Neben dem Kuratieren: Beeinflusst das Politische auch eure musikalische Arbeit als DJs?
ENA: Als Kuratorin hat man viel mehr Möglichkeiten. Als Musikerin weiß ich nicht genau, wie ich politisch sein kann, außer auf Social Media laut zu sein. Als Kuratorin kannst du auf vielen Ebenen Entscheidungen treffen: im Booking, in der Visual Art, wen man reinlässt, wie man mit Problemen während der Party umgeht, wie man die Künstler behandelt, die Crowd. Alles eigentlich.
Was waren dabei die größten Herausforderungen für dich?
ENA: Als wir MINT gemacht haben, haben wir oft Kritik
von Männern bekommen, weil sie nicht auf unseren Party spielen durften.
TBM: (lacht) Sorry, aber das ist ja echt zum Totlachen!
ENA: Ja, oder? Ich hab ihnen gesagt: „Wenn du ein Problem hast, mach doch deine eigene Party, wo Frauen nicht spielen dürfen.“ Moment … ups! Da gibt’s ja schon Tausende von.
TBM: Wir nennen das Techno. Wir als Künstler können auch Einfluss auf das Line-up nehmen. Ich kenne Männer, in deren Verträgen steht, dass sie nur auftreten, wenn ein gewisser Prozentsatz des Line-ups weiblich ist. Die reden da nicht öffentlich drüber und erwarten keine Anerkennung dafür, das ist ein richtiger Weg. Wenn du Einfluss hast, nutze ihn, um Leute zu unterstützen, die anders sind als du. Viele von uns werden gefragt, wen wir als Support-Act haben wollen. Das ist unsere Chance, nicht nur Leute aufs Line-up zu bringen, die sowieso gehypt sind. Es darf auch nicht nur um Frauen gehen. Weiße müssen PoCs (People of Colour) helfen, Geld zu verdienen. PoCs ein Einkommen zu sichern ist die reinste Form des Aktivismus. Wir müssen uns klarmachen, wie Macht verteilt ist.
Wie siehst du das, Sarah?
SARAH: Für mich als nicht-weiße, weibliche Person ist meine bloße Präsenz ein Statement. Wenn ich in kleinen Städten wie Saarbrücken oder Kassel spiele, bin ich oft die einzige weibliche DJ. Dann sagen Leute zu mir: „Du spielst ja wie ein Mann! Und dann hast du diese Haare!“ Das haut manche Leute echt um! Ich denke, ich kann helfen, den Weg zu ebnen. Mir ist es wichtig, das Positive zu stärken, ich poste keine langen Statements auf Facebook, ich nutze Hashtags, so was wie #goodvibesonly #showlove #onelove. Die sind ein bisschen cheesy, aber ich bin einfach dafür, das Positive zu stärken.
Wie ist es auf deinen eigenen Partys?
SARAH: Uta und Ich organisieren die Partyreihe Rec Room in Berlin. Wir achten im Booking auf Diversität, aber wir promoten es nicht so. Die Leute merken es einfach selbst. Wir sind ein safe space für Frauen, ohne dass man dem Ganzen diesen Stempel aufdrücken muss.
TBM: Als ich eine Residency bei XOYO in London hatte, war es ähnlich, das Line-up war fast immer ausgeglichen zwischen Männern und Frauen, PoCs, und Queers. Aber sie haben das nicht so vermarktet, man sollte keine zu große Sache draus machen.
Damit es Normalität wird?
SARAH: Ja. Einmal hat mich ein Autor in einem Artikel genannt: „Fest steht, bei diesen fünf DJanes ist deine Nacht in den besten Händen“. Er hat ein paar echt nette Sachen gesagt, aber ich dachte nur: „Warum muss jetzt schon wieder über mein Geschlecht geschrieben werden?“ Statt einen Post zu machen, hab ich ihn dann angerufen, um ein nettes Gespräch auf Augenhöhe zu führen.
Das ist mutig. Wie war das Gespräch?
SARAH: Wir haben lange telefoniert. Ich hab mich bedankt und gesagt: „Schau, ich möchte in einer Welt leben, in der Gender und Hautfarbe keine Rolle spielen. Wie kommen wir da hin? Stell dir vor, du hättest den Artikel geschrieben, ohne unser Geschlecht zu erwähnen! Dann wären die Leser vielleicht von selbst drauf gekommen, dass auch Frauen auflegen können.“
TBM: Es gibt viele Leute, die helfen wollen, aber es leider falsch machen. Vor allem diejenigen, die sich beim Sich-Selbst-auf-die-Schulter-Klopfen die Arme brechen. Die fühlen sich wie Wohltäter.
Wie sieht es beim Boiler Room mit Diversität aus?
MICHAIL: Es gibt ein Bewusstsein für den Diskurs, den wir auch versuchen in unserem Programm abzubilden. Es hat in der Vergangenheit nicht immer funktioniert, aber wir arbeiten dran. Die Leute, die beleidigende Kommentare abgeben, gab’s von Anfang an. Wir trennen uns von Leuten, die nichts Positives beitragen, und gehen offen damit um. Wir bekennen Farbe, weil wir eine Projektionsfläche der elektronischen Musik-Community sind, und verstehen die Themen innerhalb der Community. Wir versuchen, den Dialog so offen wie möglich zu halten.