Image und Sound von A Mirror To Weave (Danse Noire, 2. Juni), Debüt des jungen US-Amerikaners Fu Liu alias Mt. Fuyu arbeiten ebenfalls an der Verflüssigung von Club und Pop. Die Dekonstruktion von Klischees und Genres, von Hyperspeed-Gabber, Digital Hardcore und Trip-Hop erhält bei ihm eine tief melancholische Note, die seine Tracks deutlich abhebt vom globalen Post-Club-Style. Die nächsten emotional und mental verwandten Brüder dürften Space Afrika sein, ohne deren Sound auch nur ein Stück weit zu kopieren. Sowieso haben Mt. Fuyus Tracks weder ein besonders britisches, amerikanisches oder überhaupt lokalisierbares Sounddesign, sind sie doch im besten Sinne superspezifisch supereigen, darin tieftraurig und streckenweise außerweltlich schön.
Was verflüssigt war, wird wieder fest, aber nie mehr so ganz. Es ist ein Kontinuum der Viskosität, der Zwischenstadien, der erkaltenden Lava. Auf dem Tape Paisajes Para Torcer al Reloj (Not Not Fun, 16. Juni) von Lorena Álvarez & Alejandro Palacios ist es die Zeit in Lo-Fi, das Timing von Jazz und Improvisation, das in endlose Weiten gedehnt wird. Sind es angefressene Fender-Rhodes-Keyboardschleifen, die sich in Distortion, Langsamkeit und Hall auflösen. Was die beiden Chilenen hier gerade mal wieder neu erfinden, ist die Suspension von Geschwindigkeit in Zähigkeit und Zerfall (was sich nicht ausschließt) als neuer Jazz und alter Ambient zwischen William Basinski und Bohren und der Club of Gore, ohne deren jeweiligen Idiome wirklich wiederholen zu müssen. Es ist sehr eigen, was Álvarez und Palacios machen.
Was Caterina Barbieri mit ihrem Album Ecstatic Computation und speziell dessem epochemachenden ersten Track „Fantas” erreicht hat, nämlich in gewisser Hinsicht den Zenit dessen, was aus einem Vintage-Synthesizer herausgeholt werden kann, ist ihr wohl selbst am gegenwärtigsten. So ist ein Reissue des ursprünglich auf Editions Mego erschienenen Langspielers (light-years, 7. Juli) auf Barbieris eigenem Label auf allen physischen Formaten absolut sinnvoll und nötig. Zumal sich hier noch eine bislang unveröffentlichte ambiente (und grandiose) „Ghost Version” von Fantas versteckt. Die Freude wird von Myuthafoo (light-years, 16. Juni) noch gesteigert. An das Reissue von Ecstatic Computation angekoppelt, versammelt die Mini-LP Material aus derselben Produktionssession. Sechs solide und wohldurchdachte Stücke, die den hochspeziellen Sound, den Barbieri in dieser Zeit für sich entwickelte, noch einmal etwas anders ausarbeiten.
Der Berliner Mutant-(Break)-Beat und Crux-Axul-Labelmacher Florian Sankt verfolgt unter dem Alias Shō noch eine Linie, die sich an Ambient und Electronica anlehnt. Auf Elsewheres (Never Anything, im Mai erschienen), wenn ich es mir nicht einbilde, sogar mit einem dezidierten Kopfnicken in Richtung alter Heidelberger und Offenbacher Schule, hingewandt zu etwas, das Move D und Sensorama in den Neunzigern gemacht haben, also einen sehr klaren, offenen wie warmen analogen, elektronischen Sound, der die krautigen Anfänge des hiesigen und britischen Synthesizerschaffens honoriert, aber doch noch woanders hinmöchte. Zum Electro-Pop aus Detroit, aber auch hin zum frühen Stockhausen-Experiment im Studio für Elektronische Musik. Auf Elsewheres passiert beides unterschwellig in einem absolut jetztzeitigen Produktionsgewand. Es ist die vanillig-warme klangliche Grundstimmung, die hier wohlig halbkühle Erinnerungen hervorholt.
Ins Warme gehen und dabei kühlen Kopf bewahren, Immersion, aber Abstand halten, vielleicht ist diese leicht paradoxe innere Einstellung (neben der Chemie) eine der Voraussetzungen für das Funktionieren von Psychedelik. Jesse Edwards aus Austin, Texas verfolgt dies in den unterschiedlichsten Konstellationen seit mehr als 25 Jahren, lange Zeit im Indie-Rock-Format zusammen mit Shoegaze-Legende Jessica Bailiff, aber ebenso mit Verbindungen zu Outsider-Hip-Hop. Edwards’ jüngstes Alias C-Thru übersetzt diesen Anspruch nun elektronisch ins Neo-Kosmische und Neunziger-Balearische. Das Tape The Otherworld (Pacific Rhythm, 2. Juni) bringt dieses Sentiment ohne Nostalgie auf höchstem Niveau in die Jetztzeit. Prins Thomas ist schon Fan (und kommender Kollaborator), weitere werden sicher schnell folgen.