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Mixe des Monats: Januar 2024

Jeffrey Sfire – H.A.N.D. Mix 050 (HAVE A NICE DAY)

Dieses Set ist die 50. Ausgabe der Mix-Serie des Berliner Plattenladens und Labels Sound Metaphors. Er macht Cosmic hörbar – einen Musikstil, der in den späten Siebzigern von italienischen DJs wie Beppe Loda oder Daniele Baldelli entwickelt wurde. Der Name leitete sich von einem Club am Gardasee ab, in dem Afro, Funk und obskure Disco-B-Seiten liefen. Was ein Cosmic-DJ-Set ausmacht, sind das langsame Tempo und der Genre-Eklektizismus, der auch nicht-elektronische Musik einbezieht und überraschende Momente auf dem Dancefloor ermöglicht.

Parallelen zu den Anfängen von Chicago House lassen sich ziehen. Ron Hardy hat allerdings den Pitch-Regler deutlich vehementer nach oben geschoben. Was Cosmic wie Chicago eint: der Anspruch an die Musik, die man auflegt, aber auch die technische Begabung, was das Mixen angeht. Schließlich wird die musikalische Intensität durch das künstlerische Feingefühl und Musikverständnis des DJs vorgegeben, anstatt sie quantitativ in BPMs zu messen.

Eben diese fast schon verloren geglaubte Qualität demonstriert der Detroiter DJ Jeffrey Sfire meisterhaft in diesem sechsstündigen Mix (die langen Set-Zeiten sind charakteristisch für Cosmic-DJ-Sets – man braucht schließlich genug Zeit, um verschiedene Atmosphären aufzubauen), indem er den perfekten Grad geschmackvoller Cheesiness trifft. Das Set wurde bei einer Cocktail-d’Amore-Party aufgenommen. Erwartet unter anderem Italo-Raritäten wie „Ma Pecché” von Assanti, „Hot Stuff” von Deborah Haslam oder exuberanten Synth-Pop wie „Stargazing” von Alisha. Derin Senbaklavaci

ML Buch – Sunday Mix (Crack Magazine)

ML Buchs Kerngeschäft ist nicht das Auflegen. Die Dänin wurde in den letzten Jahren für einen Indie-Sound bekannt, der die plastischen Gitarren und die Theatralik von Siebziger-Progressive-Bands wie Genesis mit inhaltlichen Themen wie Romantik in Zeiten von Social Media und der Auflösung des analogen Ichs kombiniert. Klingt alles sehr nach digitaler Überfrachtung, ergibt in der Praxis aber fesselnde wie ephemere Pop-Songs.

Die polierte Ästhetik des Digitalzeitalters verfolgt ML Buch mit ihrem „Sunday Mix” fürs Crack Magazine nicht. Für das Chillout-Format des britischen Musikmagazins fasst sie in einer Stunde freigeistig zusammen, wie sich Sonntage in ihrem Universum anhören: Ruhig, spielerisch, aber doch minimal. Los geht’s mit der Eigenproduktion „Slide” vom aktuellen Album Suntub, die mit Hall und verzerrten Gitarren im Stile Bullions gedankenverloren durch den Raum streunt. Im Anschluss schabt Herbert an Pferdeknochen, kurz darauf erklingen Fanfaren aus dem Ballet „Le Marchand d’oiseaux”, ehe mit einem unveröffentlichten Track von Molina der Pop Einzug hält.

Diese abrupten Wechsel zeichnen das Set aus, und mit seiner besinnlichen Atmosphäre und den ganzen Glocken erinnert es an einen angesäuselten Familienvater, der an den Feiertagen nicht aufhören kann, mit den Schätzen seiner Plattensammlung und dem dazugehörigen Hintergrundwissen anzugeben. In diesem Sinne: Roy Montgomery ist ein neuseeländischer Gitarrist und macht so Lo-Fi-Kram. Seine Sachen haben eine Wärme, die findet ihr nirgendwo anders! Maximilian Fritz

Samar // Sun People (Sub FM)

Hände hoch, wer nach drei Monaten in der Finsternis des Alltags keine Winterdepri schiebt. So ein Moritz erklärt einem zwar bestimmt gern, dass die TAGE wieder LÄNGER werden. Aber na ja, nicht mit mir! Ich geh’ heute steil und dimm’ die Lichtlampe auf 50 Prozent. Dann bin ich ready für Sun People. Der macht von Grau aus eine Radiosendung auf Sub FM und lädt immer wieder sunny people ein.

So wie Samar, Resident bei Kiosk und Raheem Radio. Dass die nicht gerade ein sonnendurchflutetes Altbau-Set spielt, sondern eher den Subwoofer mit Sunblocker massiert, mag erst mal eine schöne Überraschung sein. Hat aber seine Vorteile. Man braucht zum Beispiel keine sündteure Sonnenbrille wie Ski Aggu. Und so ein musikalischer Vitamin-D-Mangel ist auch irgendwie cooler als diese ledrigen Après-Ski-Gesichter. Außerdem mag ich Menschen, die Dubstep mögen. Summa summarum ist dieses Set von Samara also eine guate Gschicht. Christoph Benkeser

Amy Dabbs with Acidfinky – 100% Production Mix (Rinse FM)

Amy Dabbs legt sowohl House als auch Jungle auf. Mal getrennt voneinander. Mal – so wie in diesem 100% Production Mix – kombiniert. Kein Wunder, dass ihre Track-Auswahl so harmonisch klingt. Jungle und Deep House verbindet eine eigene angenehme Atmosphäre, die Dabbs interessant zusammenfügt.

Mit Golden-Pudel-Resident Acidfinky an ihrer Seite ergibt sich für diesen Mix auf Rinse FM ein konträres Pärchen. Während Dabbs’ Produktionen sehr moodlifting sind und über außerordentlich schöne Vocals und Synth-Pads funktionieren, steht ihr Acidfinky mit minimalen, aber komplizierten Percussions und dunklen, wonky Bässen gegenüber. Die Selection bleibt aber immer deep, progressiv und lebhaft – eine gute Set-Wahl hinsichtlich des scheinbar ewig andauernden Januars. Der Mix hebt die Stimmung und lässt auf dem Bürostuhl nachhaltig hin und her wippen. Virginia Bartocha

EMA – Truancy Volume 322 (Truants)

Der Truants-Mix von EMA aus Dublin beginnt ungewöhnlich verhalten. Schwere Bässe werden von streng ausgemessenem, hypnotischem Drumming in Zaum gehalten. Der Dubstep der Zweitausender und Hip-Hop der Neunziger sind hier wichtiger als das Geschredder aktueller Rave-Breaks. Die Unschärfen zwischen dem chaotischen Drumming und den trancigen Flächen vieler aktueller Sets scheinen EMA zuwider zu sein, statt Alkoholtaumel und MDMA-verzückter Ekstase geht es darum, eine headige Konzentration auf die Spitze zu treiben.

Low End Activists atemlose, unberechenbare Drum-Salven am Beginn des Sets erinnern an das jüngst wiederveröffentlichte Photek-Opus-Magnum Modus Operandi. Low Jack, J:Kenzo oder SIM geben sich ähnlich grüblerisch und entrückt. In der zweiten Hälfte des Mixes kündigt sich mit Zygos im FRMD-Remix für einen Moment eine Öffnung und Dynamisierung an. Doch weit gefehlt: Pugilist & Tamen und Katatonic Silentio steigern den nerdigen Kopfernicker-Gestus noch weiter. Soreab überrascht mit einer spanischen Gitarre, und mit „Salvo” von The Last Hero webt EMA einen flirrenden, technoiden qTrack in ihr Set. Laima Adelaide bildet einen unterkühlten Auftakt für das virtuose „Coriolis” von Air Max ’97, den Höhepunkt des Mixes, der überraschend auf einer Drum’n’Bass-Note mit einem so geradlinigen wie souligen Bristol-Kassiker von Rob Smith von Smith & Mighty endet. Alexis Waltz   

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