Fotos: Florian Hetz
Zuerst erschienen in Groove 168 (September/Oktober 2017).

Honey Dijon gehört zu den aktuell gefragtesten House-DJs. Sie spielt nicht nur in den renommiertesten Clubs, sondern wählt auch die Musik für Modeschauen einiger Luxushäuser aus. Und sie befindet sich an einer Schnittstelle, an der sich die Diskurse über Gender, Rassismus und Sexismus kreuzen. Mit ihrer Arbeit und Präsenz erinnert sie daran, dass die Dance-Kultur ursprünglich mal ein von queeren schwarzen Menschen für andere queere Menschen geschaffener Zufluchtsort war. Im Herbst 2017 erschien ihr erstes Album.

„Huhu, ich bin jetzt eine richtige Berlinerin“, winkt Honey Dijon von dem weinroten Damenrad, das sie sich gerade für 180 Euro gebraucht gekauft hat. Sie schließt es vor ihrer Wohnung in der Torstraße in Mitte ab, die sie im vergangenen Winter von einem Freund übernommen hat, das heißt: Honey Dijon schläft in Berlin jetzt nicht mehr in Hotels, Airbnb-Wohnungen oder bei Freunden, sondern sie hat ihre eigenen vier Wände. Ihr altes Apartment in Chelsea in New York behält sie natürlich, sie lebt in beiden Städten.

Wann sie zum ersten Mal in Berlin war? „Oh, das muss 2001 oder 2002 gewesen sein. Die Macher des Ostgut hatten mich gebucht und ich bin erst mal durchgedreht, weil ich vorher noch nie in einem Raum voller weißer schwuler Skinheads war. Ich liebe Berlin, die Stadt hat mein Denken verändert!“, schwärmt Honey Dijon, während sie ihre Wohnung aufschließt. Drinnen lässt sie den Packen Modemagazine, die sie gerade gekauft hat, auf einen Stuhl plumpsen. Die Rollläden sind heruntergelassen, es ist Nachmittag, draußen strahlt die Sonne. In einer Ecke steht die Leder-Plattenkiste, die der Modedesigner Kim Jones, ein guter Freund von ihr, extra für sie bei Louis Vuitton hat anfertigen lassen.

Zu Hause ankommen, oder vielmehr: überhaupt ankommen. Das ist bei Honey Dijon gerade Thema – nach all den Jahren, in denen sie in Bars und Cruising-Clubs,
in kommerziellen weißen Schwulendiskos und kommerziellen schwarzen Schwulendiskos auflegen musste. In Ersteren wollten alle nur Britney Spears und Madonna hören, in Letzteren Beyoncé und Rihanna. Honey Dijon fühlte sich selten ernst genommen, nach einem Booking wusste sie meist nicht, wann ihr nächstes Booking sein würde. Ankommen, darum geht es auch körperlich. Honey Dijon nennt es ihre journey to truth, und damit ist nicht allein die Anpassung ihres biologischen Geschlechts (männlich) an ihr empfundenes Geschlecht (weiblich) gemeint. Das Fachwort transition hasse sie, erklärt Honey Dijon, „denn jeder Mensch auf diesem Planeten befindet sich andauernd in einer verrückten transition“. Von jung zu alt, von dick zu dünn, von glücklich zu traurig oder andersrum. Seinen Platz zu finden und zu behaupten, darum geht es beim Ankommen. Das ist das Thema.

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