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Oktober 2025: Die essenziellen Alben (Teil 3)

Teil 1 der essenziellen Alben aus dem Oktober findet ihr hier, Teil 2 hier. Die Mixe des Monats aus dem Oktober findet ihr außerdem hier.

Verses GT – Verses GT (Lucky Me)  

Nachdem sie zwischen 2023 und 2025 bereits drei Tracks als Jacques Greene & Nosaj Thing veröffentlicht hatten („Too Close” (ft. Ouri), „RB3” sowie das auch hier enthaltene „Unknown”), haben sich die beiden Produzenten nun als eine Art Bass-Music-Mini-Supergroup vereint – eine Tour ist natürlich bereits anvisiert.

Die zehn Stücke des Albums verbinden dabei ätherische Flächen und sich in Melancholie auflösende Atmosphären mit Beats zwischen swingender Sci-Fi-Garage, Four-To-The-Floor-House und relaxten Hip-Hop-Breaks. Für drei Lieder haben sie sich Gesangverstärkung von George Riley, Kučka und TYSON geholt, um eine Art Radio-kompatiblen Bass-Pop zu entwerfen. Vor allem bei den Tracks mit den ersten beiden Vokalisten sowie den beatlosen Ambient-Stücken scheint der Einfluss des aus dem Brainfeeder-Umfeld stammenden Kaliforniers Nosaj Thing durch. Die anderen Tracks gehen mehr in Greenes Richtung, also Garage-beeinflusste Bass Music im Cinemascope-Format zwischen Epik und Elegie. Das dürften dann auch die Stücke sein, die am besten auf dem Dancefloor funktionieren. Tim Lorenz

Pancratio – Automatic House (Faith Beat)

House, bei Pancratio geht es um House, mit einem Schwerpunkt auf Chicago. Zum Beispiel jackt „It Was Unexpected” auf 130 BPM mit stampfender Basslinie und Orgel-Spitzen in die Nacht, um am Ende mit abgehackten Stimmschnippseln nochmal an der Hysterie-Schraube zu drehen.

„Otta Research Lab” lautet der Name seines Studios in Rom, wo Pancratio dieses Jahr noch die EP Love Letters aufgenommen hat. Nur um gleich im Anschluss nach Berlin zu ziehen. Wo sein früheres Schaffen auf Kollaboration ausgelegt war, setzt er an der Spree mit dem Album Automatic House seine Solo-Arbeit fort. Auch das Titelstück betont mächtig die Zwo und die Vier und belässt es lange beim nackten Beat, um sich dann Schwebe-Keys, Aufmunterungsrufe und verführerische Anleitungen zuzulegen. „Are You Listening?” eröffnet beinahe im alten Stil dieses Album, und hier zeigt sich auch schon gleich Pancratios eigener Zugang zu Chicago House: oft schieben sich leicht psychotrope Klangbilder in die Dancefloor-Musik, hier sind es leicht dissonante Vorstellungen des UFO-Flugs. In „MAPA” quäken die Acid-Moleküle, in „Leave Me Alone” die Besetztzeichen analoger Telefonanlagen.

Automatic House führt also Pancratios eigene Geschichte fort: es geht um House, und das in einer Lieferung, aus der jeder einzelne Track zum Floor zieht. Christoph Braun

Soulwax – All Systems Are Lying (Deewee/ Because Music) 

Die belgische Rockband ohne Gitarren, dafür mit Modularsynthesizern, ist fünf Jahre nach dem letzten Album mit All Systems Are Lying auf der Mission, uns als Gesellschaft den zerbrochenen Spiegel der Realität vorzuhalten – für Soulwax ist nichts mehr, wie es scheint; vieles besteht aus verwaschenen Halbwahrheiten, von Algorithmen kontrolliertem Kalkül oder aus AI-degeneriertem Cyber-Müll. Das Album klingt verzerrt und an das Spiel Cyberpunk 2077 erinnernd, verzichtet dabei jedoch nicht auf seinen poppigen Charakter. Dadurch büßt es ein wenig an musikalischer Abstraktion ein, die man sich bei der gewählten Thematik vielleicht noch mehr gewünscht hätte. Dank der aus der Erfahrung der beiden Brüder resultierenden Professionalität wirkt die linear anmutende Spannungskurve innerhalb der Tracks jedoch nur halb so schlimm – denn All Systems Are Lying ist letztlich einfach ein hervorragend klingendes Studioalbum, zu dem man getrost dem weltlichen Systemabsturz entgegentanzen kann. Leon Schuck

Susumu Yokota – Sakura (Lo Recordings) [Reissue]

Zehn Jahre nach dem Tod Susumu Yokotas und 25 Jahre nach der internationalen Veröffentlichung von Sakura kommt jetzt die remasterte „Skintone Edition”, in der Anfang August auch schon drei weitere Titel von Yokota erschienen waren. Unter den Alben des japanischen Produzenten nimmt Sakura einen besonderen Platz ein. Die Platte war sein größter Erfolg, selbst Musiker wie Philip Glass und Brian Eno äußerten sich höchst anerkennend über diesen Ambient-Entwurf, der bevorzugt mit Samples arbeitet. Yokota verwendet dabei hin und wieder die Musik von Kollegen, allen voran Harold Budd, aber auch Steve Reich oder Schnipsel des Post-Punk von Young Marble Giants, des Fusion-Pianisten Chick Corea und der Singer-Songwriterin Joni Mitchell arbeitet er in seine Stücke ein. Bei Yokota werden aus diesem Material locker gewebte Nummern, die zwischen verhalten schwebenden Impressionen, zurückgenommenen Clubtracks und freien Aneignungen von Minimal Music changieren. Der Sample-freudige Ansatz markiert das Album zeitlich, zugleich ging Yokota damit wunderbar offen um. Von starr repetitiven Figuren bis zu kleinen, sich ganz allmählich fortspinnenden Melodien reicht sein Vokabular, mit oder ohne Beat. Über allem liegt eine leichte Wehmut, gemischt mit Leichtigkeit. Die Jahre konnten dem wenig anhaben. Tim Caspar Boehme

Wagon Christ – Planet Roll (De:tuned) 

Luke Vibert hat sich mal wieder seinen Wagon-Christ-Mantel übergeworfen. Wurde auch Zeit, liegt dessen letztes Album bereits fünf Jahre zurück. Planet Roll ist nun das achte, das der Braindance-Veteran unter diesem Namen veröffentlicht. Und war das erste von 1994 noch ein reines Ambient-Album – Caspar Pound suchte seinerzeit für sein Label Rising High ein ebensolches. Und Vibert, damals noch hochbegabter Debütant, lieferte es, einfach um das erste Album veröffentlicht zu haben –, so war spätestens seit Throbbing Pouch, dem zweiten Wagon-Christ-Album, die Stoßrichtung klar. Instrumentale Hip-Hop-Breaks, lange bevor irgendjemand Boom oder Bap sagte, verbunden mit Stock-Musik- und Easy-Listening-Samples aus den Sechzigern und Siebzigern sowie quer durch die ganze Breite der Hardcore-Continuum-Galaxie gesampelten Vocal-Fetzen. „Cut the Midrange, drop the Bass”, anyone? Und genau so tönt es auch hier. Gelegentlich gibt es auch mal einen schnelleren Break, aber dafür sind ja eigentlich eher Amen Andrews oder Plug zuständig, zwei weitere Pseudonyme aus Viberts schier unerschöpflichem Fundus.
Und erneut erweist sich Vibert dabei als Monty Python der Sampledelica, gibt es doch kaum jemanden anderen, der britischen Humor so gut in Musik umsetzen kann. Wie etwa in „I’m Sorry”, das 4 Heros UK-Hardcore-Klassiker „Mr. Kirk’s Nightmare” in eine traurige Ballade mit weinender Slide-Gitarre verwandelt.
Um nur ein Beispiel zu nennen. Tim Lorenz

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Reviews

Oktober 2025: Album des Monats

Wer den Avian-Techno von Shifted großartig fand, wird das omnipräsente Echo des Nachfolgerprojekts Carrier noch großartiger finden.

Oktober 2025: Die essenziellen Alben (Teil 2)

Teil 2 unserer Alben des Monats kommen von HAAi, Auntie Flo, Feater, Marco Passarani und Mark Fell auf Frozen Reeds.

Oktober 2025: Die essenziellen Alben (Teil 1)

Teil 1 unserer Alben des Monats kommen von Blawan, Daniel Avery, Efdemin, Eusebeia und Cahl Sel mit einem besonderen Debüt.

Mixe des Monats: Oktober 2025

Unsere Mixe des Monats kommen von Azu Tiwaline, Demuja, Nawaz, Rakans & Vinvar sowie The Trip mit einem Set für Feel My Bicep.