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April 2023: Album des Monats

Joey Anderson – Exotic Sequence (Deeptrax)

Man erinnert sich gerne an die ersten Veröffentlichungen des aus New Jersey stammenden Joey Anderson. Sie erschienen in den frühen Zweitausendern auf dem Label Strength seines Weggefährten DJ Qu. Schon damals zeichnete sich bei Anderson eine sehr persönlicher Ansatz als Produzent von House Music ab, die dem Genre Deep House eine weitere beständige Facette abgewinnen wollte und sich abseits der klassischen Tradition bewegte. Seitdem hat Anderson zahlreiche Veröffentlichungen auf renommierten Labels wie Dekmantel, Inimeg, Latency und Avenue 66 produziert und sein eigenes Universum kontinuierlich erarbeitet und verfeinert.

Andersons Musiksozialisation fand in der lebendigen Dance Culture des New York und New Jersey der frühen Neunziger statt, etwa in DJ Dukes legendärer Sound Factory oder dem Shelter. Diese Zusammenhänge zogen Anderson in ihren Bann und sind bis heute ein prägendes Hauptelement seiner Tracks. Die immer mitgedachte Perspektive des ambitionierten House-Tänzers ist auch eine der prägenden Eigenschaften seines vierten Albums.

Die rhythmische Energie der Tracks bleibt stoisch treibend, Sequenzen hypnotisierender Sternschnuppen-Gewitter kontrastieren sie.

Die rhythmische Energie der Tracks bleibt stoisch treibend, Sequenzen hypnotisierender Sternschnuppen-Gewitter kontrastieren sie. Andersons Variante von deep verbindet vor allem Elemente aus Techno und Ambient mit klassischem House und ist mit einer leicht tribalistischen Note in den Drums in epischen Festival-Sets ebenso zuhause wie auf dem intimen Clubfloor; sie erzeugt eine meditative Konzentration und Dichte, die es in dieser Form nur selten gibt.

Die wohl austarierte Mischung lose verbundener Layer verschiedener analoger Sequenzen, Arpeggiator-Linien und Ambient-Pads, die sich polyrhythmisch aufeinander zu- und wieder voneinander wegbewegen, hält meist ein sparsames, gleichzeitig aber so omnipräsentes wie unverrückbares Beat-Gerüst zusammen – vielleicht bildet es auch eher den Anker. Die wichtigste Rolle kommt dabei der komprimierten Bassdrum zu. Tänzer:innen versorgt Anderson mit der perfekten Basis aus pumpender Beat-Grundstruktur, lose mäandernden Lead-Sequenzen und atmosphärischen Pads, um sich in tänzerischer Improvisation und Meditation im Paralleluniversum des Vertrauens zu verlieren.

Die Perspektive der Tänzerin ist auch auf Exotic Sequence essenzieller Bestandteil sämtlicher Stücke und macht die magische Balance zwischen körperlichem Ausdruck mit entsprechender Extrovertiertheit und Derwisch-artiger Konzentration in einem inneren Trancezustand aus. Damit eignen sich sämtliche Stücke des Albums gleichermaßen, zu Hause auf der Couch, aber auch auf dem ambitionierten Dancefloor erlebt und gelebt zu werden. Dieses Album ist die eierlegende Wollmilchdeephousesau mit Technobonus.

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