Angel D’lite – Dekmantel Mix 489 (Dekmantel)
Im Juni übernimmt die Südlondoner DJ Angel D’lite beim Lente Kabinet in den Niederlanden den krönenden Abschluss. Schon vorab schenkt sie uns eine intensive Tour durch die vielschichtige Welt der Rave-Kultur. Die frisch gebackene High-Hoops-Resident bewegt sich mühelos und locker zwischen verschiedenen Genres: Man fährt wie auf Schienen an reißenden Basslines, lodernden Synthies und verspielten Übergängen vorbei.
Los geht es housig. Romantische Vocals und strahlende Synths nehmen langsam Fahrt auf. Mit jeder Minute wird der Motor mit fetteren Basslines betankt, bis wir nach 50 Minuten in einem Trance-Inferno enden. Schließlich: die progressive Phase des Mixes, weniger Hooks, mehr Struktur, der Flow hypnotisiert. In der Schlussviertelstunde packt Angel D’lite die Kitsch-Keule aus. Poppige Vocals und bunter Trance. Keine Frage: Dieses Set hat Stank-Face-Garantie. Ferdinand Görig

Avia – 10.05.2025 (Radio Bollwerk)
Die ersten Stunden des Tages. Das sind ja die wichtigsten Momente, weil – wenn man es erst mal rausgeschafft hat aus dem schwedischen Designergestell, so gegen halb zwölf oder von mir aus auch ein bisschen früher, dann hat man eigentlich schon alles geschafft. Danach schaltet sich die Routine zu: Kaffee, intravenös, dazwischen Musik. Und schon wird es einigermaßen kompliziert: Morgendliche Beschallung, ich meine: keine kaffeehauskonzentrierte Swingscheisse, bei der man die Frühstückspampe am liebsten gleich wieder rektal ausführen mag; sondern halbwegs erträgliche, der Stille zuarbeitende, das heißt, in die semi-vorhandene Geistesgegenwärtigkeit arbeitende Beschallung. Natürlich muss die gekonnt sein. Oder zumindest gewollt. Ein paar bekommen das passabel hin, aber irgendwann gehen einem die Leute auf NTS auch maximal auf die Nerven. Aber, nicht verzweifelt einschlafen, was Neues probieren. Radio Bollwerk ist ein Schweizer Onlinesender, und eine gewisse Avia macht dort diese schöne Sendung, immer wieder mal, nicht zu oft. Und so fängt die erste Stunde des Tages an. Ist ja wirklich der allerwichtigste Moment von allen. Christoph Benkeser

Ben Sims & Blasha & Allatt – Vault Sessions ADE, BRET | 17 OCT 2024
Ein Acht-Stunden-Marathon von Blasha & Allatt und Hardgroove-Master Ben Sims? Das lässt man sich nicht zweimal sagen. Aufgenommen wurde das Brett am 17. Oktober des letzten Jahres im BRET – einem niederländischen Club, der für seine starken Bookings bekannt ist. Das Dreiergespann startet locker: Die ersten 90 Minuten sind eine Mischung aus funky House und sanften Techno-Elementen. Dann wird der Schalter umgelegt – man hört ein charakteristisch eingespieltes Vocal à la Sims und weiß: Jetzt geht’s los. Der Symbolism-Gründer und das britische DJ-Duo inszenieren gekonnt eine Berg- und Talfahrt: mal intensiv, mal die perfekte Gelegenheit, sich noch schnell ein Bier an der Bar zu holen, bevor es wieder rundgeht. Immer wieder tauchen Disco-Vocal-Momente auf, die kurz aus dem Hardgroove herausreißen – wie ein Maulwurf, der aus der Erde an die frische Luft kommt. Das harmoniert hervorragend. Der Maulwurf taucht wieder ab. Zum Schluss: Ein klaviergetränktes Techno-Stück, das einen noch einmal das Leben feiern lässt. Jacob Runge

Lucika – Sonil #2 – 14.05.2025 (LYL Radio)
Schrulligen, aber süßen Kreaturen begegnet man, wenn man diesen Mix hört, so die Beschreibung auf LYL Radio. Eine davon ist beispielsweise die Kankyō-Ongaku-Legende Hiroshi Yoshimura, mit dessem in sich ruhenden „Over The Clover” Lucika die zweite Ausgabe ihrer Radioshow Sonil eröffnet. Von Anfang an drängen sich deshalb zwei Vermutungen auf: Lucika hat was für Japanophilie übrig sowie einen ausgeprägten Hang zum akustischen Storytelling, dem sie in dieser Stunde aus Ambient, Downtempo und Jazz nachgibt. Das Resultat klingt wie der Soundtrack eines Studio-Ghibli-Films, der leider nie produziert wurde. Diesen Eindruck verstärken Marewrew, die zuletzt auf DJ Kozes neuem Album auftauchten, im fantastischen perkussiven Andi-Otto-Remix noch. Das Set aber nur auf distinkt japanische Ästhetiken zu reduzieren, wäre deutlich zu kurz gegriffen: Vielmehr entspinnt sich ein taubeperltes Netz aus Klängen, die allesamt nah am Organischen, an der Natur, am Menschen liegen, vielleicht der Herangehensweise von upsammy nicht unähnlich.
So unverstellt schön die zweite Ausgabe von Sonil klingt, so sehr begreift Lucika Entspannung als Arbeit. Immer wieder laufen mehrere Tracks gleichzeitig, sprudelt Sonil vor Einfallsreichtum über, überfordert dabei nie, sondern bettet sanft zwischen Dub, Blasinstrumenten und Holzperkussion. Maximilian Fritz

PLO Man – RA.988 (Resident Advisor)
Soundcloud-Profil und Website sind abgeschaltet, auf Spotify gibt es keinen einzigen Track von ihm, auf Instagram war er nie. Man kennt PLO Man als Macher von Acting Press, dem Berliner Label, das ähnlich wie Acido oder SUED für einen verschrobenen, analogen House-Sound steht. Er hat sich auch als Producer und besonders als DJ einen Namen gemacht, wo er mit seinen liebevoll produzierten, thematisch ausgerichteten Mixtapes Akzente setzt, die oft nur bei einer einzigen Veranstaltung erhältlich sind. Durch seinen RA-Mix zieht sich der puristische Minimal-House-Sound der Zweitausender von Kotai + Mo, Baby Ford, Zip oder Ricardo Villalobos, der mit einem unveröffentlichten Track vertreten ist.
Deren Stücke versenken sich mit einer heute ungewohnten Konzentration in mehr oder weniger seltsamen Loops, die nach und nach das Zeitgefühl nehmen. PLO Man lässt sich aber nicht von dieser Dynamik der Entgrenzung forttragen, sondern stellt unwahrscheinliche Verbindungen zu Musik außerhalb des Perlon-Kosmos her. So verbindet er in wenigen Minuten den meditativen Groove von Rhythm & Sound mit den humorigen Vocals von Moodymann, den komplexen Rhythmusgebilden seines eigenen Alias SnPLO und dem melancholischen Tech-House von Burger Ink, um bei den minimalen Meisterwerken von Wolfgang Voigt und Stefan Schwander zu landen. „In dieser Musik stecken viele Erinnerungen”, schreibt PLO Man über den Mix. „Freunde, Orte, Erlebnisse. Ich wollte all die Menschen, die ich in meinem Leben liebe, mit Musik würdigen, die mich an sie und unsere Beziehungen erinnert.” Alexis Waltz
