Ja, mit Honey Dijon in ihrer Wohnung über höhere spirituelle Frequenzen und kreative Resonanzen zu sprechen und sich von ihr auch erklären zu lassen, warum Auflegen für sie viel mit sexueller Energie zu tun habe und damit, „carnality“, also Fleischeslust, zu kanalisieren, das ist wunderbar. Allerdings sitzt Honey Dijon gerade auf glühenden Kohlen. „Ich liebe dieses Interview, aber ich liebe auch, dass ich in einer Viertelstunde in Kreuzberg einen Termin bei meinen Freunden von dem Modelabel GmbH (siehe Labelporträt in Groove #163) habe und mir Sachen aus deren neuer Kollektion zurücklegen lassen kann“, sagt sie – und schlägt vor, das Interview im Taxi fortzuführen. Sie läuft über die Torstraße und winkt einen Wagen heran, dabei kommt ihr auf dem Gehweg ein hip angezogenes Mädchen entgegen, das sie gebannt anstarrt – nicht mit diesem Mann-oder-Frau-Blick, sondern mit dem „Oh mein Gott, das ist Honey Dijon“-Blick.

Sie selbst irritieren solche Momente. „Es ist komisch, auf der Straße erkannt zu werden“, sagt sie im Taxi. „Ich bin ja nicht DJ geworden, um berühmt zu werden. Ich wollte einfach Künstlerin werden. Eine Künstlerin, die Fragmente einer Kultur zusammenfügt, die ich selber nicht geschaffen habe. Ich will eine Konversation weiterführen, will Stimmen wieder hörbar machen, die ihre eigenen Geschichten nicht mehr erzählen können.“

Ask The DJ: Honey Dijon

Hier sind wir also – höchste Zeit, sowieso – bei der politischen Dimension von Honey Dijons DJ- und Produzentinnen-Karriere. Sie lässt sich von der Musik nicht trennen. Honey Dijon gehört zu denjenigen Menschen, die in den USA in den Achtzigern und Neunzigern erlebt haben, wie nahezu zwei Generationen meist homosexueller Männer, viele von ihnen schwarz, durch HIV und Aids ausgelöscht wurden. „In meinen Augen hat das die Dance-Kultur zerstört und zu ihrer Homogenisierung geführt“, sagt sie und meint damit: Wenn heute viel über die „Bro-ification“ der Dance-Kultur diskutiert wird, also darüber, dass weiße, heterosexuelle DJs die Dance-Kultur dominieren, dann liegt das auch daran, dass viele Pioniere nicht mehr leben.

Honey Dijon sieht ihre Aufgabe darin, mit ihren Sets und Interviews, und auch mit ihrer körperlichen Präsenz, immer wieder daran zu erinnern, dass die Dance-Kultur ursprünglich mal ein von queeren schwarzen Menschen für andere queere Menschen geschaffener Zufluchtsort war, für „freaks and faggots“, wie sie sagt, für Transsexuelle, bevor sie Transgender hießen.

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