Abend sein Ende nehmen soll. Der PIP-Club ist neben dem Whoosah-Beach-Club und dem Het Magazijn einer der drei Afterhour-Locations des Festivals.

In dieser Nacht wird dort die Killekill-Crew von Labelchef DJ Flush und Alienata vertreten. Der im Backsteinstil gehaltene Club mit drei Floors liegt in der Nähe des Office der Crave-Crew, wo sich nach Ende eines langen Rave-Tages ein Platz auf der Couch wie ein Himmelbett anfühlte.

Alienata

Viel Schlaf aber ist nicht zu haben: Eine pochernde Kickdrum lässt nicht dran denken. Am Eingang des Offices vorbei schlängeln sich Menschen in den Keller. Die Neugier zieht mich durch ein bunkerähnliches Gewölbe und zwei schwere Tresortüren weiter hinab durchs Gebäude. Die zweite Tür öffnet sich zu einer Szenerie, die mich denken lässt, dass ich den PIP-Club nie verlassen hätte. In einer urigen und dunklen Bar und einem DJ-Setup auf dem Tresen läuft die Party hier mit 15 Leuten auf 130BPM weiter. Joris und andere DJs der Crave-Crew mixen bei einem B2B2B2B mit der Killekill-Crew weiter Electro-Tracks. Der Vibe ist unbeschreiblich persönlich, enthusiastisch, irgendwie szenig.

Auf dieses geheime Highlight folgt am Sonntagabend ein dramaturgisch hervorragendes Set von Palms Trax am Nordseestrand, die wirklich letzte Afterhour im Whoosah-Beach-Club. Feierbegeisterte, die auf der Straße vor dem Office sitzen, hoffen danach noch erwartungsvoll auf einen weiteren Rave im Bunker, doch mehr als ein Bier ist nicht drin: Ende im Gelände.

Was bleibt, ist viel Haager Spirit. Das Crave Festival und vor allem die Crew dahinter zeigte an diesem Wochenende, was dabei herauskommt, wenn eine aufstrebende Szene zusammenhält, alte Hasen und Newcomer sich gegenseitig unterstützen und mit Leidenschaft genauso wie mit viel Professionalität einfach macht. Der historische Haager Electro, er bekam hier ein frisches Gesicht, das die prägenden Falten darin nicht verliert.

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