Die Australier Gelareh Pour und Brian O’Dwyer sind gemeinsam ZÖJ. Wer schon immer wissen wollte, wie sich „Post-Persischer Anarcho-Experimentalismus” (Eigenbeschreibung der Musik des Duos) anhört, sollte ihnen definitiv eine Chance geben. Denn auf Fil O Fenjoon (Bleemo Music/Parenthèses Records, 15. November) wie auf ihren früheren selbstvetriebenen EPs verbinden sich ein spezifischer Post-World Ambient-Jazz, persische Traditionsklänge und Iran-Pop in einem minimalen Setup aus Schlagwerk, Stimme, Flöten und Kamancheh zu tief melancholischen, überhaupt nicht aggressiven dunklen Klangfarben, die ihre experimentelle, improvisierte (anarchische?) Entstehungsweise nicht als Avantgarde-Schutzschild vor sich hertragen, sondern einfach traurig, schön und elegisch sein dürfen.
Apropos fragil-zarte Sehnsuchtsklänge: Mit extrem diesseitigen, doch extraweltlichen Vocals, bringt das neu gegründete britische Label Six of Swords einen der absoluten Motherboard-Favoriten dieses Jahres, nämlich Marjaa: The Battle of the Hotels (Six of Swords, 3. November) der libanesischen Urbanistin Mayssa Jallad in würdigem Format heraus.
Die nächste Laufnummer des Bristol-Londoner Labels eröffnet dem verschwommenen Post-Trip-Hop des zweieinhalbten Albums Boiling Wells (Demos ‘19-‘22) (Six of Swords, 3. November) des Bristoler Trios Jabu – ebenfalls eine übersehene, bislang nur digital veröffentlichte Arbeit – eine neue Perspektive. Vielleicht sogar eine neue dauerhafte Heimat für Jasmine Butt, Alex Rendall und Amos Childs aus dem Young-Echo-Kollektiv, die mit dem länger inaktiven Blackest Ever Black ihre bisherige Label-Basis verloren haben. Jabus in zwei Vinylseiten verschmolzene Lo-Fi-Demos aus den angrenzenden Pandemiejahren haben jedenfalls Potenzial, den geliebten Bristol-Sound zwischen Dub, Bass Music und kopfschwerer Psychedelik mit neuem Leben zu füllen und ihn dabei zu etwas Neuem zu machen.
Der aus Singapur und in London lebende Produzent und Pianist Kin Leonn ist prominent geworden durch die Zusammenarbeit mit der ebenfalls aus Singapur stammenden Glitch-Princess Yeule. Dass er ebenso gerne als passionierter Ambient-Produzent agiert, ist dem japanischen Kitchen Label nicht entgangen. Electronica mit mildem Glitch und klassischer Ambient-Klavierarbeit zu verbinden, gelingt eben kaum jemandem so gut und so selbstverständlich wie Leonn. Sein jüngstes Album mirror in the gleam (Kitchen Label, 27. Oktober) ist da keine Ausnahme. Also schon wieder ein Ambient-Album des Jahres. Noch eines, es will einfach nicht aufhören.