Brian Wilson ist im Alter von 82 Jahren nach langer Krankheit verstorben. 1942 im kalifornischen Inglewood geboren, prägte er als kreativer Kopf der Beach Boys die Pop- und Rockmusik ab den frühen Sechzigern maßgeblich und setzte neue, unkonventionelle Standards beim Songwriting und Produzieren von Musik.
Trotz Taubheit auf dem rechten Ohr interessierte sich Wilson schon in seiner frühen Kindheit für Musik und insbesondere Harmoniegesänge nach dem Vorbild klassischer Barbershop-Ensembles. Als 16-Jähriger bekam er von seinem Vater, dessen Gewalt er während seiner Kindheit immer wieder ausgesetzt war, einen Multi-Track-Recorder geschenkt und hatte damit die technischen Möglichkeiten, verschiedene Aufnahmen seiner Stimme zueinander in Bezug zu setzen. 1961 gründete er mit seinen Brüdern Dennis und Carl und seinem Cousin Mike Love die Band The Beach Boys, mit der er zu Weltruhm gelangen sollte.

In seiner Anfangszeit kultivierte das Quartett ein harmloses Bild amerikanischer Teenager, das mit Hits wie „Surfin‘ USA” seiner vermeintlichen Lieblingsbeschäftigung – Brian Wilson war kein Surfer – frönte. Brian Wilson produzierte die Musik der Beach Boys in dieser Phase komplett alleine in einem besandeten Studio in seinem Haus, was einer musikindustriellen Revolution gleichkam: Erstmals agierte eine Band dieses Formats ohne externen Produzenten.
Doch das musikalische Genie Wilson litt schon in den Sechzigern unter dem Stress, den das Leben als Popstar mit sich brachte: Er zog sich immer stärker zurück und erlitt Nervenzusammenbrüche, experimentierte später mit LSD. 1966 erschien mit Pet Sounds der unzweifelhafte Meilenstein im Katalog der Beach Boys. Auf dem Album wendete sich Wilson vom Sunnyboy-Image der Band ab und den großen Themen des Lebens zu: Gott, Liebe, Trauer, eine bislang ungekannte Schwere legte sich über die noch immer makellos schöne Musik der Band.
Schon auf Pet Sounds experimentierte Wilson mit für Pop- und Rockmusik unorthodoxen Mitteln: Nicht nur setzte er Instrumente wie Waldhörner oder ein Theremin ein, auf dem Album sind Alltagsgegenstände wie Löffel oder Plastikflaschen sowie Samples von Zügen oder bellenden Hunden zu hören. So schuf Wilson eine ungemein dichte Atmosphäre, die in Verbindung mit den Vokal-Arrangements eine musikalische Revolution markierte. Auf „Good Vibrations”, einem weiteren monumentalen Song der Beach Boys, intensivierte Wilson den Einsatz des Theremins noch und kontrastierte damit die heitere Fassade, die die Band zu Beginn so erfolgreich machte.
Wilsons immer ausgefallenere musikalische Ideen führten schließlich zum Bruch mit dem Rest der Band: Seine Geschwindigkeit, Extravaganz, Eigenbrötlertum und zunehmende Verkopftheit vertrugen sich nicht mit dem Wunsch nach Bodenständigkeit und Konformität der anderen Drei.
Wilson begann daraufhin die Arbeit am Album Smile mit Komponist und Texter Van Dyke Parks, übernahm sich im Prozess aber hoffnungslos und konnte die Produktion nicht zufriedenstellend beenden. Zu dieser kreativen Bürde gesellten sich psychische Probleme sowie ein veritables Drogenproblem. In den Siebzigern arbeitete er erstmals mit dem kontroversen Psychologen Eugene Landy zusammen, was neben Veränderungen in Wilsons Lebenswandel auch eine musikalische Neuausrichtung nach sich zog: 1988 erschien das selbstbetitelte Album Brian Wilson, als dessen ausführender Produzent Landy fungierte. Mit seinen schiefen Synths, großformatigem Pathos und einem seltsam blechern klingenden Wilson konnte es nicht an die Erfolge der Beach Boys anknüpfen.

Nachdem Landy auf Druck von Wilsons Umfeld hin eingestand, diesen ohne dessen Einverständnis und Wissen unter Medikamente gesetzt zu haben, endete das Abhängigkeitsverhältnis vom Psychologen, der in diesem Zuge seine Approbation verlor. Wilsons Zustand besserte sich daraufhin: Er spielte noch einige Konzerte mit und ohne Band und nahm weitere Soloalben auf, lebte aber weiterhin zurückgezogen.
Im Alter von 82 Jahren ist Brian Wilson nun verstorben. Sein Einfluss auf die elektronische Musik erstreckt sich nicht nur ganz konkret auf Acts wie Animal Collective oder deren Mitglied Panda Bear, die den markanten Harmoniegesang der Beach Boys mit elektronischer Instrumentierung verquickten und so zeitlose Werke wie Merriweather Post Pavilion schufen. Vor allem sind es Wilsons Pioniergeist, sein Wille zum Aufbrechen konventioneller Strukturen und Abläufe, die schon ab den Sechzigern die Grundlage für eine vollkommen neue musikalische Ästhetik legten.