Sie meinen, mehr in die Richtung wie etwa Kieran Hebden alias Four Tet mit dem dieses Jahr verstorbenen Schlagzeuger Steve Reid zusammengearbeitet hat?
Ja, ganz genau. Meine Besessenheit mit Tony Allen hält jetzt übrigens schon eine ganze Weile an, seit 1972, um genau zu sein. Als die Talking Heads zum ersten Mal in meine Wohnung kamen, 1977, da habe ich sie gefragt: „Wollt ihr die Zukunft der Musik hören?“ Und dann habe ich ihnen ein Fela-Kuti-Stück vorgespielt, bei dem Tony Allen Schlagzeug spielt, und vielleicht wurde das dann nicht die Zukunft der Musik, aber es wurde zumindest die Zukunft der Talking Heads. Wenn man sich das dritte Album anhört, das wir zusammen aufgenommen haben, Remain In Light (1980), wird der Einfluss deutlich.


Stream: Brian Eno with Jon Hopkins & Leo Abrahams – 2 Forms Of Anger

Wie erklären Sie sich, dass Musikproduzenten heute zu den größten Stars im Musikgeschäft gehören?
Dazu muss man erst mal klären, was ein Musikproduzent überhaupt ist. Das ist ja ein lustiger Begriff. Leute, die mit Musik nichts zu tun haben, denken, dass er so etwas wie ein Filmproduzent ist. Oder auch ein Toningenieur, der die Sounds nett klingen lässt. Und es stimmt ja beides. Es gibt Produzenten, die nur die Sessionmusiker organisieren. In Kanada habe ich mal einen Produzenten getroffen, dessen Hauptbeitrag war, dass er sich für den besten Fade-out-Künstler der Welt hielt. Er bestand darauf, jeden Song eigenhändig auszufaden. Einmal schlief er über dem Mischpult ein, seine Hand noch am Fader. Als es an der Zeit war, den Fade zu machen, zog ihn der Toningenieur einfach auf seinem Stuhl nach hinten, und der Fade war im Kasten (lacht). Das ist das eine Extrem, das andere sind Produzenten wie Giorgio Moroder, Phil Spector oder eben heutige R’n’B-Produzenten, die die ganze Musik erschaffen und bestimmen, wo es hingeht, wem es gehört und so weiter. Ich falle wohl irgendwo in die Mitte dieser Extreme. Gruppen, die sich schon sehr lange kennen, hören meist auf, sich zu überraschen, weil jeder schon weiß, was der andere vorhat. Deshalb engagieren sie dann mich. Ich bin das Zufallselement, das die Dinge zu einem anderen Muster zusammenfügt. Eine Art Randomisierer.

Große Produzenten sind nicht selten unberechenbare, extreme Persönlichkeiten. Sie scheinen hingegen eher sehr besonnen zu sein. Was führt Ihrer Meinung nach zu diesen Extremen? Und wie haben Sie diese selbst vermieden?
Nun, ich nehme an, dass Drogen eine wichtige Rolle dabei spielen. Und ich war noch nie ein großer Drogenkonsument. Aber wenn man als Produzent lange Außenseiter war und nicht anerkannt wurde und dann plötzlich eine Reihe von Millionenhits hat wie zum Beispiel Phil Spector, dann kann das zu Größenwahn führen. Das war jedoch nie das Profil meiner Karriere. Ich hatte nie eine Reihe von Riesenhits, und ich habe mich nie als missverstandenes Genie gefühlt. Ich habe vorhin von Besessenheit gesprochen. Und Phil Spector war definitiv besessen. Es heißt, dass er für seinen Hit „To Know Him Is To Love Him“ eine kurze Streicherpassage 34 Mal hat neu aufnehmen lassen. Er nahm jede neue Aufnahme nach einem Studiotag mit nach Hause, hörte sie die ganze Nacht durch an und ließ sie am nächsten Tag erneut einspielen. Um so etwas zu machen, muss man schon ein bißchen verrückt sein. Aber am Ende war es vermutlich die beste Streicheraufnahme, die je auf einer Platte zu hören war. Meine Besessenheit ist etwas anders gelagert. Ich bin besessen von der Frage: Wozu ist Kunst da? Warum interessieren sich Leute dafür, welche Farbe ihr Pullover hat oder welche Musik sie hören? Man denkt, das sei eine Frage, die schon jemand vor Ewigkeiten ein für alle Mal beantwortet haben muss. Man beschäftigt sich ständig mit Detailfragen, aber für mich ist diese fundamentale Frage noch immer unbeantwortet. Und so lange das so ist, arbeite ich weiter.

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