Das Watergate (Foto: Presse)
Im ersten Moment hörte es sich schön an. Mitte Juli berichteten wir, dass 38 Berliner Clubs im Zuge der Corona-Soforthilfe durchschnittlich rund 81.500 Euro bekommen haben. Ein Betrag, von dem man meinen könnte, dass er für viele Betreiber*innen eine große Erleichterung in der aktuellen Lage bedeutet. Die Realität scheint aber anders auszusehen. Auf Anfrage des Tagesspiegel teilte die Kulturverwaltung mit, dass einigen Clubs Gelder bis zu 450.000 Euro genehmigt worden seien. Alleine hierdurch wird klar, dass andere Antragsteller*innen deutlich weniger als den Durchschnittsbetrag erhalten haben müssen.
Diese Annahme bestätigt das Watergate: „Wir haben 25.000 Euro Soforthilfe bekommen. Beantragt hatten wir entsprechend unseres Liquiditätslochs 69.000 Euro”, sagt Clubbetreiber Uli Wombacher. „Wir haben im Monat Fixkosten von rund 40.000 Euro – ohne Löhne. Wir sind jetzt im fünften Monat, das sind in diesem Zeitraum 200.000 Euro. Ohne unsere Unterstützer wären wir schon weg.” In dem Begründungsschreiben sei die beantragte Summe nicht erwähnt worden. „25.000 Euro sind natürlich viel Geld. Aber es ist nicht so viel, dass uns das irgendwie weiterbringen würde.”
Auch andere Clubs bestätigen, dass die erhaltenen Soforthilfen weit unter dem besagten Durchschnitt liegen: „Wir haben das bekommen, was bei unserer Liquiditätsplanung rausgekommen ist. Wir sind deutlich unter 81.000 Euro, aber liegen über dem Mindestwert von 25.000 Euro”, verrät das Mensch Meier. Mit dem Geld sei es den Betreiber*innen zwar möglich, offene Rechnungen seit dem Shutdown zu begleichen, „aber danach haben wir null Euro auf dem Konto und sind praktisch pleite.” Auch das Golden Gate hat den Betrag ausgezahlt bekommen, den es beantragt hat: „Jetzt haben wir erstmal Luft zum Atmen. Zusammen mit unserer Crowdfunding-Kampagne haut das jetzt erstmal hin”, erklärt Hubertus Graf Strachwitz, Betreiber des Clubs an der Jannowitzbrücke.
Die Soforthilfe dient dazu, die laufenden Fixkosten seit März zu decken. Bereits gestundete Mieten werden hier aber beispielsweise nicht berücksichtigt. „Wir brauchen Geld, über dessen Nutzung wir selbst entscheiden können und das wir nicht direkt an Dritte weitergeben müssen”, sagt das Mensch Meier. Außerdem seien die Hilfspakete zum Teil zu undurchsichtig und mit heißer Nadel gestrickt. „Die Pakete vom Bund und die Soforthilfe werden sich in die Quere kommen. Es wäre gut, wenn man da ein einheitliches System findet.” Auch von Mietminderungen ist von Seiten der Betreiber*innen weiterhin die Rede. „Die Vermieter wurden nicht in Mitverantwortung genommen”, sagt Wombacher. „Das habe ich schon immer als sehr ungerecht empfunden. Und mit der Übernahme der Mieten durch den Staat würde man den Clubs direkt helfen. Das ist für alle relevant.” Bisher ist unklar, ob sich die Politik diesem Thema annimmt.
In einem Punkt sind sich alle einig: es ist ein großes Privileg, dass das Land überhaupt Mittel für Clubs bereitstellt. „Wenn man sich das mal im internationalen Vergleich anguckt, da sind wir hier im Schlaraffenland”, stellt Strachwitz fest. Trotzdem sei klar, dass eine langfristige Lösung gefunden werden muss, um dem sonst unausweichlichen Clubsterben entgegenzuwirken. Nur wie sieht diese Lösung aus? Für Uli Wombacher ist klar: „Die einzige Priorität kann sein, dass wir es hinkriegen, die Clubs wieder zu öffnen. Ich sag’ das nicht, weil ich auf Teufel komm raus mein Geschäft wieder aufnehmen will. Ich sage das, weil es thematisiert werden muss. Wie, unter welchen Umständen und wann können die Clubs wieder öffnen. Das wird bis jetzt nicht besprochen.”
Es liegt auf der Hand, dass Clubbetreiber*innen Planungssicherheit brauchen – in irgendeiner Form. „Wir sind gar nicht in der Lage, einen Businessplan zu entwerfen. Wenn es in den nächsten paar Monaten wieder losgeht, dann überleben wir. Wenn es allerdings erst in zwölf Monaten soweit ist, können wir unseren Fortbestand ohne größere Hilfsgelder gar nicht mehr finanzieren”, beklagt Strachwitz. „Momentan gibt es nur Lippenbekenntnisse, die am nächsten Tag nichts mehr wert sind.” Obwohl einige Clubs die derzeitigen Regelungen nutzen und ihre Räume und Außenflächen zu Biergärten umfunktionieren, reiche der generierte Umsatz nicht, um die Ausfälle zu begleichen.
Für den Fall, dass sich die Wiedereröffnung noch deutlich länger verzögert – möglicherweise bis zur Entwicklung eines Impfstoffes – seien weitere Hilfen allerdings unausweichlich. „Wir haben damals in der Immobilienkrise 700 Milliarden in die Banken investiert. Jetzt müssen wir gerettet werden – now it’s payback time.” Strachwitz gibt sich kämpferisch. „Der Politik ist bewusst geworden, was Clubs für Berlin bedeuten. Ohne die Clubs, ohne die Feierszene, kann Berlin komplett dicht machen.” Um diese Wertschätzung zu verdeutlichen, sei es auch endlich an der Zeit, Clubs als Kultur- statt als Vergnügungsstätten anzuerkennen. Der letzte Vorhang ist noch nicht gefallen.