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[REWIND 2022]: Die 10 besten Compilations des Jahres

Die Überschrift sagt alles: Hier die zehn Compilations, die für uns das Jahr über herausragten. Die 20 Mixe des Jahres findet ihr hier.

Accelerationism – I Skog og Mark (Ute.Rec)

HÖR-DJs hören weg: Trance ist okay. Um die Schubladen zum Vier-Uhr-Wässerchen in Schwingung zu bringen, muss man nicht unbedingt zu Karl-Schranz-Gedächtnisgeballer mit 165 Beats über MDMA-Depression-Pads treiben. Techno mit fixierter Lichthupe überholt sowieso links. Dass die Freunde vom norwegischen Wald- und Wiesenlabel Ute.Rec Mensch-ärgere-dich-nicht-Melodien und Sechszehntelbässe aus dem Strandurlaub auf Ibiza mögen, ist trotzdem kein Geheimnis.

Man klopft der dänischen Szene auf die angekokelte 303 und dreht die Synthesizer, Synthesizer, Synthesizer auf Ecstasy-Tränen-Presets. Accelerationism, das Ute-Duo um Ekkel und Marius Bø, haben mit I Skog og Mark einen Mix aufgenommen, zu dem Gnome, Waldelfen und andere Kräuterhexen von den richtigen Pilzen naschen. Gott wird zu einer Lichtung oder einem Ahornbaum, den sie verzweifelt zu umarmen versuchen. Stunden später pflücken gesegnete Geister noch immer Beeren von Sträuchern. Kein Wunder, Accelerationism mischen Künstler:innen wie Mikkel Rev, Kineta und Alpha Tracks – alles andere als Hobbypsychonauten in psychedelischem Tröten-Trance und Self-Care-Techno. Das funktioniert so gut, dass man nach dem Hören über den Kauf einer Haremshose nachdenkt. So, und jetzt hören HÖR-DJs wieder hin: Trance ist echt: ganz okay! Christoph Benkeser

DJ Sprinkles & Mark Fell – Incomplete Insight (2012-2015) (Comatonse)

DJ Sprinkles, ob solo oder mit anderen, reißt stets die Zeit auf. Sie dehnt sie, während sie sie gleichzeitig mit minimalen Mitteln verkleinert, ohne an Unendlichkeit einzubüßen.

Auf Incomplete Insight (2012-2015) vergrößert sie nun ihr ohnehin sehr umfangreiches Werk mit einer Doppel-CD. Sie enthält Kollaborationen mit dem britischen Künstler und Produzenten Mark Fell, ebenfalls seit über zwei Dekaden bekannt für sozialpolitisch aufgeladene Tanzmusik. Ihre vor langer Zeit bereits als 12-inch veröffentlichten Tracks wie „Fresh” aus dem Jahr 2015 werden hier durch zehn unveröffentlichte Stücke und Bearbeitungen erweitert.

Besonders die zweite CD überrascht. Sie enthält unter anderem einen 19 Sekunden und einen eine Minute andauernden Track. Ungewöhnlich kurze Arrangements für beide Produzent:innen, die komprimiert die Magie ihrer Zusammenarbeit kurzweilig konservieren. Ansonsten überall grandiose Deep-House-Epik. Über zweieinhalb Stunden lang verzaubern sie mit wärmenden Basslines, trockenen Drum-Machine-Rhythmen, Masse aufsaugenden Dub-Atomen und soziokulturell aufgeladenen Samples etwa vom britischen Gewerkschaftler Arthur Scargill oder dem ebenfalls britischen Politiker Tony Benn.

Im Verbund wirken alle Tracks ähnlich wie Rhythm & Sound in Dauerschleife: sie verwandeln den Geist, lassen die Zeit zerfallen und kreieren jene einnehmende Balance aus emotionaler Hitze und kultivierter Dancefloor-Intelligenz, die den Deep House von DJ Sprinkles & Mark Fell so essenziell tief macht. Michael Leuffen

Snippets findet ihr im digitalen Plattenladen eures Vertrauens.

Heavenly Remixes 3 & 4 – Andrew Weatherall Volumes 1 & 2 (Heavenly)

Für die musikalische Entwicklung von Industrial, Punk- und Gothic-Rock zu New Wave, Synth Pop, Manchester Rave, Acid House und Ibiza-/UK-Rave steht in der Regel Tony Wilsons Label Factory aus Manchester. Ende der 1980er Jahre tauchte aus dem wilden Akai- oder Emu-SP1200-Sample-Gebräu der UK-Acid-House-Szene aber auch das Londoner Heavenly Label von Jeff Barett auf. Musikalisch baute das jedoch eher die Independent-Rock-Wurzeln von Madchester-Rave aus. 

Saint Etienne, The Doves, Manic Street Preachers, Primal Scream waren die Londoner Indie-Antwort auf die Happy Mondays, New Order, Joy Division oder Oasis. Dennoch spielten der Heavenly Social Club oder die Sunday-Social-Clubnächte des Labels, bei denen die Chemical Brothers vor ihrer Weltkarriere als Resident-DJs Platten auflegten, in dieser Indie-Rock-Kultur eine wichtige Rolle. Als Melting Pot war London in den 1990er Jahren das Mekka für die Vermischung verschiedenster Musikstile. Der „3rd Record” – der neue Track, der durch das Übereinanderlegen zweier Musikstücke entsteht – war die Basis für diese Genrevielfalt. DJs griffen in diesen Produktionsprozess erstmalig als neue, andere Art von Musiker:innen ein.

Einer der wichtigsten Musikproduzenten in diesem chemisch-psychedelischen 90s-XTC-Gemisch aus Live-Bands, Acid-House-Clubnächten, Drogenexperimenten, elektronischer Musik und DJ-Culture war Andrew Weatherall. Seine Warp-Veröffentlichungen als Sabres In Paradise oder Two Lone Swordsmen bleiben unvergessen. Die neue Heavenly-Compilation versammelt mehr oder weniger vergessene, frühe und aus heutiger Sicht herrlich unkonventionelle Dance-Remix-Experimente von Weatherall, bei denen er den Output von Heavenly bearbeitete. NoWave trifft auf Acid („Bubblegum”), elektronische Sample-Psychedelik schwebt über klopfenden 808-Kicks („Chwyldro”), Reverbstimmen grölen über Rockbreaks („Sugar Tastes Like Salt”), CR-78 Congas reiten auf Cowboy-Rock-Cosmic-Disco („Compulsion”), SH-101-Pophouse-Bässe untermalen Soulgesang („The World According To Sly & Lovechild”), Gongadisco-New-Beat-Swing verspielt sich in Dub-Samples („Only Love Can Break Your Heart”). Mirko Hecktor

HgB-17 – Refraction of Light (Amniote)

Der Goa-Ferdl schwebt seit drei Tagen zwischen Tarnnetzen und Tannenzapfen. Die Psytrance-Uschi sammelt wieder Pilze. Der Tekkno-Hansi bastelt am 32. Traumfänger. Mitten im Wald hüpfen plötzlich Gnome und Elfen um ein Lagerfeuer, versprühen Feenstaub und geben sich gegenseitig lustige Namen. Jörmungandr oder Zyrsen Grystal. Agæmna oder Gremxula. Xenodermus, Astrotia, Ferox Maw. Nein, das ist keine Asterix-Geschichte.

Die Geschöpfe hinter Amniote Editions, dem Irgendwas-mit-Internet-Label aus dem Metaverserum, haben die Waldgeister für HgB-17 – Refraction of Light von der Lichtung ins Studio geschleppt. Dort wartete nicht nur der kalte Entzug mit Superfood-Substis, sondern auch die ein oder andere Techno-Maschine. Die Gnome und Elfen produzieren. Reihen Kickdrum an Kickdrum („Pan”), zerdrücken die letzten Pillen auf Regenbogen-Pads („Tellurian Gait”) oder packen das Berghain unter Fichtennadeln aus („Literomancer”). Zwischendurch drehen sich die Drum’n’Bass-Heads einen Ofen („Spinning Plates”), während sich der Goa-Ferdl von den harten Jungs auspeitschen lässt („Pavimentum”). Wer was für Eso-Electronica mit Räucherstäbchen-Rabatz übrig hat und trotzdem manchmal ballern will, kommt mit dem Teil voll auf seine Lichtung. Christoph Benkeser

Needs (Not Wants) – Retrospective (Rush Hour Music)

Teile Deutschlands waren bis in die 1990er ganz schön kaputt. Frankfurt am Main etwa lag irgendwo zwischen Crack-Central und Babystrich-Ausbeutung unter der Skyline bundesdeutscher Banken. Die Wiedervereinigung hielt neben der konservativen Leitkultur (Kohl-Ära/ Nine-to-five-Job) wenig alternative Lebensmodelle für die Generation X bereit. Zur Auswahl standen Punk, Ted, Mod, Slacker, Grunge, Heavy Metal, Hip Hop.

Daneben existierte aber die noch undefinierte, erlösende, elektronische Musik im Post-Disco-Kontext. Dort suchte die weltoffene Jugend ihre Big-City-Lights-Träume in den mehr oder weniger verlassenen Innercitys in Clubs (wie dem Omen) oder an (post-)industriellen Orten (Dorian Gray, Robert Johnson), mit fiktiven Vorstellungen von nie bereisten Sehnsuchtsorten. London, Chicago, Manchester, New York und Detroit. In Plattenläden (Delirium, Freebase) erkundeten sie deren Soundarchitekturen. Und verorteten sich damit auf ihren eigenen sonischen Landkarten. Diese Ursprungsorte der elektronischen Musik und deren vorpolitische Diskotheken waren im transatlantischen Feedback jedoch ihrerseits durch westdeutsche 70s-Disco-Phänomene geprägt. „House … it’s not actually disco’s revival, it’s disco’s revenge”, raunte 1990 der House-Godfather Frankie Knuckles dem Musikjournalisten Jon Savage zu und spielte im Warehouse in Chicago doch Electronic-Disco. Was Giorgio Moroder für den Foor-To-The-Floor-lastigen Munich-Sound war, war Eurodance-Produzent Frank Farian für die Boogie-Disco von Offenbach und Frankfurt.

Der Disco-Gestus aus den Offenbacher Europasound Studios – in denen Farian seine Welthits produzierte – ging nie wieder ganz verloren. In diesem historischen Kontext stehen auch die Needs (Not Wants)-Labelmacher Marek und Lars Bartkuhn und Jan „Yannick” Elverfeld. Denn um 2000 lagen dort mit ihren Clubnächten im Robert Johnson und ihrem Boobjazz-Act auf C-Rocks Label Stir 15 ebenfalls ihre Wurzeln. Und in ihrem Grüne-Soße-House – ein Begriff, den ein Autor der GROOVE in Bezug auf ihre Stir-15-Musikproduktionen erfand – verrührten sie die deutschen Tanzflächen mit purer Electronic-Boogie-Attitude zu einem extrem stimmigen, sämig-deepen und geschmackvoll-heilenden Sieben-Kräuter-Mix.

In Tracks wie Doctor Ms „Jam Park” und Passion Dance Orchestras „Discover The World” wird diese gut gelaunte Chicago-Boogie-Nähe heute noch einmal besonders deutlich. Sonst bietet die Labelretrospektive auf Rush Hour Westlondoner Broken Beats („We Are What We Are”), Balearisch-Detroiter-Disco-Piu-Triolenverspieltheit in der Art des Detroit Soul Projects („Brother”), Discotrain-Laidback-Mover a lá Nettohouz („Dreams”), Larry-Heard-State-of-the-Art-Chicago-House-Stabs-Flächen-Groover und angejazzten NYC-Garage-Strictly-Rhythm-Synth-Xylophone („Inner Glow”). Need! Mirko Hecktor

Planet Love Vol. 2 – Early Transmissions 1990 – 1995 (Safe Trip)

Wer ein Sucker für schöne Akkordfolgen ist, verdrückt heimlich ein paar Ecstasy-Tränchen, weil Trance wieder so in ist wie Yeezys von Kanye. Amsterdam’s finest, Young Marco, hat das schon letztes Jahr gecheckt und die Schleusen hochgerissen.

Mit Planet Love erschien auf Safe Trip eine Compilation, auf der sich Melodien wie Regenbogenfarben über der Vierviertelkick auskotzten. Denn: Mayday, Mayday, die Pille-Palle-People sind gelandet und bleiben jetzt erst mal hier. Schließlich beamt sich der Nachfolger Planet Love Vol. 2 über zwölf Trance-Tracks zurück in die Nineties. Den Null-acht-fuffzehn-Bums mit Piano-Geklimper aus der Rauchwarenhandlung für Nachwuchsesoteriker findet man auf der Platte aber – zum Glück, puh! – nicht.

Sven Väth darf sich zwar den Strohhut mit „L’Esperanza” überm ausgedünnten Haupthaar zurechtrücken. Vom Rest haben bisher trotzdem nur Mittvierziger gehört, die vor 20 Jahren den Kaugummiautomaten leer geräumt haben. Redeye macht mit „A Source” Schleichwerbung für Zimmerbrunnen in Zahnartzpraxen, Lazer Worshippers greift auf „Free Flight” in die Instrumental-Trickkiste. Und „X O Surf” von The Deep spielen DJs heute unironisch zur Peaktime, auf dass sogar Typen in Atonal-Shirts kurz mit der Wimper zuckern. Wie auch immer: eine gute Gelegenheit für einen Trip! Christoph Benkeser

RAW Summer Hits III (RAW)

Summer Hits von RAW geht so: Ballerbuben dürfen sich aus ihrer Bravo-Jugend einen Song aussuchen, durch Ableton schleifen und ratzfatzigen Triolentechno rausbiegen. Ob Missy Elliott, Britney Spears oder Kylie Minogue – was in den Nullern auf Hochglanzpostern deine Pubertät begleitet hat, lässt sich in einen Techno-Edit pressen. Wieso? Weil’s fucking Spaß macht!

RAW, die Irgendwas-zwischen-Label-und-Veranstaltungsreihe aus Paris, lädt deshalb zum dritten Jahr in Folge Techno-Artists ein, Guilty Pleasures in den Betonmischer zu gießen. Das klappt bei ausgefallenen Picks von Mark Broom, CJ Bolland und Under Black Helmet besser als bei Nummern, die einfach nur Stahlträger über das Popgerippe knallen. Was Björk zu der mutwilligen Kaltverformung von Myler sagt, ist jedenfalls nicht bekannt. Die Sleaford Mods dürften sogar happy sein, das Koks des kleinen Mannes im Sechs-Minunten-Format unter die Nase gerieben zu bekommen. Und Narciss und die Heartstrings: Wie immer Legende! Wer immer noch über Summer Hits III von RAW haten will: geht’s scheißen! Christoph Benkeser

Chill Pill IV (Public Possession)

Seit 2019 erscheint jedes Jahr gegen Ende August eine neue Chill Pill, pünktlich zum Jahrhundertsommer 2022 liegt jetzt die vierte Ausgabe der Compilation-Reihe vor. Ausgangspunkt ist zwar nach wie vor ein imaginäres Ibiza der Siebziger- und Achtzigerjahre, doch mit Chill Pill IV klingt Public Possessions Balearic-Revival-Serie gegenwärtiger denn je. Mood-Master Johan Norling alias DJ City eröffnet den Reigen der 19 Tracks: „Race Point” trifft den Vibe des hitzermatteten Reggae-Club-Tracks der frühen Achtziger exakt, Movulangos „Beautiful Mess” sekundiert mit Cosmic-Dub-Feeling. Tatsächlich ein R’n’B-Song ist „Hypnotized (I Believe)” von Nalan feat. Walter P99 Arkestra – Kategorie: Instant-Hit. Abgeschossener Vogel: der Italo-8-Bit-Hip-Hop von Simone De Kunovic („W³”).

Nice Girl leitet wieder zum Trackschema über, Eden Burns steuert mit „Quokka Rock” einen Midtempo-Dancefloor-Schieber mit verwaschenen Acid-Lines bei. Fabelhaft: das instrumentale „Do You Remember The Name Of This Song”. Das südkoreanische Duo Salamanda knüpft mit „Truffles Sprinkles” an den japanischen New-Age-Ambient der Achtziger an. Bella Boo verfolgt dagegen ihre Neunziger-UK-Breakbeat-Interpretation weiter. Ausreißer aus dem Relax-Modus: „I Dream” von DJ Gigola, ein fiebriger Dancefloortrack mit voranpeitschendem Beat und Spielkonsolensounds.

Entdeckungen gibt es auch, allen voran Ciutats grandios übersteuerte Bossa-Wave-Ballade „Sabor A Mi”. Zudem die Französin La Copine De Flipper und den aus Shanghai stammenden Shā Mò. Tatsächlich Ambient, allerdings ungefähr in der Mitte zwischen George Duke und Ry Cooder, kommt von Stiltz/Rowley. Weiteres Highlight der zweiten Hälfte: Kean Farrars DIY-R’n’B-Tune „Out Of My Head”. Grandioser Ausklang: die perkussiv-schwebende, an Jan Schulte erinnernde Klangmagie des Münchner Producers Popp. Wie immer eine Wundertüte, als Download oder auf CD erhältlich – so oder so muss der Inhalt nun wieder für ein Jahr ausreichen. Apropos: Eine Vinyl-Box mit den vielen lediglich digital verfügbaren Tracks zum Mini-Jubiläum 2023 wäre ein feiner Schachzug. Harry Schmidt

Cocoon Compilation T (Cocoon Recordings)

Auf Cocoons Buchstaben-Compilations stellen Sven Väth und Labelmanager Edgar Dirksen die Acts vor, die in ihren Augen im vergangenen Jahr besonders viel bewegt haben. Bei der 20. Ausgabe setzen sie allerdings eher auf eine Reihe klassischer Producer, die sich immer ein wenig im Hintergrund gehalten haben. Der ab Mitte der Neunziger auf Labels wie Djax-Up-Beats präsente irische Vordenker des Detroit-Sounds, Stephen Brown, verbindet slicke Tech-House-Grooves mit träumerischen Soundscapes, 20:20-Vision-Veteran Carl Finlow überträgt eine Drexciya-Komposition in einen durch und durch eigenständigen, miniaturartigen Klangkosmos.

Noch unerwarteter erscheint The Emperor Machine, dessen verspielter, poppiger Electro-Jam lebendig klingt wie Tracks aus der Glanzzeit des Briten in den frühen Zweitausendern. Erwartbarer Denis Horvat und Jonathan Kaspar, die den Cocoon-Zusammenhang repräsentieren. Horvat bricht eine hymnische Tech-House-Nummer mit einer ungewöhnlichen, humorvollen Note, Kasper zersetzt einen slicken Disco-Stomper mit einem komplett gestörten White-Noise-Break. Die beste Nummer kommt von Daniel Avery: „Your Future Looks Different In The Light” verbindet bretternde Chicago-Snares mit ungewöhnlich digital daherkommenden Indie-Befindlichkeiten. Alexis Waltz

Contre tout, toutes et tous, la terre demeure (Mama Told Ya)

Anetha, Labelchefin von Mama Told Ya, trommelt auf Contre tout, toutes et tous, la terre demeure ihre Zöglinge zusammen. Passend dazu sind im beigefügten Artwork alle Künstler:innen mit ihren Kindheits-Bildern präsent. Neben Tracks von nischigen Acts wie Onleash oder Nebuchandnez mischen sich die Stücke von bekannteren Talenten wie Paul Copping, Mac Declos oder Gutkein. Auch die Kopenhagener Acts Schacke und Ida Engelhardt sowie Luca Eck – junges Gesicht der Berliner Partyreihe Durch – haben zum Release beigetragen.

Anetha geht es um das klangliche Experiment und eine Vision, wie die Zukunft klingen könnte. Die Produktionen leben von diesem progressiven Ansatz, gleichzeitig zeigen nur wenige Stücke neue Wege auf. So ist der Release ein Abbild dessen, was sich in den letzten zwei Jahren in elektronischer Musik getan hat: Moderne Techno-Produktionen haben sich inzwischen mit einer Selbstverständlichkeit die Psytrance-Bassline einverleibt – eine notwendige Folge der immer schneller gewordenen BPM. Man merkt: Es geht nicht mehr darum, einzelne Bassdrums von enormer Wuchtigkeit zu produzieren. Wichtig ist, die Zwischenräume mit einem antreibend monotonen Bass zu füllen. Neben dieser Veränderung im Produktionsstil leben viele der Stücke von einem zukunftsweisenden Vocal-Cutting, die futuristischen Produktionen von Vladimir Dubyshkin oder François X in nichts nachstehen. Vincent Frisch

The Juice Volume 1 (Juicy Gang)

DJ Mell G zündelt an der Boombox – und die Bootys bouncen! Für den ersten Labelsampler ihrer Juicy Gang Records drippen elf Tracks von der Clubdecke. Wer die neuen Nike-Kicks einschweißeln will, sprüht sich mit Axe ein und flext zu Gangbang-Electro auf dem Dancefloor.

Zwischen Acid-Schmatzereien und Überholspur-Beats drückt man anschließend die Eisen durch. 150 Sachen und es geht noch schneller, weil: Links geblinkt ist halb geparkt! Temposchwelle: nix da! Ob man den Beton bei schnuckeligen „90 Grad” im Schatten mit CcC anmischt oder sich mit YAZZUS im Schutz der Finsternis verkriecht: wurscht! In exzessiven Nächten versprühen DJ Sekt und Yung Secco sowieso nur Prosetscho aus der Viertelliterklasse. Außerdem: Catlaine versucht, ihr Selbstvertrauen ins Geldbörserl zu stecken. Dabei schmeißen P.Vanillaboy und 3LNA wieder Molly und feuern die 303 im Görli durch. Halleluja, Heiterkeit – was auf The Juice Volume 1 in der Rekordbox rotiert, fetzt für fünf Veröffentlichungen. Kaufen, spielen, Nachbarn nerven! Christoph Benkeser

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